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10.09.2022 | 12:44 | Pilzwurzeln 

Hamburger Start-up will die Lebensmittelbranche aufmischen

Hamburg - Vor zwölf Jahren kam Mazen Rizk aus dem Libanon nach Hamburg, um an der Technischen Universität seinen Doktor in Biotechnologie und Mikrobiologie zu machen.

Fleisch aus Pilz?
Vier Jahre Forschung stecken in einem Fleischbällchen, das eigentlich gar keines ist. Es besteht aus Pilzwurzeln und soll schon bald die Lebensmittelbranche aufmischen. (c) proplanta
Im Gepäck hatte er eine Idee, die über die Jahre in ihm reifte. «Ich bin hier, um ein globales Problem zu lösen», sagt Rizk der Deutschen Presse-Agentur. «Die Lebensmittelbranche steckt in einer Krise.»

Der 37-Jährige und sein Team wollen Pilze nutzen, um aus ihnen die nächste Generation nachhaltiger Lebensmittel zu kreieren. Ihre Firma Mushlabs stellt ein Produkt aus Myzel her, den feinen Wurzelfäden von Pilzen, die normalerweise mit dem Erdreich verwoben sind.

«Lebensmittel aus Myzel sind proteinreich, beinhalten essenzielle Aminosäuren und Ballaststoffe und sind gut verträglich», sagt die Professorin für Lebensmittelmikrobiologie und -toxikologie an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg, Katharina Riehn.

«Die Idee, Lebensmittel aus Myzel herzustellen, ist nicht ganz neu», fügt Riehn hinzu. Die Forschung zur Nutzung von Pilzproteinen gebe es bereits seit den 1960er-Jahren. Allein ist das Hamburger Unternehmen mit seiner Idee nicht. In Großbritannien wird bereits ein ähnliches Lebensmittel hergestellt: Quorn. Und auch in Norddeutschland tüftelt das Start-up Keen 4 Greens, das vegane Nuggets und Burger herstellt, an einem vergleichbaren Lebensmittel.

Der Vorteil liegt auf der Hand: «Um Lebensmittel aus Myzel herzustellen, benötigt man keine landwirtschaftliche Fläche und deutlich weniger Wasser als bei der Fleischproduktion», so Riehn.

Mushlabs züchtet das Myzel in Fermentern. Das sind große Behälter, in denen Parameter wie die Temperatur so geregelt werden können, dass das Myzel am effizientesten wächst. Als Nährflüssigkeit werden Stoffe genutzt, die in der Lebensmittelproduktion übrig bleiben - zum Beispiel beim Brauen von Bier. Seit ein paar Monaten nutzt das Start-up unter anderem Tanks und Nebenprodukte der Bitburger Brauerei.

Schon nach wenigen Tagen vervielfache sich das Myzel und sei reif zur Ernte, erklärt Rizk. Das geerntete Myzel werde von der Flüssigkeit getrennt und direkt in Lebensmittel weiterverarbeitet. Das Erzeugnis eigne sich besonders gut, um Fleischprodukte zu ersetzen, so Riehn. «Pilzprotein ist nicht wie zum Beispiel Tofu geschmacksneutral, sondern es hat einen umami-Geschmack.»

Der japanische Begriff umami bezeichnet einen Geschmack abseits der üblichen vier Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter. Häufig findet sich umami in proteinreichen Lebensmitteln und wird als herzhaft-intensiv und fleischig beschrieben.

Das Unternehmen aus der Hansestadt nutzt für seine Produktion Pilze, die man auch auf dem Wochenmarkt kaufen kann. Doch welcher Pilz verwendet wird, ist geheim. Nur so viel: «Es ist ein Pilz, den alle kennen», verrät Rizk. Das helfe dabei, die Hürde beim Konsumenten zu senken, das fertige Lebensmittel aus Myzel zu probieren.

In Mushlabs steckt bereits eine zweistellige Millionensumme. Ein Teil des Geldes, rund 13 Millionen Euro, kommt von Investoren, ein anderer Teil von der Europäischen Union. Als eines von 74 Start-ups wird das junge Biotech-Unternehmen vom European Innovation Council mit einer achtstelligen Summe gefördert.

Der Markt für pflanzliche Alternativen und vegetarische Produkte in Deutschland boomt. «Die Artikel kommen sehr gut bei unseren Kunden an», heißt es unter anderem beim Discounter Lidl. Doch wann die Myzel-Ware im Supermarkt zu finden sein wird, weiß niemand. Die Produkte befinden sich zurzeit noch im EU-Zulassungsprozess für neuartige Lebensmittel. «Mal sehen, ob es im nächsten Jahr etwas wird. Allzu lange dauern wird es wohl nicht mehr», ist sich Riehn sicher.
dpa/lno
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