Mit 60 Teilnehmern war die Veranstaltung wiederum sehr gut besucht. Am Vorabend stimmte das Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des VDM, Prof. Klaus-Dieter Jany (EFSA), mit einem Vortrag über „Die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit – Auftrag und Arbeitsweise“ auf das Symposium ein. Er erläuterte eingehend die Struktur und die Arbeit dieser für die Ernährungswirtschaft so wichtigen, gleichwohl nicht hinreichend bekannten europäischen Institution. Es ergab zugleich die Gelegenheit, erste Kontakte zwischen den Wissenschaftlern und den Teilnehmern aus der müllerischen Praxis zu knüpfen.
Das Symposium wurde von den Professoren Jany und Peter Schieberle, Lehrstuhl für Lebensmittelchemie, TU München und ebenfalls Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des VDM, kenntnisreich und mit viel Geschick moderiert. Im ersten Vortrag berichtete Prof. Rainer Kühl, Justus-Liebig-Universität Gießen, über die Auswirkungen der Strukturentwicklungen in den vor- und nachgelagerten Stufen auf die Müllerei. Zunächst analysierte er die Gegebenheiten der Getreideproduktion und legte die veränderten Marktbedingungen dar. Einer eingehenden Analyse wurde hierbei das Verkaufsverhalten der Agrarunternehmer unterzogen. Die Entwicklung in der nachgelagerte Stufe lässt sich thesenhaft darstellen: Das Kerngeschäft des Backgewerbes bringt keine Umsatzsteigerung. Auf der anderen Seite ist Deutschland immer noch Weltmeister im Brotkonsum. Die Schlussfolgerungen für die Mühlenwirtschaft lauten: Die Marktrisiken führen zu verändertem Verkaufsverhalten am physischen Markt und die Notwendigkeit zur Kostensenkung führt tendenziell zu weiteren Konzentrationen auf den Beschaffungsmärkten. Die Konzentration auf der Absatzseite nimmt ebenso zu. Für beide Marktstufen gelten qualitative und quantitative Erfolgsfaktoren. Es gewinnt damit an Bedeutung, die modernen Kundenerwartungen durch innovative Produktkonzepte zu erfüllen.
Dipl.-Ing. Friedrich Hedtrich, Georg-Albrechts-Universität Kiel, beschäftigte sich mit besseren Prognosen für die Agrarmärkte. Er startete mit einem anschaulichen Beispiel über kollektive Intelligenz von der Tiermesse in Plymouth 1906: Es ging um die Schätzung des Schlachtgewichtes eines Bullen und die Ermittlung des arithmetischen Mittels bei Befragung möglichst vieler Beteiligter. Daraus ist herzuleiten, dass die Individuen gemeinschaftlich ein besseres Ergebnis erzielen als alleine. Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Volatilität an den Agrarmärkten nimmt zu, und der Vermarktungserfolg ist ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg geworden. Die verfügbaren Prognosen erzielen dabei keine gute Vorhersagegüte. In anderen Bereichen fehlen Vorhersagen sogar vollkommen. Die Prognosemärkte sollten das Phänomen der kollektiven Intelligenz vermehrt nutzen. Anzustreben ist dessen Nutzbarmachung über das World Wide Web: Ein Zugang zu jeder Zeit von fast jedem Ort ist dann möglich, und die Kenntnis der Teilnehmer selbst schlicht nicht notwendig. Die prognostizierten Marktpreise sind dann die erwarteten und gewichteten Werte der Zertifikate aller Teilnehmer der Prognose. Auf der Grundlage von Spielwetten kann an entsprechenden Experimenten der Uni Kiel teilgenommen werden.
„Innovative biochemische Methoden zur Bestimmung von Weizenanteilen in Dinkelprodukten“ war das Thema von Dr. Ilka Haase, Universität Hamburg. Die Leitsätze für Brot und Kleingebäck sehen maximal 10 % Weizenanteil in Dinkelbrot und -brötchen vor. Durch unbewusste Vermischungen bereits beim Anbau oder in der Verarbeitung sowie durch bewussten Zusatz, um die Backfähigkeit zu erhöhen, kann es hier zu Problemen kommen. Zu entwickeln war ein DNA-basierter Nachweise aufgrund weizenspezifischer Erbinformationen sowie proteinbasierten Nachweisen mit dem ELISA-Test auf weizenspezifische Antikörper. Die Methode macht sich zu nutze, dass bestimmte Gensequenzen nur auf einen bestimmen DNA-Abschnitt der einzelnen Getreidearten passen. Diese nennen sich Primer. Es ist gelungen, ein bestimmtes Primer-Paar spezifisch für alle untersuchten Weizensorten herauszufinden, dessen Grund- und Matrixkalibrierung erfolgreich ist. Im Ausblick ist so eine Optimierung der Feststellungsmethoden im Bezug auf Dinkel und Weizen möglich.
