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09.01.2011 | 16:45 | Dioxin-Skandal 

Überstunden auf der Suche nach dem Dioxin

Oldenburg - Friederike Hahn arbeitet hochkonzentriert. Die Chemikerin füllt Lösungsmittel in lange Glasröhrchen. Danach wiegt sie kleine Portionen von einem weißen Pulver ab. Damit wird sie später alle Fremdstoffe aus der Probe filtern. Denn bei ihrer Arbeit kommt es ihr nur auf eins an: Dioxin.

Forscherin
(c) Darren Baker - fotolia.com
Seit Tagen schieben die elf Mitarbeiter des Lebensmittelinstituts in Oldenburg Überstunden. Unzählige Eier haben sie seit Ausbruch des Dioxin-Skandals gepellt, kiloweise Fleisch in speziellen Mixern püriert. «Sie stehen ganz schön unter Stress», sagt Laborleiterin Elke Bruns-Weller. Die Dioxin-Analyse ist nicht nur kompliziert, sondern auch sehr zeitaufwendig.

Drei Tage dauert es allein, bis die Laboranten die Eier- und Fleischproben für die Untersuchung vorbereitet haben. Die Eier müssen gekocht, gepellt und dann in einem Mixer zerkleinert werden. «Was wir brauchen, ist das Fett aus den Eiern», erläutert Bruns-Weller. Mit Hilfe von Lösungsmitteln extrahieren die Chemiker dies aus der Masse. Danach folgen mehrere penible Reinigungsschritte.

«Wir müssen alles entfernen, was geht», sagt die Expertin. Denn Fremdstoffe wie Pestizide können die empfindlichen Analysegeräte in dem Institut des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit stören.

Am Ende des langwierigen Verfahrens erhalten die Chemiker einen Mikroliter reinen Fettextraktes. Ein Mikroliter ist der millionste Teil eines Liters. 20 Eier, ein Liter Milch oder ein Kilo Fleisch sind nötig, um diese winzige Menge zu gewinnen. In kleinen Glasgefäßen gelangen die Proben schließlich zur Analyse.

Dort hat Jörn Berens zurzeit alle Hände voll zu tun. Der Messtechniker betreut die beiden Analysegeräte, die zurzeit dreimal so viele Proben wie an normalen Tagen verarbeiten müssen. Schraubenschlüssel, Pinzetten und andere Werkzeuge liegen überall griffbereit, um keine Zeit zu verlieren, falls irgendwo eine Pumpe hakt oder eine Leitung verstopft ist.

Ein Gaschromatograph spaltet die Proben zuerst in die verschiedenen Dioxine auf. 210 Dioxin-Verbindungen gibt es nach Angaben von Bruns-Weller. 17 davon gelten den Bestimmungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge als giftig. Welche davon in einer Probe enthalten sind, bestimmt in einem zweiten Schritt das Massenspektrometer.

In mehreren Bundesländern sind wegen des Skandals um dioxinbelastetes Tierfutter zurzeit viele Bauernhöfe gesperrt. Niedersachsen ist besonders betroffen. Am Samstag gaben die Experten allerdings Entwarnung für die 462 betroffenen Milchbetriebe: In keiner Probe war der Grenzwert für Dioxine überschritten.

Etwa 100.000 Eier mussten die Behörden in Niedersachsen dagegen schon vernichten, weil diese mit dem Gift belastet waren. Die ersten Ergebnisse für Fleischproben erwartet Bruns-Weller voraussichtlich am Montag.

Sonderschichten werden sie und ihre Kollegen allerdings noch ein paar Wochen einlegen müssen. Da die Dioxin-Analyse aufwendig und mit mehreren hundert Euro pro Probe sehr teuer ist, sind nur wenige Labore darauf spezialisiert.

Bruns-Weller beschäftigt diese Tage vor allem eine Frage: Wie gelangten die Dioxine in das Tierfutter? Die Firma Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein hatte Industriefette als Futterfette verarbeitet. Doch selbst technische Fette enthielten eigentlich kein Dioxin in dem Ausmaß, erklärt Bruns-Weller.

Deshalb untersuchen die Oldenburger Chemiker zurzeit nicht nur Proben aus Lebensmitteln, sondern auch Tierfutter. «Da müssen wir dran bleiben, damit sowas nicht noch einmal passiert», betont die Expertin. (dpa)
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