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14.12.2009 | 20:30 | Klimaforschung 

Rasante Gletscherschmelze in den 1940ern

Zürich - Neuste Studien von Forschern der ETH Zürich zeigen, dass Schweizer Gletscher in den 1940er Jahren noch stärker schmolzen als heute.

Gletscherschmelze
(c) Matthias Huss - ETH-Zürich
Und dies, obwohl die Temperaturen des 20. Jahrhunderts jene von diesem Jahrhundert nicht erreichten. Den Grund dafür sehen die Forscher vor allem in der geringeren Aerosolverschmutzung der Atmosphäre.

In der Schweiz wird der Schneezuwachs im Winter und die Gletscherschmelze im Sommer an Messstellen auf rund 3.000 Metern über dem Meeresspiegel, auf dem Claridenfirn, dem Grossen Aletschgletscher und dem Silvrettagletscher, seit nahezu 100 Jahren ohne Unterbruch gemessen. Mit dieser weltweit einzigartigen Messreihe untersuchte Matthias Huss während seiner Doktorarbeit bei Martin Funk, Professor und Leiter der Abteilung für Glaziologie an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) an der ETH Zürich und Mitautor der Studie, wie sich die Klimaveränderung im letzten Jahrhundert auf die Gletscher auswirkte.


Sonneneinstrahlung als massgebender Effekt

Dabei berücksichtigte das Forscherteam die seit 1934 in Davos gemessene Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche. Studien in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben nämlich gezeigt, dass, verursacht durch Aerosole und Wolken, die Sonneneinstrahlung stark variiert und dies vermutlich einen Einfluss auf Klimaschwankungen hat. In den vergangenen Jahren wurden für diese Phänomene die Begriffe «global dimming» und «global brightening», für reduzierte beziehungsweise erhöhte Sonneneinstrahlung, geprägt. Diese beiden Effekte werden derzeit von Wissenschaftlern, vor allem der ETH Zürich, verstärkt erforscht, da sie nach Ansicht von Experten in den Klimamodellen berücksichtigt werden sollten.

Die neue Studie, die in der Fachzeitschrift «Geophysical Research Letters» publiziert wurde, bestätigt diese Forderung. Denn unter Berücksichtigung der erhobenen Daten für die Stärke der Sonneneinstrahlung kamen die Wissenschaftler zu einem überraschenden Ergebnis: In den 1940er Jahren, insbesondere im Sommer 1947, verloren die Gletscher seit Beginn der Messreihe im Jahr 1914 am meisten Eis. Dies, obwohl die Temperaturen tiefer waren als in den vergangenen zwei Jahrzehnten. «Überraschend ist, dass sich dieses Paradoxon relativ einfach über die Strahlung erklären lässt», sagt Huss, der seit kurzem Oberassistent am Departement für Geowissenschaften an der Universität Fribourg ist.

Schuld an der starken Gletscherschmelze, so folgern die Forscher aus ihren Berechnungen, ist der hohe kurzwellige Strahlungseintrag in den Sommermonaten. Dieser lag in den 1940er Jahren um acht Prozent über dem Langzeitdurchschnitt und um 18 Watt pro Quadratmeter über demjenigen der vergangenen zehn Jahre. Dies führte dazu, dass, über das gesamte Jahrzehnt der 1940er gemittelt, vier Prozent mehr Eis schmolz als in den letzten zehn Jahren. Ferner korrelieren die unterdurchschnittlichen Schmelzraten an den Messstellen in Zeiten, in denen die Gletscherzungen sogar vorstiessen, mit einer Phase des «global dimming», zwischen den 1950er und 1980er Jahren.


Weniger Niederschlag und längere Schmelzperioden

Zu ihren Ergebnissen kamen die Forscher, indem sie, basierend auf den halbjährlichen Messungen auf den Gletschern seit 1914, die täglichen Schmelzraten mit Hilfe von Klimadaten und einem Temperatur-Index-Modell berechneten. Diese Resultate wurden anschliessend mit den langjährigen Messungen der Sonneneinstrahlung in Davos verglichen.

Huss weist darauf hin, dass die starke Gletscherschmelze in den 1940ern zwar die Annahme eines «noch nie da gewesenen» Gletscherschwundes in den letzten Jahren relativiert. «Dies sollte jedoch nicht zum Schluss verleiten, dass die aktuelle Klimaerwärmung gar nicht so problematisch für die Gletscher ist, wie bisher angenommen», hält der Glaziologe fest. Denn aussergewöhnlich ist nicht die Rate, mit der die Alpengletscher momentan schmelzen, sondern, dass der starke Rückgang nun seit 25 Jahren anhält.

Hinzu kommt - dies zeigen die Ergebnisse der Forscher - dass vor rund 30 Jahren temperaturabhängige Rückkoppelungsmechanismen einsetzten. Diese führten dazu, dass seither der Niederschlag in Form von Schnee um 12 Prozent relativ zum Gesamtniederschlag abnahm und sich parallel dazu die Schmelzperiode um etwa einen Monat verlängerte. Diese Effekte könnten die heute herrschende, im Vergleich zu den 1940ern, geringere Sonneneinstrahlung bald wettmachen, warnen die Wissenschaftler.


Quelle: ETH Life - Das Online-Magazin der ETH Zürich, Simone Ulmer, 14.12.09
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