Dipl.-Ing. Carolin Franzmann, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, erläuterte die Versuchsergebnisse zu dem vom
VDM geförderten FEI-Forschungsprojekt „Mutterkornalkaloide in Roggen – Einfluss der mühlentechnischen Verarbeitung“. Ziel ist die Entwicklung eines kostengünstigen und schnellen Tests für Mutterkorn und Sklerotien. Dabei wird zu Hilfe genommen, dass Rizinolsäure ein charakteristischer Bestandteil des Mutterkorns ist und mit dem Mutterkorngehalt korreliert. Untersucht wurde zunächst die Verteilung der Ergot-Alkaloide und der Rizinolsäure in Mehl, Schrot, Grieß und Kleie. Es konnte festgestellt werden, dass der mittlere Alkaloidgehalt der Sklerotien mit 0,08 % deutlich geringer ist als der oft zitierte mittlere Gehalt von 0,2 %, aber Schwankungsbreiten von 0,01 bis 0,24 % bestehen. Der Rizinolsäuregehalt blieb konstant, so dass er sich als Alternativmethode zur Besatzbestimmung bis 0,01 % auch in verarbeiteten Produkten anbietet.
Die Verbrauchersicht auf „Mykotoxine in getreidereichen Lebensmitteln – Was denkt der Verbraucher?“ war das Thema von Dipl.-Ing. Carolin Freese, FH Osnabrück. Inhalt waren ein Meinungsüberblick über Mykotoxine, eine Cluster-Analyse zum „Mykotoxin-frei-Zeichen“ und die Darstellung der Einflüsse auf die Einschätzung des Mykotoxinrisikos durch die Verbraucher. Schließlich beinhalteten die Forschungsarbeiten ein Kaufexperiment. Dort wurde untersucht, wie sich Marke, Preis und das Vorhandensein von Biosiegel und/oder Mykotixin-frei Zeichen auf die Kaufwahrscheinlichkeit auswirkt. Bei insgesamt gleichläufigen Tendenzen wirken sich die Koeffizienten zwischen den Parametern unterschiedlich aus, was die Interaktionen zwischen Marke und Preis sowie zwischen Marke und Vorhandensein von Siegel und Zeichen angeht.
„PCR-geschützte Diagnostik von Fusarium-Kontaminationen in Getreide“ stellte Dr. Ludwig Niessen von der TU München vor. Er brachte zunächst die kritischen Kontrollpunkte vom Feld bis zum Tisch bzgl.
Fusarien ins Bewusstsein und stelle die grundsätzlichen Methoden zur Analyse von Fusarium-Kontaminationen in Getreide dar. Mit der molekularbiologischen PCR-Analyse soll hier ein effizienteres Verfahren geschaffen werden. Dieses Verfahren bedient sich des Umstands, dass die Sequenzbasis für Fusarium-spezifische PCR-Primer genetisch isoliert werden kann, da es stoffwechselspezifische Gene gibt. Hierdurch ist es möglich, die Identifizierung eines PCR-Produktes durch Schmelzkurven-Analyse vorzunehmen und die Korrelation von DNA-Menge und DON-Gehalt zu bestimmen. Solche DNA-gestützten Methoden bieten die Möglichkeit zur schnellen und spezifischen Diagnose von Fusarium in Getreide. Die Verwendung von Primern aus Genen lässt einen Rückschluss auf das mit einer Probe verbundene Risiko der Mykotoxinbelastung zu. Mit neuartigen Methoden der DNA-Amplifikation kann die Messung mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit durchgeführt werden. Damit könnten in Zukunft im Rahmen der Wareneingangskontrollen eingesetzt werden. Hier darf mit Spannung die weitere Entwicklung verfolgt werden.
