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23.01.2010 | 04:50 | Energiepolitik  

Von «Abschalten» alter Atommeiler keine Rede

Berlin - «Schaltet diese alten Atommeiler ab», rief eine Kernkraft-Gegnerin vor dem Kanzleramt.

Alte Atommeiler
(c) proplanta
«Abschalten, abschalten...», skandierte ein versprengter Demonstranten-Chor aus Umweltschützern und neugierig herbeigeeilten Bürgern in Richtung der Büroräume von Angela Merkel. Die Kanzlerin ließ sich nicht blicken. Doch unverdrossen vollführten die Jugend des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie anderer Gruppen den «Tanz des Todes». Die Requisiten dieses Sponti-Theaters: eine Bühne, gelbe Atommüll-Fässer sowie Totenmasken und -kostüme für die Atombetreiber Eon, RWE, Vattenfall und EnBW. Und: mangels Kanzlerin ein Merkel-Gesicht aus Pappmasché, das von den Laienspielern umtanzt wurde. Und wieder der Chor: «Wir wollen Wasser Wind und Sonne - Atomkraft in die Tonne.»  

Doch so weit ist die Politik längst nicht. Zuvor war für den Donnerstagabend ein Treffen hoher Regierungsbeamter unter Leitung von Kanzleramtschef Ronald Pofalla mit Kraftwerks-Vorständen der Reaktor- Betreiber im Amtssitz von Merkel angesetzt worden. SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ sich nicht nehmen, den Demonstranten vor Kameras «für ihren Einsatz» zu danken. Der Ex-Umweltminister warnte die Kanzlerin vor einem Deal mit der Atomwirtschaft, «der am Ende zu neuem Atommüll und zur Behinderung des Ausbaus erneuerbarer Energien führt». Auch die Atomkraftgegner und Umweltschützer warnten eindringlich vor einer Verlängerung der Laufzeit von Atommeilern weit über 2022 hinaus.   

Seit Tagen hatte die Bundesregierung von einem «Routinetreffen» gesprochen. Hier werde nicht über den im Koalitionsvertrag angekündigten Weiterbetrieb älterer Anlagen und die geplante staatliche Abschöpfung von Gewinnen in Milliarden-Höhe verhandelt. Diese werden durch den Weiterbetrieb der steuerlich abgeschriebenen Atommeiler von der Regierung erwartet und sollen in die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien gesteckt werden - vor allem in die Stromspeicher-Technologie für Windkraftwerke und Elektroautos. Die bisher jährlich einmal tagende «Monitoring»-Gruppe von Regierung und Atomenergie-Wirtschaft sei Anfang des Jahrzehnts gegründet worden, um den von Rot-Grün durchgesetzten Atomausstieg (bis etwa 2022) fachlich zu begleiten. Das hatte am Vortag auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) so dargestellt. Es gebe kein Verhandlungsmandat für den Weiterbetrieb.

Doch vielen Verbänden und Beobachtern fällt es schwer, das zu glauben. Soll doch unter Hochdruck bis Oktober ein umfassendes Energiekonzept geschmiedet werden, das auch die Verlängerung der Kernkraftwerks-Laufzeiten einschließt. In der Tat standen auf Pofallas Tagesordnung eine Diskussion über «Sicherheitsanforderungen an die KKW» sowie den «Stand der laufenden Verfahren zur Strommengenübertragung». Für Gabriel Anlass zu befürchten, dass Schwarz-Gelb vom Sicherheits-Grundsatz abweichen könnte, Strommengen möglichst nur von alten auf neue Atommeiler zu übertragen. Auch über den «Stand der Endlagerprojekte» wollte die Pofalla-Runde reden. Dazu gehören neben der Prüfung von Gorleben als Endlagerstandort für hochstrahlenden Reaktormüll die maroden Atommülllager Asse und Morsleben. Für diese beiden Anlagen forderte die SPD von den Reaktor- Betreibern sechs Milliarden Euro für Sanierung und Schließung.

Am Nachmittag im Parlament wurde die Diskussion fortgesetzt. Der neue Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) griff seine beiden Amtsvorgänger Gabriel und Jürgen Trittin (Grüne) beim Thema Atommüll- Entsorgung frontal an, sprach sich aber - auch an die Adresse des Wirtschaftsflügels der Union - für einen schnellen Übergang auf erneuerbare Energien aus. Das bedeutet eine möglichst kurze Überbrückungsphase für Atom- und Kohlestrom. Der Verband der Erzeuger von Öko-Energien geht von etwa 50 Prozent Ökostrom im Jahr 2020 aus. Damit wird klar, was Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) meint, wenn er von einer zehnjährigen Laufzeitverlängerung der Atomenergie - also bis zur letzten Abschaltung etwa 2032 ausgeht. Hierzu müsste die Koalition jedoch bei Zielen und Förderungen noch erheblich zulegen. Nach einem streitbaren Auftakt hat sie nur bis zum Oktober Zeit. (dpa)
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