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11.08.2013 | 15:38 | Offshore-Windkraft 

Windpark wartet auf Netzanschluss

Norddeich/Hannover - Verkehrte Welt vor Borkum: Dort drehen sich ab Samstag 30 Windkraftanlagen - getrieben nicht vom Wind, sondern von Dieselmotoren. Grund ist die Verzögerung beim Netzanschluss für den Nordsee-Windpark.

Offshore-Windpark
(c) proplanta
«Riffgat» ist vom Pech verfolgt. Erst klagen Fischer und die ostfriesischen Inseln Borkum und Wangerooge gegen das Offshore-Projekt, den ersten vollständig fertiggestellten kommerziellen Windpark vor Deutschlands Küsten. Naturschützer warnen vor Gefahren durch den Baulärm für Meeressäuger. Dann bereitet der bis heute ungeklärte Grenzverlauf im Seegebiet mit der Größe von 480 Fußballfeldern Probleme bei der Planung. Und dann wird das Ausmaß der tödlichen Gefahren unter Wasser deutlich: Die Bergung von Munitions-Altlasten ist extrem langwierig und verzögert den Anschluss ans Stromnetz.

Nun ist der Windpark zwar fertig, doch es fehlen 15 Kilometer Seekabel für den Abtransport des Stroms an Land. Der Oldenburger Energieversorger EWE rechnet mit Millionenverlusten, wenn der 450 Millionen Euro teure Windpark erst im Februar 2014 ans Netz gehen kann. «Die Kosten zahlen wir und der Verbraucher über die EEG-Umlage», ärgert sich EWE-Sprecher Christian Blömer.

In der Rekordzeit von 14 Monaten wurden 30 Windräder mit einer Leistung von 108 Megawatt errichtet, um rechnerisch 120.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Am Samstag wird der Bau als Beitrag zur Energiewende gefeiert, doch statt Ökostrom kommt derzeit nur der Rauch von Dieselgeneratoren aus dem Windpark: 22.000 Liter Treibstoff im Monat sind nötig, um die Windräder aus Schutz vor Korrosion und Überhitzung sporadisch anzutreiben.

Seit langem hat sich die Politik auf den Übertragungsnetzbetreiber Tennet als vermeintlichen Verursacher der schleppenden Netzanbindung von Offshore-Windparks eingeschossen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte am Freitag erneut das Planungs-Chaos beim Stromanschluss. Es gebe keine aufeinander abgestimmte Gesamtplanung, für die Netzanbindung sei eine eigene Gesellschaft mit Beteiligung des Bundes überfällig. Weil wundert sich zudem, dass erst jetzt mit der Bergung der Munitions-Altlasten im Riffgat-Gebiet begonnen werde.

Bei der Firma Tennet, die dem niederländischen Staat gehört und sich um die Verlegung der Seekabel kümmert, ist das Bedauern groß: «Die Verzögerungen waren absolut nicht vorhersehbar», beteuert Sprecherin Ulrike Hörchens. Erste Untersuchungen 2008 hätten nur eine «handvoll auffälliger Stellen» gezeigt. «Seit Beginn der Räumung 2012 sind jedoch mehr als 1.400 Anomalien aufgetaucht: Minen, Munitionskisten und Granaten mit einem Gesamtgewicht von 28 Tonnen wurden bisher geborgen.»

Experten warnen schon lange vor den tödlichen Gefahren auf dem Meeresboden von Nord- und Ostsee. Nach dem Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe sollen dort bis zu 1,3 Millionen Tonnen konventioneller und chemischer Munition verrotten. Allein vor der niedersächsischen Küste sollen 300.000 Tonnen Munitionsreste liegen, schätzt der Meeresbiologe Stefan Nehring.

Viele Explosivkörper wurden nach dem Zweiten Weltkrieg im Auftrag der Alliierten von Fischern in Küstennähe versenkt - doch diese hielten sich nicht immer exakt an die Verklappungsgebiete, die noch heute in den Seekarten vermerkt sind. «Dazu kommen starke Strömungen, die die Munition in andere Gebiete vertrieben hat», sagt Hörchens.

Neben Munitions-Altlasten gelten Finanzierungsprobleme, technische Schwierigkeiten, hohe Wartungskosten und nicht zuletzt das unstete Wetter als Hemmschuhe für den Ausbau der See-Windparks. Bis 2020 würden nicht mal halb so viele Windräder in der Nordsee gebaut wie von der Bundesregierung geplant, hieß es erst im Juli in einem Projektbericht des Beraters Michael Erler. «Die Branche ist in substanzieller Gefahr», warnte unlängst Niedersachsens Regierungschef Weil.

Der Ministerpräsident kann immerhin auf zwei Meereswindparks vor der eigenen Küste verweisen, die Strom liefern: Seit 2010 ist der kleine Testpark alpha ventus mit zwölf Anlagen in Betrieb. Etwas entfernt drehen sich bisher erst 70 von geplanten 80 Anlagen des Windparks Bard Offshore 1. Mit rund 300 Megawatt liefern sie derzeit rund 70 Prozent des gesamten deutschen Offshore-Stroms. (dpa)
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