Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
24.07.2010 | 08:49 | Wildverbiss 

Bissige Bambis - Erhöhter Wildabschuss gewährleistet gesunden Wald

München - Alle drei Jahre wird geprüft, inwieweit die jungen Bäume in den bayerischen Wäldern durch Wildverbiss geschädigt sind - und ob dadurch das Nachwachsen einzelner oder mehrerer Baumarten gefährdet sein könnte.

Waldwirtschaft
In diesem Fall empfehlen die zuständigen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Jägern eine Erhöhung der Abschusszahlen von Reh-, Rot- oder Gamswild.

„Dieses Verfahren führt aber zu Differenzen zwischen den Förstern und Jägern“, berichtet der LMU-Statistiker Professor Torsten Hothorn. „Die Jägerseite unterstellt, dass das Schalenwild durch zu hohe Abschusspläne ausgerottet würde, während die Förster zu wenige Abschüsse bemängeln, was das Nachwachsen des Waldes verhindere.“ Hothorn und Dr. Jörg Müller, Zoologe im Nationalpark Bayerischer Wald, zeigen nun anhand einer genauen statistischen Analyse der Verbissdaten von 2006 bis 2009, dass die Verbissbelastung - entsprechend der angestiegenen Abschüsse - deutlich zurückgegangen ist. „Diese Auseinandersetzung wird ohne Grund geführt“, meint Hothorn. „Unsere Zahlen zeigen, dass die bayerischen Jäger ihrer Aufgabe nachkommen. Klar ist aber auch, dass die Forstlichen Gutachten auch weiterhin nötig sind, um letztlich stabile Mischwälder zu erhalten.“

Wildverbiss ist das größte Hindernis beim Umbau von instabilen Fichten- oder Kiefernmonokulturen in naturnahe Wälder. Denn gerade junge Laubbäume und die Tanne sind für das Wild besonders attraktiv. Alle drei Jahre werden deshalb Bayerns Wälder unter die Lupe genommen: Die Bestandsaufnahme soll zeigen, ob das Nachwachsen einzelner oder mehrerer wichtiger Baumarten durch den Wildverbiss gefährdet ist. Wenn die zuständigen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten diese Gefahr sehen, empfehlen sie den Jägern, die Abschusszahlen von Reh-, Rot- oder Gamswild anzuheben. „Seit diese Forstlichen Gutachten im Jahr 1986 eingeführt wurden, sind sich die Jäger und die Förster uneins“, so Hothorn. „Der Streitpunkt ist, ob das Wild durch zu hohe Abschusszahlen ausgerottet oder ob der Wald durch zu geringe Abschüsse gefährdet ist.“

Eine statistische Analyse, die Hothorn zusammen mit Dr. Jörg Müller, Zoologe im Nationalpark Bayerischer Wald, durchgeführt hat, soll nun Klarheit bringen. Die beiden Forscher untersuchten die Verbissdaten der Jahre 2006 und 2009, in denen über drei Millionen Bäume erfasst sind. „Wir konnten im Jahr 2009 eine deutliche Verringerung der Verbissbelastung bei allen relevanten Baumarten feststellen“, sagt Hothorn. „Und diese Reduktion setzt genau dort ein, wo 2006 der Abschuss angehoben wurde. Nach unserer Analyse sank durch Anheben des Abschusses das Risiko eines kleinen Bäumchens, von Wild verbissen zu werden, im Schnitt um mindestens 50 Prozent. Damit ist nach unserer Sicht klar, dass sich die Empfehlungen der Förster nachvollziehbar am Zustand des Waldes orientieren - und die bayerischen Jäger ihrer Aufgabe nachkommen.“

Insgesamt zeigt die Studie auch, dass Bayern mit seinen Forstlichen Gutachten und dem gesetzlichen Grundsatz „Wald vor Wild“ waldbaulich und ökologisch tragbare Wildbeständen schafft - und damit im internationalen Vergleich Vorreiter ist. Doch auch die statistische Analyse hat Seltenheitswert. Nur in Schweden wurde bislang ein - wenn auch recht schwacher - Zusammenhang zwischen der Anzahl geschossener Elche und dem Verbiss an kleinen Bäumen in einer vergleichbaren Studie festgestellt. „Die Situation in Bayern hat sich grundsätzlich positiv entwickelt“, stellt Hothorn fest. „Unsere Ergebnisse zeigen aber auch, dass sich das schnell ändern kann: Wo die Abschusszahlen für Rehe oder Hirsche wegen einer befriedigenden Verbisssituation konstant blieben oder gar reduziert wurden, kam es nach drei Jahren zu einer deutlichen Zunahme der Schäden. Eine landesweit ausreichende Verjüngung wichtiger Mischbaumarten für stabile Wälder ist noch nicht erreicht. Die Forstlichen Gutachten werden auch weiterhin gebraucht. (suwe) (LMU/idw)

Publikation:
Torsten Hothorn & Jörg Müller (2010) Large-scale Reduction of Ungulate Browsing by Managed Sport Hunting, Forest Ecology and Management (im Druck), 10.1016/j.foreco.2010.07.019

Deutsche Kurzfassung:
Torsten Hothorn & Jörg Müller (2010) Zur Verläßlichkeit und Effektivität der Bayerischen Forstlichen Gutachten,
http://www.stat.uni-muenchen.de/~hothorn/docs/Verbissgutachten.pdf
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Auf einem Viertel der Fläche von NRW wächst Wald

 Bayern fordert Ausnahmeregelung für EU-Entwaldungsverordnung

 Schutzzone im Nationalpark Bayerischer Wald wird verändert

 Die eigentlich verlorene Suche nach dem Wunderbaum

 Minimum der Schutzzone im Nationalpark Bayerischer Wald unangetastet

  Kommentierte Artikel

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger