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17.01.2009 | 09:07 | Winzer von Erbach 

Rheingauer Winzer produzieren koscheren Rotwein «Nagila»

Erbach/Mainz - Das Lager der Winzergenossenschaft «Winzer von Erbach» im Rheingau sieht auf den ersten Blick aus wie in vielen anderen Weingütern auch.

Koscher Rotwein Nagila
(c) proplanta
Bis auf die Paletten in einer Ecke: Die Flaschen sind dick in Folie eingeschweißt und mit hebräischen Schriftzeichen gekennzeichnet. «Hier steht unser erster Jahrgang koscherer Rotwein», erklärt Winzer Ronald Müller-Hagen. Um diesen Wein nach den strengen Vorgaben der jüdischen Glaubenslehre zu produzieren, mussten unter anderem alle Gefäße, mit denen Trauben, Maische oder Wein in Berührung kommen, nach speziellen Riten gereinigt werden. Um dies zu kontrollieren, kam zum Ernten, Pressen und Abfüllen ein Rabbi zu der Winzergenossenschaft.

«Als mich ein Weinhändler vor rund zwei Jahren fragte, ob wir das machen wollen, war ich einverstanden - allerdings ohne zu ahnen, was auf uns zukommt», sagt Müller-Hagen. So gelten die strengen Riten natürlich auch für den Maischewagen, die Traubenpresse und die Schläuche in die Lagerfässer. Vor dem Gären muss die Maische erhitzt werden - für einige Rotweine eh eine gängige Bereitungsmethode auch in Deutschland, sagt der Winzer. «Ich habe auch eine spezielle Hefe herausgesucht, die koscher produziert wurde.»

Für jeden Produktionsschritt sei extra Rabbi Ifflah aus Paris nach Erbach gereist. In der Zeit dazwischen wurden die Fässer fest umklebt und versiegelt. Da sich die Maische-Erhitzung nach den Worten von Müller-Hagen für Weißweine nicht eignet, produzierten die Erbacher Winzer nur koscheren Rotwein, einen Pinot Noir Qualitätswein mit dem Namen «Nagila». Im Angebot sind rund 4.600 Flaschen, von denen 1600 im Fass mit Eichenchips ausgebaut wurden.

Der Begriff «koscher» bedeutet im jüdischen Glauben «für den Verzehr geeignet». «Die wichtigste Bedingung dafür ist die den Geboten der Tora und des Talmud entsprechende Behandlung», erklärt der Mainzer Professor für Judaistik, Andreas Lehnardt. Tora und Talmud sind heilige Schriften des Judentums. «Bei Wein kommt hinzu, dass er nicht von Nichtjuden zubereitet oder gar gehandelt worden sein darf.» Für diese Regel gebe es allerdings Ausnahmen - etwa wenn der Wein erwärmt wurde. Dann gelte er nicht mehr als Wein, sondern als «Yayin mevushal», der auch von Nichtjuden eingeschenkt und verkauft werden dürfe, erklärt der Experte. Jedenfalls werde dies von einigen Rabbinern akzeptiert.

«Da die Zubereitung in Weinpressen von Nichtjuden eigentlich verboten ist, kann in Deutschland in Ausnahmefällen das Zubereitungsgerät vorher "gekaschert" werden», erklärt Lehnardt. Dieses Koschermachen geschieht entweder durch mehrere Bäder in «lebendigem Wasser» - wie etwa in einem Fluss oder Bach - oder durch mehrere Abkochvorgänge, wobei mindestens drei üblich sind. Zwischendurch wird das erwärmte Gerät abgekühlt. «Dieser Reinigungsvorgang hat übrigens keine hygienische Funktion, sondern es geht um die rituelle Reinheit der Geräte», sagt der Professor.

Weinhändler Wolfgang Lehmann aus dem hessischen Nauheim verkauft seit 1996 koschere deutsche Weine. Mehrere Jahrgänge produzierte zunächst das rheinhessische Weingut Herbert Schenkel aus Schwabenheim - inzwischen jedoch nicht mehr. «Nach meinen Recherchen waren wir die ersten, die koscheren Wein aus Deutschland angeboten haben», sagt Lehmann. Da die jüdischen Gemeinden in Deutschland tendenziell größer würden, sieht er auch weiterhin gute Marktchancen für koscheren Wein. «Das ist natürlich ein absolutes Nischenprodukt.»

Winzer Markus Schäfer aus Armsheim bei Alzey hat 2003 und 2004 koschere Rotweine angebaut. Auch wenn inzwischen alle Flaschen verkauft seien, habe sich das wirtschaftlich nicht gelohnt, sagt Schäfer. Schließlich entstünden zusätzliche Kosten etwa für den Rabbi. Für die Winzer von Erbach bleibe die Produktion von koscherem Wein wahrscheinlich eine einmalige Erfahrung, sagt Müller-Hagen. «Das war ein interessantes Experiment, aber man unterschätzt den Aufwand.» (dpa)
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