Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
12.04.2013 | 07:32 | Bio-Patente 

Krebsmaus wird 25 - Patentstreit geht weiter

München - Ratten, Insekten, Kühe, Schafe, Pferde sogar Menschenaffen - rund tausend Patente auf Tiere gibt es heute in Europa.

Maus
(c) Sergii Figurnyi - fotolia.com
Ähnlich sieht es in den USA und anderen Ländern aus. Der Anfang dieser umstrittenen Praxis liegt 25 Jahre zurück. Als erstes Tier weltweit wurde am 12. April 1988 die Harvard-Krebs-Maus in den USA geschützt. Forscher der Harvard-Universität hatten der Maus menschliche Brustkrebsgene übertragen. An der so krankgemachten Maus sollten neue Therapiemethoden für den Menschen getestet werden.

Der Erfolg für die Forschung blieb gering. Doch die Entscheidung in den USA und die Patenterteilung durch das Europäische Patentamt EPA vier Jahre später (EP 0169672) ebneten den Weg für eine ganze Welle von Patentanmeldungen auf Tiere. «Das war ein Türöffner für all die Patente, die jetzt erteilt werden», sagt der Greenpeace-Berater Christoph Then. Heute gibt es Patente auf Tiere, Zellen oder Gene, auf menschliches Erbgut, adulte Stammzellen und Humaninsulin. «Keine Technologie ist a priori vom Patentschutz ausgenommen», sagt der stellvertretende EPA-Sprecher Rainer Osterwalder.

Gerade bei Versuchstieren wie der Krebsmaus argumentieren die Anmelder mit Erkenntnissen zum Wohl der Menschheit. Gegner kritisieren, dass die Lizenzgebühren die Entwicklung eher behindern.

«Außerdem kann ein Anreiz entstehen, dass aus kommerziellen Gründen unnötige Tierversuche durchgeführt werden», sagt Then. «Mit Tierversuchen geht immer auch Tierleid einher.»

Ethische Grenzen gibt es fast nur beim Menschen: Das Klonen oder die Geschlechtsauswahl bei der Zeugung sind beim Menschen verboten. Als ethisch unverantwortlich kritisieren Gegner besonders Patente auf Menschenaffen. Bei zwei Patenten, die auch Schimpansen umfassen, wurde eine DNA von Insekten, Zecken und Krabben ins Erbgut geschleust. Beim dritten Patent wurde das Immunsystem von Schimpansen «humanisiert», um an ihnen Medikamente zu testen. Zwei Einsprüche sind eingelegt, ein dritter soll im Mai folgen.

Der Patentierung der Krebs-Maus folgte ein regelrechter Patentboom bei Tieren. Doch seit längerem nimmt die Zahl der Anmeldungen nicht mehr zu. «Die praktischen Erwartungen haben sich nicht erfüllt», sagt Osterwalder. Bei den Versuchstieren, die wie die Krebsmaus mit krankmachenden Genen bestückt wurden, waren die Erfolge begrenzt. «Man hat festgestellt, dass die Zusammenhänge komplexer sind und sich oft nicht auf ein Gen reduzieren lassen.»

Das war auch das Problem bei der Harvard-Maus. Sie hatte nur ein Krebs-Gen. Mediziner gehen aber davon aus, dass es Dutzende Brustkrebsarten bei Frauen gibt, bei denen wiederum Dutzende Gene eine Rolle spielen. Auch der Verfahrensweg schreckt manchen Anmelder ab. Gegen das Krebsmaus-Patent gab es 17 Einsprüche, die Verfahren zogen sich über ein Jahrzehnt hin. Als das EPA im Juli 2004 das Patent endgültig bestätigte, war der Patentschutz schon erloschen.

Jenseits von Medikamentenversuchen haben Patente auf genveränderte Tiere kaum Bedeutung. Nur vereinzelte Anmeldungen gebe es bei der Erzeugung von Arzneimitteln, bei denen mit Hilfe von genveränderten Tieren Wirkstoffe gewonnen werden, häufig aus Milch. «Da gibt nur sehr wenige Anmeldungen», sagt Osterwalder. Auch bei Nutztieren ist das Interesse ist gering. «Es ist kein ausreichender Markt da.» Kaum jemand wolle gentechnisch veränderte Lebensmittel.

Einzelbeispiele sind ein schnell wachsender «Turbo»-Lachs. Oder eine Anmeldung in den 1990er Jahren auf «stressresistente Schweine», die beim Gang zum Schlachthof keine Panik bekommen - auf dass die Fleischqualität nicht leide. Derzeit wird um ein Patent auf eine Kuh gestritten, die mehr Milch geben soll. Selbst wenn es erteilt würde, wäre unklar, ob solche Kühe je auf die Weide kämen - und ihre Milch in den Handel kommen dürfte. Für die Zulassung ist die Europäische Kommission zuständig. Angesichts der Ablehnung von Gentechnik liegen die Hürden für die Nutzung hoch. In Deutschland darf nicht einmal der Futtermais Mon810 angebaut werden, der in der EU zugelassen ist.

Auch Patente auf gentechnisch nicht veränderte Tiere und Pflanzen sind umstritten. Umweltverbände, Tierschützer, christliche Gruppen, Nichtregierungsorganisationen, Züchter und Bauern warnen vor einem Monopol und steigender Marktmacht großer Konzerne. Bauern gerieten in Abhängigkeit, mittelständische Züchter würden vom Markt gedrängt, Patentgebühren könnten Lebensmittelpreise in der Dritten Welt hochtreiben, heißt es.

Die Debatte um die Grenzen der Patentierbarkeit von Leben geht weiter. 2012 brachte ein parteiübergreifendes Bündnis eine Resolution gegen Patente auf traditionell gezüchtete Tiere und Pflanzen ins Europäische Parlament ein. Bewegt hat sich seitdem nicht viel. Und gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere wie die Krebsmaus blieben weiter patentierbar. In den USA wird inzwischen über Patentschutz für menschliches Erbgut gestritten: Der Supreme Court muss sich mit einem Patent auf ein Gen für erblichen Brustkrebs beschäftigen. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Deutschland in Europa vorn bei Patentanmeldungen gegen Krebs

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken