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03.10.2023 | 05:38 | Eis am Stiel 

Streit vor 100 Jahren: Wer steckte zuerst den Stiel ins Eis?

Berlin - Das erste Eis am Stiel soll per Zufall erfunden worden sein: Eine Legende erzählt, der US-Amerikaner Frank W. Epperson habe als Elfjähriger in einer kalten Nacht des Jahres 1905 in Kalifornien ein sirupartiges Getränk mit einem Rührstab im Freien stehen gelassen. Über Nacht sei die Flüssigkeit um den Stiel herum gefroren.

Eis am Stiel
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Ein in kalter Nacht vergessenes Getränk führt angeblich zur Geburt vom Eis am Stiel. Ein Blick in die Entstehungsgeschichte und auf den juristischen Streit, der sich um die Patente entfachte. (c) Warakorn - fotolia.com
Allerdings ist Epperson später nicht der erste, der ein Patent für die Herstellung dieser gefrorenen Köstlichkeit beantragt. Der US-amerikanische Konditor Harry B. Burt kommt ihm am 9. Oktober 1923 zuvor. Das führt damals zu einem Streit um die mittlerweile beliebte Erfindung.

Wassereis am Stiel: So entsteht das «Popsicle»

Mehr als 15 Jahre soll Epperson gewartet haben, bis er seine zufällige Erfindung aus der kalten Nacht nachbildet. Bei seinem Produkt handelt es sich um Wassereis, das später unter dem Namen «Popsicle» (Deutsch: Eis am Stiel) bekannt und als «A Drink on a Stick» (Ein Getränk am Stiel) beworben wird.

Fast 20 Jahre vergehen seit der Nacht im Jahr 1905. Ende 1923 lässt sich Epperson die Marke «Popsicle» dann patentieren. Am 11. Juni 1924 meldet der Kalifornier schließlich ein Patent auf das Verfahren an, das zwei Monate später erteilt wird. Etwa zu der Zeit ist er Mitgründer der Popsicle Company. An sie gibt er noch 1924 alle Patentrechte ab.

Das zweite Eis am Stiel: «Good Humor Bar»

Beim Produkt von Harry B. Burt geht es um Milchspeiseeis. Der Konditor übernimmt die Idee von einem Lehrer in Iowa, der sich im Januar 1922 den «Eskimo Pie» patentieren ließ. Dabei handelt es sich um in ein Rechteck gepresstes Eis, das von Schokolade ummantelt ist.

Was Burt damals macht: Er steckt einen Stiel in solch eine schokoladenüberzogene Eistafel und schafft damit den «Good Humor Bar» (Deutsch: Gute-Laune-Riegel). Burt verkündet, dies sei «die neue, saubere und bequeme Art, Eis zu essen». Nach seinem Tod 1926 führt Burts Witwe Cora das Unternehmen weiter, verkauft es aber schnell an die Midland Food Products. Diese Firma benennt sich dann in Good Humor Corporation um.

Wie es zum Streit ums Eis am Stiel kam

In der damaligen Zeit ist die Standardisierung von Produkten noch relativ unbekannt. Die Leckerei «Good Humor Bar» soll überall die gleichen Inhaltsstoffe und den gleichen Geschmack haben. Daher meldet Burt Anfang 1922 Patente für das Verfahren, den Herstellungsapparat und das Produkt an. Am 9. Oktober 1923 erhält er es für das Verfahren und die Maschinen. Für das Produkt selbst wird allerdings nie ein Patent erteilt.

Trotzdem beansprucht Burt das Eigentum an allen Formen von gefrorenen Süßwaren am Stiel. Der Juni-Ausgabe 1925 des Fachmagazins «The Ice Cream Review» sagt Burt, er sei «allen anderen Patenten um viele Monate voraus». Der Konditor aus Ohio schickt eine Warnung hinterher: «Unsere Lizenzgebühren sind gering, und zwar weitaus geringer als die Kosten eines Rechtsstreits, den ein Patentverletzer führen würde.»

Juristischer Krieg ums Eis am Stiel beginnt

Gesagt und getan: Burt reicht im Jahr 1925 Klage gegen seinen Hauptkonkurrenten, die Popsicle Corporation, ein. Zwischen den Unternehmen gibt es fortan ein juristisches Hin und Her. Schließlich einigt sich Burt im Herbst 1925 auf eine Lizenzvereinbarung mit Popsicle.

Streitparteien klären Inhalt und Form

Darin teilen sich die beiden Parteien den Markt auf: Die Lizenz gelte nur für Eis am Stiel, das aus «aromatisiertem Sirup, Wassereis oder Sorbet» besteht und «am Stiel gefroren sei». Der Lizenzgeber - also Burt - behält «alle anderen Rechte». Dazu zählen Produkte aus «Eiscreme, gefrorenem Pudding oder Ähnlichem». Geklärt wird auch das Erscheinungsbild: Dem «Popsicle» ist fortan die zylindrische Form vorbehalten, Burts «Good Humor Bar» die rechteckige.

Popsicle erzürnt Good Humor erneut

Auf Druck einiger Lizenznehmer und wegen des sinkenden Milchpreises kommt Popsicle auf die Idee, auch ein billiges Speiseeiserzeugnis anzubieten. Deshalb kommt es zu einem letzten juristischen Gefecht mit Good Humor. Der Lizenzvertrag aus dem Jahr 1925 erlaubt Popsicle die Herstellung von Sorbet, wofür es zu dieser Zeit in der Branche keine feste Definition gibt. Die Lücke will Popsicle mit einem leichten Milcheis mit dem Namen «Milk Popsicle» füllen.

Sowohl ein Bezirksgericht als auch das Berufungsgericht befinden in den Jahren 1932 und 1933, dass Popsicle damit gegen die Vereinbarung von 1925 verstößt. Noch bevor es zum Urteil kommt, schließen Popsicle und Good Humor eine außergerichtliche Vereinbarung.

Wer heute «Popsicle» und «Good Humor Bar» besitzt

Die Ironie der Geschichte: Jahrelange Anfechtungen und Vereinbarungen spielen mittlerweile keine Rolle mehr. Heute sind sowohl der «Good Humor Bar» als auch «Popsicle» im Besitz eines Unternehmens und werden von diesem hergestellt: Good Humor-Breyers Ice Cream. Die Firma gehört zum Unilever-Konzern.
dpa
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