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06.02.2011 | 21:03 | Bioethanol-Produktion 

Mikrobiologen der TU München wollen Bioethanol-Produktion optimieren

München - Teller oder Tank? Diese Konkurrenzfrage stellt sich angesichts begrenzter Agrarflächen und des gleichzeitigen Trends zu Biokraftstoffen immer deutlicher.

Bioethanol
Forscher der Technischen Universität München (TUM) wollen helfen, das Prioritätenproblem zu entzerren: Sie arbeiten daran, bisher nur schlecht verwertbare Reststoffe von Feldfrüchten effektiv für die industrielle Bioethanol-Produktion nutzbar zu machen. Dafür nehmen sie Bakterien unter die Lupe, die Zellulose in Zucker verwandeln und so die Ausbeute der genutzten Energiepflanzen erhöhen können. Wenn das klappt, könnten Brot und Biokraftstoff in Zukunft vom gleichen Acker kommen.

Das Zeitalter von Diesel und Benzin geht unausweichlich zu Ende. Doch die Alternative – Bioethanol, das mit Hilfe von Mikroorganismen aus pflanzlichem Material hergestellt wird – steht im Kreuzfeuer der Kritik. Denn dieser Biokraftstoff wird bisher aus Feldfrüchten wie Weizen, Zuckerrohr oder Mais hergestellt, genauer: aus dem Zucker, der als Stärke in ihnen steckt. Doch wenn man Feldfrüchte für die Herstellung von Bioethanol verwendet, fallen sie gleichzeitig als Nahrungsmittel weg. Forscher am TUM-Lehrstuhl für Mikrobiologie arbeiten an einer Lösung des Dilemmas. Die Idee: Zucker zur Bioethanol-Herstellung nutzbar machen, der in Form von Zellulose in Stängeln und Blättern von Pflanzen gespeichert ist. „Unser Ziel ist es, aus der bisher kaum genutzten Zellulose großindustriell Zucker zu machen, den man dann zu Bioethanol weiterverarbeiten kann“, so der Mikrobiologe Dr. Wolfgang Schwarz.

Aber das ist nicht so einfach: Als Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände ist die Zellulose für die Stabilität der Pflanze beim Wachsen verantwortlich - und deshalb extrem stabil gebaut: Zuckermoleküle bilden Zellulosemoleküle, die kettenförmig und sehr robust verbunden reißfeste Fasern bilden. Es ist also schwierig, die stabile Zellulose zu Zucker abzubauen. Glücklicherweise gibt es aber in der Natur auch Enzyme, die das können. Sie sind zum Beispiel in Bakterien vorhanden, die in Rindermägen leben. In diesen natürlichen „Bioreaktoren“ helfen sie, das Gras zu verdauen und den Zucker freizusetzen. Allerdings dauert der Abbau von Zellulose durch die Bakterien sehr lang. Bevor Zellulose auch im industriellen Maßstab effizient und rentabel zu Biokraftstoff umgewandelt werden kann, muss der Vorgang wesentlich verbessert werden.

Der TUM-Lehrstuhl für Mikrobiologie stellt sich dieser Aufgabe: Einerseits suchen die Forscher in der immensen mikrobiellen Diversität der Natur nach noch unbekannten Zellulose-abbauenden Enzymen, andererseits isolieren sie neue „Zellulose-fressende“ Mikroben aus der Natur, um diese genauer zu untersuchen. Die Arbeitsgruppe von Dr. Schwarz nimmt jetzt das vielversprechendste dieser Bakterien unter die Lupe, Clostridium thermocellum. Dieses Bodenbakterium hat insgesamt über 70 Enzyme zur Verfügung, mit denen es die verschiedenen Bestandteile der Pflanzenzellwand abbauen kann. Dank dieses „Werkzeugkastens“ passt sich das Bakterium perfekt an seine Umgebung an: Je nachdem, ob es etwa in Stroh, Laub oder Holzabfällen lebt, produziert C. thermocellum auf seiner Oberfläche einen anderen, effektiven Enzymkomplex für den Zelluloseabbau.

Dieses Prinzip erproben die TUM-Forscher nun im Labor: Sie wollen den Werkzeugkasten des Bakteriums nutzen, um optimale Enzymkombinationen für den industriellen Zellulose-Abbau zu finden. Dazu haben sie die kraftvollsten Enzyme identifiziert und im Reagenzglas hergestellt. Diese Komponenten wurden zu verschiedenen Kombinationen zusammengesetzt, die besten Variationen haben die Mikrobiologen aus den zahlreichen Möglichkeiten ausgewählt. Jan Krauß war als Doktorand drei Jahre lang damit beschäftigt: „Jetzt optimieren wir die effektivsten Kombis für die industrielle Anwendung. Letztlich möchten wir für jeden zellulosehaltigen Pflanzenreststoff ein individuelles Abbau-Werkzeug entwickeln. Mit ein bisschen Glück finden wir die perfekten Enzym-Mischungen, die dann in Bioethanol-Anlagen etabliert werden können.“

Mit ihrem Forschungsprogramm sehen sich die TUM-Forscher im Trend industrieller Anstrengungen: So errichtet die Süd-Chemie AG in Straubing einen Pilotanlage, die Stroh als biogenen Reststoff in Bioethanol umwandelt. (tum)
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