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17.01.2015 | 15:06 | Da dreht sich was 

Offshore-Windindustrie lernt aus Fehlern

Berlin - Jahrelang versenkten Investoren und Industrie Millionen mit Windparks auf dem Meer. Noch sind Probleme wie der Stromanschluss nicht endgültig gelöst - doch die deutsche Branche wird in Europa ein ernstzunehmender Player.

Offshore-Windindustrie
Im Wandel: Die Windenergiebranche. (c) proplanta
Klaus Meier sagt einen Satz, der aus dem Mund eines Windrad-Lobbyisten zunächst einmal ziemlich schräg klingt: «2014 hatten wir das große Glück, dass wir wenig Wind hatten.» Der Chef der Windenergie-Agentur (WAB) spielt auf die Errichtung neuer Windparks im Meer an. Die Bauarbeiten, um eine 90 Meter hohe Windmühle mit Rotoren im Durchmesser von 120 Metern zu errichten, dauern zwei Jahre. Bläst da der Wind in Orkan-Stärke, wie in den vergangenen Tagen, haben es die Ingenieure auf See noch schwerer als ohnehin.

Doch nach fast einem Jahrzehnt, das von versenkten Millionen sowie schier endlosen Problemen und Streitigkeiten beim Anschluss von Windparks an das Stromnetz geprägt war, hat das abgelaufene Jahr für die Branche eine Trendwende gebracht.

Zum Stichtag 31. Dezember speisten 258 Offshore-Windkraftanlagen zusammen erstmals mehr als 1.000 Megawatt Strom ins Netz ein. Neu hinzu kamen 142 Anlagen mit 530 Megawatt Leistung. Dazu sind 268 Anlagen mit über 1.200 Megawatt schon fertig gebaut, waren zum Jahreswechsel aber noch nicht angeschlossen. Außerdem warten 220 fertige Fundamente auf weitere Anlagen - wobei das Wachstum sich fast nur noch in der Nordsee abspielt.

Nach Einschätzung von Meier, Mitgründer und Aufsichtsratschef des Bremer Windanlagen-Betreibers wpd, wird es deshalb auch 2015 einen starken Zubau geben: «Wir werden dann 3250 Megawatt am Netz haben.» Das entspricht rechnerisch der Leistung von zweieinhalb Atomkraftwerken. Auch die Berliner Denkfabrik Agora ist davon überzeugt, dass der im laufenden Jahr erwartete Zuwachs bei den erneuerbaren Energien vor allem dank Offshore geschafft werden kann.

Bereits Ende 2015 dürfte die Branche die Hälfte des von der Bundesregierung bis 2020 vorgegebenen Offshore-Ausbauziels von 6.500 Megawatt erreicht haben. Die Marke ist eine feste Obergrenze, mehr darf nicht gebaut werden. Für den vergleichsweise teuren Offshore-Strom gibt es satte Zuschüsse, die von allen Stromkunden über die Ökostrom-Förderung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mitbezahlt werden.

Reformauswirkung erst 2017

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verlängerte bei seiner EEG-Reform, die seit August 2014 gilt, die hohe Anfangsvergütung von rund 18 Cent je Kilowattstunde Strom, die auf See produziert und eingespeist wird. Investoren und Betreiber, die für ein Offshore-Windpark-Projekt bis zu fünf Jahre Vorlauf brauchen, hatten auf langfristige Investitions- und Planungssicherheit gepocht. Die jüngste EEG-Reform wird sich daher erst 2017/18 konkret in der Branche auswirken.

Hermann Albers ist mit dem Ausgang des harten Lobbykampfes vorerst zufrieden. Neben der stabilen Windbranche an Land (Onshore) gebe es endlich auch ein starkes Offshore-Standbein. Für den Strukturwandel in den norddeutschen Küstenländern, die unter dem Werftensterben mit dem Verlust Tausender Jobs leiden, sei das enorm wichtig, sagt der Präsident des Bundesverbands Windenergie.

Die Offshore-Industrie setzt knapp zwei Milliarden Euro um, beschäftigt 19.000 Menschen und will im Ausland expandieren. 2014 überholte die Branche in der Europa-Rangliste Belgien und liegt nun hinter Großbritannien und Dänemark auf Rang drei. Die Investoren kommen aus ganz Europa, auch der große US-Finanzenleger Blackstone ist dabei. Nur noch Profis sind im Geschäft, die Idee von Offshore-Bürgerwindparks trug nicht.

Kinderkrankheiten

Offshore hat längst nicht alle Kinderkrankheiten überstanden, obwohl WAB-Chef Meier eine «fantastische Lernkurve» sieht. Bei den Kosten bleibt einiges zutun, ebenso beim Zankapfel Netzanschluss. Der auf dem Meer produzierte Strom muss an Land zu den Verbrauchern kommen.

Das ist technisch und rechtlich kompliziert. Dabei geht es um Risiken und Einnahmeausfälle, wenn Strom nicht abtransportiert werden kann.

Kurz vor Weihnachten einigten sich der Stromkonzern EnBW und die Bundesnetzagentur vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf auf einen Vergleich. EnBW war sauer, weil die Behörde die Kapazität für den Anschluss eines Nordsee-Windparks von 850 auf 450 Megawatt senkte.

Mit Sorge schauen die Offshore-Leute auf den Widerstand von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gegen den Bau neuer «Stromautobahnen» von Nord nach Süd. Sie sollen den Windstrom zu den Industriezentren in den Süden bringen, wo spätestens im Mai das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vom Netz geht. Die wegfallende Strommenge von 1345 Megawatt werden die Windparks auf See voraussichtlich komplett ersetzen können - aber ohne neue Leitungen wäre der Offshore-Aufschwung rasch wieder zu Ende. (dpa)
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