Prof. Elke Pawelzik von der Georg-August-Universität Göttingen nahm sich des Themas „Fusarienbefall und Mykotoxinbildung im Getreide“ an. Dem Vortrag lagen grundlegende Untersuchungen zur Wirkung der Primärproduktion auf Fusariumbefall und Mykotoxinproduktion in der Wertschöpfungskette unter den spezifischen Bedingungen Niedersachsens zugrunde. Diese wurden anhand von integralen Fruchtfolgeversuchen in den Kreisen Gladebeck und Torland bei Nordheim und Göttingen durchgeführt. Sortenwahl und
Fruchtfolge sowie der spezifische Einfluss auf die Verarbeitungsprodukte durch carry-over von Mykotoxinen in Mahlprodukte und Beeinflussung der Backfähigkeit wurden untersucht. Die DON-Gehalte waren stärker erhöht nach Mais und Winterweizen als Vorfrucht. Der Mykotoxingehalt einzelner Varianten unterschied sich zwischen den Versuchsjahren um den Faktor 100. Untersucht wurde der DON-Gehalt in Vollkornmehl, Mehltype 550 und Kleie in Abhängigkeit von Vorfrucht und Fungizid. Es ergaben sich starke Abweichungen. Im Ergebnis wurde eine Anreicherung vor allem in der Kleie festgestellt. Weiterhin wurde der Einfluss von Fusariumbefall auf Form und Aussehen von Minibroten untersucht. Die Wirkungen des Fusariumbefalls auf Inhaltsstoffe und technologische Parameter sind stark Sorten- und Vorfrucht abhängig. Die Erkenntnisse aus früheren Untersuchungen mit künstlich integriertem Material sind nicht ohne Weiteres auf natürlich infiziertes Material übertragbar.
Mit dem Thema „Neue Wege zur Erfassung fundamentaler Kenngrößen im Getreidebereich“ nahm sich Dr. Andreas Houben von der TU München eines für die Mühlenwirtschaft als immer bedeutender erkannten Themas an. Zunächst skizzierte er die Anforderungen von der und an die Mühlenbranche und den derzeitigen technischen Stand zur Erfassung fundamentaler Kenngrößen, wonach er die neuen Wege in Form der Ultraschallmesstechnik, digitaler Bildauswertung, NIR und Fundamentalrheologie darstellte. Brot und Backwaren zählen zu den ältesten und in der gesamten Welt beliebtesten Lebensmitteln, die Deutschen sind Weltmeister im Brotverzehr. Der Hauptrohstoff mit natürlichem Ursprung unterliegt schwankenden Qualitäten durch Witterung, Ernte und Lagerung. Die Fragestellung aus der Praxis lautet: Wie groß ist die Korrelation der bestehenden Meßsysteme mit der Gebäckqualität und wie korreliert der Gesamtproteingehalt mit dem Gebäckvolumen bei neuen Sorten? Die Ultraschalltechnik eignet sich dafür, die Porenstruktur und die Krumenqualität vorhersagen zu können. Durch Entnahme von fehlerhaften Teigpartien könnte die Gesamtausschussmenge verringert werden. Mit digitaler Bilderfassung und <//span>-auswertung kann das Gebäck in Pixel eingeteilt und bzgl. der Farben genau analysiert werden. Dann ging er auf den Läutertest im Brauverfahren ein, der ein frühzeitiges Erkennen von Malzfehlern ermöglicht. Dies lässt sich in Form einer multivariaten Auswertung von Datentransformationen auch auf Brotgetreide übertragen. Fazit ist, dass die klassischen Kennzahlen immer mehr an Aussagekraft verlieren. Die Forschungsansätze zur Entwicklung neuer Methoden versprechen Praxisnähe und zeigen erste Erfolge über die akustischen Methoden, Rheologie, Bildauswertung und NIR-Technik. Die Bedeutung der erhaltenen Parameter für die Qualitätseigenschaften ist noch weiter heraus zu arbeiten.
