Die Maske auf der Nase sitzt er am Rudergerät, alles, was er anfasst, desinfiziert er anschließend gründlich. «Ich bin sehr vorsichtig, aber ich vertraue dem Studio», erklärt der Wiesbadener.
Seit dem 8. März haben die zwei Studios von David Zimmermann, David Fitness und Halle 46, wieder geöffnet. «Wir sind auf den Rücken gefallen», berichtet Zimmermann von dem Moment, als er erfahren hat, dass er öffnen darf. Das ganze Wochenende hätten er und seine Mitarbeiter daran gearbeitet, die Studios zu putzen, ein Online-Anmeldesystem zu installieren, zu heizen. «Am Montag standen um zwanzig vor sieben die ersten Gäste vor der Tür.»
70 Personen dürfen bei David Fitness trainieren, 50 in der Halle 46. «Normal» wären um die 300. Für Zimmermann bedeutet das ein monatliches Minus von über 20.000 Euro. 50 bis 100 Mitglieder kündigen nach Angaben des 56-Jährigen im Schnitt pro Monat, mehr als 1.000 lassen ihren Vertrag ruhen.
Weil wenige Kilometer weiter in Mainz nicht trainiert werden kann, erreichen Zimmermann Anfragen von Rheinland-Pfälzern. «Das ist schwierig für uns, wir können nicht mal unseren Gästen alles anbieten», erläutert Zimmermann. Er wolle lieber seine treuen Kunden belohnen als mit Gästen von außerhalb Geld zu machen.
Von einem offenen Betrieb wie in Wiesbaden kann Torben Stündl vom Gym7 nur träumen. Seine Studios in Mainz-Hechtsheim und Mommenheim (Kreis Mainz-Bingen) sind geschlossen. «Ich gönne jedem sein Glück, aber es ist schon eine schwierige Situation», antwortet er auf die Frage, ob er neidisch ist auf Zimmermann. «Es kann nicht sein, dass man auf der anderen Rheinseite trainieren darf und wir sitzen hier und dürfen nicht.»
In Mommenheim sowie in Mainz kann Stündl momentan nur mit einer Person draußen trainieren - ohne Geräte. In den vergangenen Wochen habe er auch bei Minusgraden draußen Kurse angeboten, die Mitglieder seien gekommen. «Das ändert sich aber gefühlt täglich», erklärt Stündl. Erst hätten bis zu zehn Personen teilnehmen dürfen, dann seien es nur fünf Personen aus zwei Haushalten gewesen, und jetzt dürften keine Kurse angeboten werden, da Mainz bei einem Inzidenzwert von über 100 sei.
«Ältere Menschen stehen weinend vor mir und sagen, sie haben Schmerzen», erzählt Stündl. Gerade für die Gesundheit und gegen körperliche Beschwerden sei Sport unverzichtbar. Trotzdem kündigten einige Mitglieder aus Angst und weil sie nicht wüssten, was die Zukunft bringe.
Welche Auswirkungen nach Bundesland variierende Corona-Beschränkungen haben können, lässt sich am Mainzer Rheinufer beobachten. Dort schieben zwei Frauen ihre Kinderwagen durch die Mittagssonne, für sie gilt ebenso wie für Jogger oder Radfahrer die
Maskenpflicht. Genau gegenüber in Mainz-Kastel, das zu Wiesbaden gehört, nicht.
«Die verschiedenen Regeln sind ein Wahnsinn», sagt Bernd Gese, der sich mit Stefanie Behrens zu einem spontanen Mittagessen am Wiesbadener Ufer eingefunden hat. Niemand blicke mehr durch, man müsse sich eine Landkarte malen, um zu wissen, was wo gelte. «Wir waren überrascht, dass man hier etwas kaufen kann», meint Behrens, die aus Wiesbaden kommt. Ein örtliches Restaurant hat einen kleinen Stand aufgebaut, verkauft dort unter anderem Wein zum Mitnehmen.
Zurück auf der Mainzer Seite lockt der
Einzelhandel mit dem Konzept «Click and Meet», also Terminshopping. Wenige Kunden nutzen das als «Personal Shopping» auf Schildern beworbene Einkaufen an diesem Nachmittag. «Mir ist das Shoppen total vergangen», sagt eine Frau im Vorbeigehen zu einer anderen. Einzig vor einer Apotheke hat sich eine Schlange gebildet.
In Hessen sei die
Landesinzidenz die ausschlaggebende Größe, erläutert Martin Schüller, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Hessen-Nord. Weil die über 100 liege, seien die zunächst beschlossenen Lockerungen zurückgenommen worden. Es sei jedoch möglich, Ware über das Internet zu bestellen und einen Termin zur Abholung zu vereinbaren. In Rheinland-Pfalz hingegen entscheiden Städte und Kreise unabhängig von der Landesinzidenz, ob sie die Notbremse ziehen. Hier ist also Terminshopping teilweise noch möglich.
Genau das will der Handelsverband für das Nachbarbundesland Hessen. Das Konzept «Click and Meet» habe sich bewährt, meint Schüller. Deshalb sei jetzt vor allem der innerstädtische Einzelhandel frustriert. «Wir fühlen uns als Bauernopfer», sagt Schüller. Die Ansteckungsgefahr im Einzelhandel sei gering, Hygienekonzepte lägen vor, die Mitarbeiter ließen sich freiwillig testen.
«Die Auswirkungen der Schließungen auf die Mitarbeiter und die Gäste werden außer Acht gelassen», bemängelt Fitness-Studio-Besitzer Zimmermann - und meint damit sowohl die wirtschaftlichen als auch die gesundheitlichen Folgen. Viele Mitarbeiter seien überschuldet, er könne ihnen aber nicht wie früher helfen, weil er selbst seit einem Jahr nur Verluste mache. «Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder auffangen soll.» Dennoch: Kunden wie Spannaus seien glücklich, wieder kommen zu dürfen. «Die Menschen brauchen den Sport, um gesund zu bleiben.»