Dieses Jahr kommt die Tanne für das Berliner Kanzleramt aus einem Privatgarten im rheinland-pfälzischen Boppard - und hängt in dem Städtchen am Rhein erst einmal viele Stunden fest. Der Abtransport wirkt am Donnerstag wie ein Schildbürgerstreich.
Vor dem komplizierten Transport beobachtet Familie Gröning mit gemischten Gefühlen, wie ihr gerade gefällter Nadelbaum am Haken eines mächtigen Autokrans aus ihrem Garten entschwebt. «Wir sind vor 35 Jahren hierher gezogen. Da stand der Baum schon und war drei Meter hoch», erzählt Rosemarie Gröning. Ihr Mann Michael Gröning sagt: «Das ist ein Teil unseres Lebens, das da verschwindet.»
Der Verband AGDW - Die Waldeigentümer organisiert jedes Jahr den Weihnachtsbaum vor dem Kanzleramt. Diesmal ist der Landesverband Rheinland-Pfalz an der Reihe. Eine Woche lang sucht die Stadt Boppard in ihrem 3.000 Hektar großen Wald einen Baum für den Verband, wie Bürgermeister Walter Bersch (
SPD) berichtet. Vergeblich: Die Nadelbäume drängen sich zu dicht aneinander und haben daher unten zu wenige schöne Äste. Wie wäre es also mit einem frei stehenden Privatbaum? Boppard fragt seine 16.000 Bürger. 15 Tipps gehen ein.
Auch Rosemarie Gröning meldet sich. Eine fünfköpfige Kommission besichtigt ihre frei stehende und ebenmäßig gewachsene Nordmanntanne - sie bekommt den Zuschlag. «Wir freuen uns», sagt Gröning. Am nächsten Montag soll der Baum in Berlin geschmückt und am Mittwoch feierlich Merkel übergeben werden. «Ich bin aber auch wehmütig. Gestern Abend sind mir Zweifel gekommen, ob wir noch mal so entscheiden würden», gesteht die Bopparder Bürgerin.
In dem ruhigen Wohngebiet rund um das Haus der Gröning beginnen dann die Schwierigkeiten. Der Kran lässt die rund 15 Meter lange und zwei Tonnen schwere Tanne sachte und schräg auf einen Tieflader ab. Die hölzernen Stützquerbalken drohen zu brechen. «Wir müssen den Baum waagerecht ablassen», sagt Thorben Lay von der Kranfirma. Dafür ist ein zweiter Kran nötig.
Zwangspause. Die Stützbalken auf dem Tieflader und ein Meter vom Baumstamm werden weggesägt, das schafft Platz. Der zweite Kran ist da, langsam sinkt die Tanne nach unten. Doch sie ist zu groß für das Fahrzeug. Der Bopparder Forstamtsleiter Gerd Loskamp sagt: «Die Unterführung des Kanzleramts ist nur 3,42 Meter hoch. Da müssen wir durchkommen.» Außerdem sind die Seitenschilder des Lkw mit der Aufschrift «Die Kanzlertanne kommt» den Ästen im Weg.
Also ist ein zweiter, deutlich niedrigerer Tieflader ohne Seitenbegrenzung nötig. Anwohner beschweren sich, dass sie nicht mit dem Auto durchkommen. Eine Frau sagt: «In Berlin gibt es auch genug geeignete Bäume.» Die Kosten des Waldbesitzerverbands steigen.
Die Kanzlertanne landet auf Tieflader Nummer zwei. Die Äste stehen weit an den Seiten über. Mit Spanngurten werden sie auf die Ladefläche gezwungen. Bürgermeister Bersch organisiert eine Sondergenehmigung für den überbreiten Schwertransport. Forstamtschef Loskamp versichert: «Wir schaffen das.» Ein Spruch, den Merkel gut kennt.