Dr. Jens Voigt von der TU München stellte mit dem Vortrag „Biogas aus Reststoffen der Nahrungsmittelketten- und Getränkeindustrie“ zugleich die Ergebnisse eines vom VDM mitfinanzierten FEI-Forschungsprojektes dar. Ziel war die Optimierung von Umwandlungsprozessen durch verfahrenstechnische Betrachtungen. Die Vorteile des Einsatzes von Lebensmittelwirtschaft liegen in der Vermeidung von Konflikten in der Lebensmittelindustrie und der Vermeidung von Flächenkonkurrenz. Die Mühlennachprodukte bestehen aus Staub- und Aspirationsabfällen (0,5 -2 %), Leichtkorn/Leichgetreide (2-3%) und Kleie (bis 15 %). Eine Prozessoptimierung wird erreicht durch eine optimale Zerkleinerung, da die Reaktionsgeschwindigkeit proportional zur Oberfläche steigt. Üblich ist eine Oberflächenvergrößerung der Rührwerkskugelmühle als energieschonendere Zerkleinerung sowie eine hydraulische Verweilzeitverkürzung. Der Energieeintrag erfolgt effizient. Weitere positive Effekte werden durch die Vorbehandlung durch Hydrolidierung erreicht. Aus den Versuchen ergibt sich ein geplanter ein- und mehrstufiger Ablauf und das Vorhaben eines mehrstufigen Festbettverfahrens, welches die Vorteile einer drastischen Verweilzeitverkürzung, der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, keine Fest-Flüssig-Trennung und die Vergrößerung der Oberfläche der Füllkörper sowie eine Verringerung der Auswascheffekte vereint. Wichtiges Fazit: Mühlenreststoffe können effizient in Biogasanlagen verwertet werden.
Abschließend nahm sich Prof. Dr. Peter Köhler vom Hans-Dieter-Belitz-Institut, Garching, den „Schnellmethoden zur Bewertung der Qualität von Weizenmehl: Vision oder Wirklichkeit?“ an. Die Qualität des Mehles bestimmt die Qualität der Backware. Alle Inhaltsstoffe des Getreides beeinflussen den Herstellungsprozess und die Qualität des Brotes, aber der größte Beitrag zur Qualität erfolgt durch den Weichweizenkleber (Gemisch von Speicherproteinen). Die Qualität des Weizenmehls wird daher über die Menge und die Qualität des Klebers definiert. Sie hängt aber von ganz verschiedenen Faktoren sowie Untereinheits-Proteinen ab, so werden Wechselwirkungen zwischen den Untereinheiten. Von ganz entscheidender Bedeutung ist hierbei das Gliadin/Glutenin-Verhältnis. Gliadine sind für die Viskosität des Teiges verantwortlich, Glutenine für dessen Elastizität. Das Verhältnis untereinander bestimmt die Teigeigenschaften. Widerstand und Dehnbarkeit werden dadurch verändert. Das Glutenin-Makropolymer bestimmt ebenfalls die Teigeigenschaften, da es mit den technischen Eigenschaften korreliert. Es existiert mit der Trübungsmessung bereits eine Schnellmethode von etwas mehr als 30 Minuten, die das Gliadin-Glutenin-Verhältnis bestimmt. Die bisherigen Methoden (Feuchtklebergehalt, Sedimentationstest usw.) vermögen dies nicht oder nur unvollständig. Ein neues Forschungsprojekt soll nun dieses Proteinverhältnis in Weizenmehlen mittels Fraktionierung in einzelne Proteinfraktionen und der Bestimmung der darin enthaltenen Proteinmengen ermitteln, was durch eine Dumas-Analyse, ELISA-Test oder Farbreagenzientest ermöglicht werden kann. Die Testdauer soll dann nur ca. 3 Minuten betragen, durch die Bestimmung des Stickstoffgehaltes und unter Verwendung eines Kupferkatalysators. Sichtbar wird das Ergebnis durch die Färbemethode zur Proteinbestimmung. Eine weitere Möglichkeit ist das Bradford-Essay, ein empfindlicher und schneller qualitativer Färbetest, der 5 bis 10 Minuten dauert und die Bindung von Proteinen an Seitenketten zur Hilfe nimmt. Die fotometrischen und verbrennungsanalytischen Methoden in Verbindung mit einer vereinfachten Proteinfraktionierung haben sich für eine schnelle Bestimmung als geeignet erwiesen. Fazit ist, dass die einfache und schnelle Bestimmung wichtiger Proteinparameter von Weizenmehlen in Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreicht wird.
Das Symposium vermochte wiederum, hoch interessante und für die Zukunftsfähigkeit der Mühlenwirtschaft wichtige Themen aus der Wissenschaft ebenso verständlich wie detailliert aufzubereiten. In den Diskussionen, die den Vorträgen folgten, engagierten sich sowohl die Referenten als auch die Teilnehmern. Der Wissenschaftliche Beirat des VDM war in die Vorbereitung wieder eng eingebunden. Hierdurch zeigte sich der Nutzen sowohl für die Wissenschaft als auch für die Mühlenpraxis, auf dessen Grundlage die Veranstaltungsreihe in den nächsten Jahren fortgesetzt wird. Dies ist der bleibende Eindruck aller Teilnehmer aus dem 2. Symposium. (vdm)