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18.07.2009 | 16:35 | Energiepolitik  

Gabriel legt Atom-Ei ins Nest der Union

Berlin - Die Mahnung des Bundesumweltministers an den Atomstromerzeuger RWE in Essen war eindeutig.

Eier
(c) proplanta
«Ich kann nur dringend an RWE appellieren, nicht die Fehler von Vattenfall zu wiederholen», rief Sigmar Gabriel (SPD) am Mittwoch der erstaunten Presse in Berlin zu. Es geht darum, weitere Pleiten und Pannen im Umgang mit Atomkraftwerken (AKW) zu verhindern. «Das Vertrauen ist erschüttert.» Dies denken auch viele Menschen, seitdem mit der erneuten Panne am 4. Juli im schleswig-holsteinischen Vattenfall-Reaktor Krümmel der Bundestags-Wahlkampf zum Thema Atomkraft verschärft worden ist. Die Union ist dabei merklich in die Defensive geraten.

Jetzt nutzte Gabriel die Vorstellung des Jahresberichts des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), um zum zweiten Schlag gegen die «unsichere» Atompolitik auszuholen. Der Minister konzentrierte sich weniger auf Asse, wie es die Medien nach dem jüngsten Vorfall mit kontaminierter Lauge im niedersächsischen Bergwerk Asse erwartet hatten. Vielmehr spielte er auf dem gesamten Instrumentarium der Energiepolitik: Atomenergie gegen Ökostrom. Sicherheitsgefahren auch beim Kernkraftwerksblock Biblis B nach der jüngsten Krümmel- Abschaltung. Und die Suche nach einem Endlager für starkstrahlenden Müll, der aus den bis 2022 komplett vom Netz zu nehmenden Atommeilern angefallen ist und noch anfällt.

Hier legte der Minister der Union noch ein Ei ins Nest, indem er gut zwei Monate vor der Bundestagswahl noch sofort gültige Vorschriften für eine ergebnisoffene Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken verkündete. Sie sollen vom BfS exekutiert werden und verhindern, dass die CDU/CSU wie von ihnen angekündigt nur den umstrittenen Standort Gorleben weiter unter die Lupe nimmt und endlagerreif macht.

Das kann seiner Meinung nach die Union schon deswegen nicht, weil Gabriel Umweltminister bleiben will. Sollten sich die Wähler jedoch für eine Regierung ohne SPD-Beteiligung entscheiden, hätte eine unionsgeführte Regierung diese atompolitische «Erblast» des Suchverfahrens auch für Bayern und Baden-Württemberg vor der Nase. Ob sie diese Sicherheits-Anforderungen für ein solches Endlager aber wirklich kippen würde, gilt als fraglich. Und so bleibt das von Rot- Grün im damaligen Atomkonsens gesetzte Moratorium für die weitere Erkundung Gorleben mindestens bis Ende 2010 erhalten.

Gabriel hat die Union mit seinen atompolitischen Attacken stark verunsichert. Hatte seine Forderung nach Abschaltung des AKW Krümmel bereits zu einem vielstimmigen Chor auf Seiten des Koalitionspartners geführt, brachte er jetzt geschickt den alten Meiler Biblis B in Hessen ins Spiel. An die Adresse von Regierungschef Roland Koch (CDU) und den Anlagenbetreiber RWE gerichtet, forderte er unter Bezug auf internationale Standards die Nachrüstung des seit Jahresanfang wegen einer üblichen Revision abgeschalteten Meilers. Nur kurze Zeit später teilte das hessische Umweltministerium eine Verabredung mit RWE Power mit, wonach diese Nachrüstung erfolgen soll und Biblis B anders als vorher von RWE verkündet erst dann wieder ans Netz gehen soll.

Der Durchbruch neuer radioaktiver Salzlaugen im Asse-Bergwerk spielte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit BfS-Präsident Wolfram König kaum eine Rolle. Neue Gefahren für die Umgebung sieht dieser dadurch nicht gegeben. Die Instabilität des durchfluteten Bergwerks ist ohnehin so groß, dass bis Jahresende für Sicherheit gesorgt werden muss.

Gabriel kann mit seinem massiven Atomwahlkampf vorerst zufrieden sein: So stellte sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hinter seine Forderung nach einer Schließung von Krümmel. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sekundierte: «Die Vorgänge in Biblis bestätigen einmal mehr: Deutsche Atomkraftwerke haben eine Vielzahl von Sicherheitsproblemen und entsprechen nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik.» (dpa)
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