Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
11.01.2011 | 22:31 | Dioxin-Skandal 

Ministerin Aigner sieht keine Fehler

Berlin - Von der Opposition muss sich Ministerin Aigner Kritik anhören.

Aigner sieht keine Fehler
Sie sei eine «Ankündigungsministerin», ihre Dioxin-Vorschläge zu vage. Aigner wehrt sich, verweist auf ihre 5-Punkte-Liste. Frühere Skandale zeigen, dass schnelle Lösungen auch kaum möglich sind.

Ilse Aigner lächelt, wenn auch etwas angestrengt. Trotz einer Besprechung nach der anderen und immer neuen Details im Dioxin-Skandal versucht sie sich am Dienstag im Bundestag entspannt zu geben. Von Verbraucherschützern und der Opposition muss sich die CSU-Politikerin vorhalten lassen, eine «Ankündigungsministerin» zu sein, die in Wahrheit die Futterhersteller schützen wolle. Doch Aigner lässt keinen Zweifel: «Dieser Fall wird Konsequenzen haben.»

An die Adresse ihrer Kritiker sagt Aigner: «Ich schätze, dass wir das sehr gut gemacht haben.» Dennoch kann sich Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) eine Spitze nicht verkneifen. Als Aigner schon in Raum 4.600 des Paul-Löbe-Hauses zur Sitzung des Verbraucherausschusses verschwunden ist, sagt er in die
Mikrofone: «Sie fällt dadurch auf, dass sie ankündigt.» Nach einer Kunstpause fügt er hinzu: «Jetzt muss sie es aber umsetzen.»

Nach der Sitzung kritisieren die Grünen, Aigner habe sich von ihren Unions- und FDP-Kollegen über den Tisch ziehen lassen - deren in den Ausschuss eingebrachten Vorschläge enthielten fast nur Prüfaufträge, kritisiert die Grünen-Ernährungspolitikerin Ulrike Höfken. Aigner fehle es an Durchsetzungsvermögen. Die SPD moniert, das sei wie bei ihrem Vorgänger Horst Seehofer nach dem Gammelfleischskandal. Die Ministerin wolle Verschärfungen und werde von den eigenen Leuten ausgebremst. So sei auch nicht mehr von einer Reform des Verbraucherinformationsgesetzes die Rede.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter-Friedrich fordert hingegen von der Opposition: «Problemlösung statt Parteiprofilierung.»

Vergessen wird oft, dass Aigner den Ländern nicht hineinregieren kann, denn die Kontrolle der Lebensmittel ist deren Sache. Die sportliche Oberbayerin (46) hat das Problem, dass alle nun schnelle Lösungen verlangen, diese aber kaum zu bieten sind. Es gilt, Absprachen mit den Bundesländern und der EU zu treffen - und die Agrarbranche hat eine starke Lobby.

Rheinland-Pfalz reagiert erzürnt, dass Aigner nun erstmal auch Vorschläge von der Futtermittelindustrie erwartet. «Das ist so als würde man den Einbrecher um Vorschläge für besseren Einbruchsschutz bitten», sagt Verbraucherschutzministerin Margit Conrad (SPD). Aus Rheinland-Pfalz gab es für Aigners Krisenmanagement daher die Note «ungenügend».

Im politischen Wettstreit überbieten sich die Beteiligten mit Reformvorschlägen. Aigner hat eine 5-Punkte-Liste vorgelegt, Union und FDP listen gemeinsam 7 Vorschläge auf, die SPD hat gleich ein 15-Punkte-Programm in den Ausschuss mitgebracht. Ein Punkt darauf wird nun auch von der Union aufgegriffen. Es soll eine bundesweite Warnplattform für die Verbraucher kommen: www.lebensmittelwarnung.de.

Was letztlich noch umgesetzt wird, daran dürfte Aigner wirklich gemessen werden. Von dem Maßnahmenkatalog des damaligen Ressortchefs Horst Seehofer nach den Fleischskandalen 2005 und 2006 wurde bisher nur ein Teil Wirklichkeit. So findet ein Einfärben von sogenannten K3-Fleischabfällen noch immer nicht statt.

Die Gretchenfrage im Dioxin-Fall ist wohl diejenige, die im Ausschuss an die Ministerin gerichtet wird: Wie will die Regierung sicherstellen, dass problematische Ergebnisse bei Eigenkontrollen tatsächlich den Behörden mitgeteilt werden und zu den nötigen Konsequenzen führen? Das Unternehmen Harles und Jentzsch hatte im März 2010 ebendies nach einer positiven Dioxin-Probe nicht getan.

Es geht also darum, wie möglicherweise kriminelle Machenschaften unterbunden werden können, die einen Schaden in Millionenhöhe für die Bauern nach sich ziehen. Nach der Kaufzurückhaltung bei Eiern könnte vielen Verbrauchern nach dem Fund von zu viel Dioxin in Schweinefleisch nun auch der Appetit darauf vergehen.

Ein führender Vertreter der Agrarwirtschaft sagt, dass Aigner bisher nicht genug das Heft des Handelns in die Hand nehme. Noch ist unklar, wie sie mit ihren vorgestellten Maßnahmen solche Skandale verhindern will. Verschärfte Zulassungspflichten für Futterproduzenten und eine Positivliste für Mittel, die ins Tierfutter wandern dürfen, zählen dazu. Aber auch die strikte Trennung von Industrie- und Futterfettproduktion und ein «Dioxin-Monitoring». Zur Forderung nach Pflichttests auf Dioxin bei allen Zutaten im Tierfutter hält sie sich bisher bedeckt.

Aigner wird vorgeworfen, immer wieder Vorstöße zu machen, die sich gut anhören, aber viele Fragen offenlassen. So auch der von ihr zwischen diversen Dioxin-Sitzungen am Dienstag vorgestellte «digitale Radiergummi», um Persönliches im Internet löschen zu können.

«Wie üblich zieht sich Frau Aigner beim Dioxin-Skandal auf Prüfaufträge und Bitten an die Europäische Union zurück», kritisiert Ausschussmitglied und SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. «Handeln will sie nicht, weil sie Rücksicht auf die Lobbyisten nimmt, statt die Verbraucher wirksam zu schützen.» (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken