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16.08.2016 | 08:03 | Zapfenernte 2016 
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Zapfenpflücker müssen hoch hinaus

Waldrach / Marsberg - Bevor Kathrin Blessing ernten kann, muss sie erst einmal klettern. Sie steigt in ihre Gurte, ergreift die Seile und steigt die Douglasie hoch. Gut 50 Meter hoch.

Zapfenernte 2016
Für diesen Job muss man fit und schwindelfrei sein: Zapfenpflücker haben ihren Arbeitsplatz in 50 Metern Höhe. Mittlerweile ist die Arbeit im Baumwipfel nicht mehr nur ein Männerjob. (c) proplanta
«Es kann schon eine halbe Stunde dauern, bis ich in der Krone bin», sagt die 35-Jährige in einem Wald bei Waldrach in Rheinland-Pfalz. Hat sie ihren Arbeitsplatz in luftiger Höhe erreicht, pflückt sie die Zapfen am Nadelbaum ab und füllt sie in ihren Sack.

Blessing aus Biederbach im Schwarzwald ist eine der wenigen Frauen, die in deutschen Wäldern als Zapfenpflückerin unterwegs ist. «Uns Frauen kann man an einer Hand abzählen», sagt die drahtige Frau.

Mehr als 100 Kilo Zapfen landen an einem Tag in ihren Säcken. Die grünen und noch geschlossenen Früchte enthalten Samen, mit denen in Baumschulen neue Bäume angepflanzt werden. «Wenn wir die Samen haben wollen, müssen wir die Zapfen runterholen, bevor sie sich geöffnet haben», erklärt die Baumpflegerin, die im dritten Jahr dabei ist. Denn wenn die Zapfen herunterfallen, haben sie sich zuvor schon geöffnet und die Samen in alle Richtungen verteilt.

Um die 2.000 Kilo Zapfen ernten Blessing und drei weitere Zapfenpflücker über mehrere Tage im nahe Trier gelegenen Waldrach. Sie gehen an die Firma Eichenberg & Co. Gehölzsamen GmbH im bayerischen Miltenberg. «Das gibt Saatgut für neue Bäume», sagt Prokurist Otmar Schäfer, der bundesweit Zapfenpflücker für alle möglichen Baumarten im Einsatz hat. Seine Firma vertreibt die Samen von insgesamt 400 Baum- und Straucharten in alle Welt, vor allem an Baumschulen: von Abies alba (Weißtanne) bis Zelkova serrata (Japanische Zelkove).

Auch in Marsberg im Sauerland ist derzeit Zapfenernte angesagt. Im neunköpfigen Team von Kay Busemann sind ebenfalls zwei Frauen: Eine junge Niederländerin und die Italienerin Erika Luppi.

Für Martin Rogge von der Forstgenbank beim Forstamt Arnsberg ist 2016 ein gutes Jahr. «Wir haben maximal alle fünf Jahre so eine gute Blüte und so viele Zapfen an den Douglasien», sagt er. Er rechnet damit dass die Pflücker insgesamt zwischen 10 und 15 Tonnen vom Baum holen. Weil die Bäume so voll hängen, habe er kurzfristig noch eine zusätzliche Halle zur Lagerung der Ernte anmieten müssen.

Im Wald bei Marsberg dürfte so mancher Spaziergänger überrascht geschaut haben, als er Stimmen aus den Bäumen hörte. Denn meist sind Busemann und sein Team mehrere Stunden in luftiger Höhe. «Wenn die Bäume nah genug nebeneinander stehen wie hier klettern wir von Wipfel zu Wipfel», sagt der 49-Jährige. Auch wenn man zunächst an springende Eichhörnchen denkt: Gefährlich sei das nicht, sagt Busemann. «Wir sind dabei in beiden Bäumen komplett gesichert.»

«Bei der Douglasie gibt es in Deutschland zum Hochsteigen keine Alternative», sagt Otmar Schäfer. In den USA dagegen setze man auch auf Eichhörnchen: «Die holen die Zapfen runter und verstecken sie. Manche kennen große Nester.» Auch die «Wipfelköpfung» werde da betrieben - das komme aber in Deutschland nicht infrage. «Dann könnte man den Baum nur einmal ernten», sagt Schäfer.

Die frisch geernteten Zapfen werden bei warmer Temperatur getrocknet, bis die Samen herausfallen. Aus 100 Kilo Zapfen gewinnt man ein Kilo Samen, aus denen 30.000 bis 40.000 neue Pflanzen gezogen werden können. Bundesweit gebe es mehr als 100 Zapfenpflücker, sagt Schäfer.

Trotz ihrer harten Arbeit sehen die Kletterinnen im Ruwertal und im Sauerland nach ihrem Tag im Baum entspannt aus. «Ich finde es schön, dass man den ganzen Tag im Wald ist - mit dem Grün und der Stille», sagt Blessing. Man sei oben auf dem Baum ganz alleine für sich. «Man ist in der Spitze und unter einem ist ein grüner Teppich von Bäumen. Man kann dann über alles schauen, das ist sehr schön.» Das sieht ihre italienische Kollegin Erika Luppi im Sauerland ähnlich: «Es ist einfach eine gute Arbeit.»
dpa
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Kommentare 
karina schrieb am 18.08.2016 00:52 Uhrzustimmen(88) widersprechen(55)
Hallo liebe_r Autor_in des Artikels, kannst du mir einen Kontakt zu Kathrin Blessing oder einer/m anderen Zapfenpflücker_in vermitteln? Ich bin sehr interessiert, in dem Job zu arbeiten und hätte noch Fragen. Vor allem möchte ich wissen, ob ich Chancen als Quereinsteigerin (Nur mit SKT-A und Zapfenpflücker-Kurs) habe, oder ich nur einen Job finde, wenn ich auch eine Baumpflegerinnen-Ausbildung habe. karina.montag(aet)riseup.net Viele Grüße und Danke, schon mal.
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