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11.03.2015 | 08:26

Seit 15 Jahren wieder Wölfe in Deutschland

Wölfe zurück in Deutschland
Wenn Wölfe das erste Mal auftauchen, bekommen viele Menschen Angst. Doch das Leben mit den Wildtieren ist möglich, wenn beide Seiten es neu lernen - sagen Naturschützer. Ostdeutschland hat damit schon länger Erfahrung als der Westen. (c) proplanta

Wolfserwartungsland überall: Isegrimm erobert Deutschland zurück



Sein Pfotenabdruck ist oft schon da - und bis zum Jahr 2030 werden Wolfsrudel in ganz Deutschland leben. So lautet die jüngste Prognose des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Was vor 15 Jahren in der Lausitz mit ein paar Welpen begann, klang damals noch wie im Märchen: Der Wolf ist wieder da. Nun macht er immer weiter rüber in den Westen - und das viel schneller als gedacht, heißt es in der Bilanz des Nabu am Dienstag in Berlin.

Auch Naturschützer hätten es nicht für möglich gehalten, dass sich das Wildtier so schnell aufmacht, ein ganzes Land zurückzuerobern. In nur zwei Jahren hat sich die deutsche Wolfspopulation zuletzt verdoppelt, und das könnte so weiter gehen. 31 Rudel gibt es nach Nabu-Angaben schon, die meisten in Ostdeutschland - aber eben nicht nur. Die Tiere breiten sich nach Norden und Westen aus, bis nach Dänemark und die Niederlande sind sie schon gekommen. 200 Rudel in Deutschland hält der Nabu in Zukunft für möglich.

Was im Osten aber schon fast normal ist, müssen Mensch und Wolf im Westen der Republik erst wieder lernen: ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben.

Die Wölfe wurden in Deutschland vor 150 Jahren ausgerottet. Das Wissen über sie ist verloren gegangen, wird romantisiert oder von Mythen und Märchen beherrscht. «Der Wolf ist weder ein Kuscheltier noch ein gnadenloser Räuber», sagt Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Es gehe darum, die falschen Bilder aus Rotkäppchen zu korrigieren und Ängste zu nehmen - aber ohne zu verharmlosen.

«Bisher hat es in Deutschland noch keine Konflikte zwischen Mensch und Wolf gegeben», ergänzt Tschimpke. «Aber für die Zukunft ist das nicht gänzlich auszuschließen.» Genauso wie es heute schon Begegnungen und Unfälle mit Wildschweinen im Wald gebe, sei das auch für Wölfe möglich. Der Umgang mit wildlebenden Tieren bleibe eben eine Herausforderung.

Gerade knirscht es in Niedersachsen. Vergangene Woche streunte ein Wolf dort ohne erkennbare Scheu durch Wohngebiete. Das machte Schlagzeilen - von verunsicherten Anwohnern bis zu Jägern ließ der Wolf niemanden kalt. «In Sachsen wäre das so nicht passiert», sagt Markus Bathen, Leiter des ostdeutschen Nabu-Projektbüros Wolf im brandenburgischem Spremberg. «Da wäre viel früher aufgefallen, dass ein Wolf so nah an Menschen herangeht.» Denn normalerweise sind die Tiere scheu. Bathen hat sie in 15 Jahren nur dreimal in freier Wildbahn gesehen - und jedes Mal schlugen sie einen großen Bogen um ihn.

Sachsen ist aus Sicht der Naturschützer Vorreiter eines vorbildlichen Wolfsmanagements. Die Tiere werden beobachtet und gezählt. Wenn ein Wolf Verhaltensauffälligkeiten zeigt, greifen Maßnahmen. Gibt es eine Futterquelle nahe Wohngebieten? Dann weg damit. Und falls das nichts hilft, haben auch Naturschützer im Einzelfall nichts gegen Gummigeschosse.

Ein solches Wolfsmonitoring und Management wünscht sich nicht nur der Nabu für ganz Deutschland. Auch der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) hat sich schon dafür ausgesprochen. Manche Jäger hätten dagegen lieber wieder eine Jagderlaubnis - oder zumindest die Diskussion darüber. Auch sie finden manchmal Unterstützung in der Landespolitik.

Naturschutz ist in Deutschland Ländersache - samt Wolf. In Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen leben heute schon Rudel, an Landesgrenzen halten sie sich nicht. Auf 70 erwachsene Tiere schätzt der Nabu die Gesamtzahl der Wölfe in Deutschland derzeit. Jedes Rudel besteht aus durchschnittlich acht Tieren. Jungwölfe ziehen aus, um neue Familien zu gründen. Dabei laufen sie Hunderte Kilometer.

Schon beim Schutz von Schafherden sind die Bestimmungen in den Bundesländern unterschiedlich. In Brandenburg müssen die Zäune 1,06 Meter hoch sein, in Sachsen 90 Zentimeter, berichtet Bathen. Dabei sei es wichtiger, dass unten am Zaun schwach Strom fließe. «Dann kriegt der Wolf im Zweifelsfall eins auf die Nase», ergänzt er. Elterntiere gäben diese Warnung an ihre Jungen weiter. In Sachsen seien auf diese Weise von 15.000 Schafen und Ziegen nur 0,3 Prozent vom Wolf gerissen worden.

«Der Wolf weiß nicht, dass Rehe erlaubt sind und Schafe verboten», sagt Bathen. Aber dass ein Zaun Schmerzen verursache, das lerne er schnell. Und auch der Mensch kann lernen, wie er sich bei seltenen Begegnungen mit Wölfen am besten verhält. Nicht füttern, nicht anfassen, nicht weglaufen. Und entweder zur Warnung in die Hände klatschen und mit den Armen winken - oder sich langsam zurückziehen.

Der Wolf kommt aber nicht nur von Osten. Aus Italien und der Schweiz wird er nach Einschätzung des Nabu bald auch von Süden dauerhaft wieder einwandern.

Die einzigen Bundesländer, in denen es bisher noch keine Spuren gibt, sind ohnehin nur noch das Saarland und Baden-Württemberg - Stadtstaaten und Ballungsgebiete ausgenommen. Denn der Wolf liebt Wälder. In Italien lebt er schon immer, wo es keine große Industrie, keine reine Landwirtschaft und keine Großstädte gibt - zum Beispiel entlang des Gebirgszugs Appenin.

Eine ähnliche Entwicklung hält der Nabu auch in Deutschland für möglich. Der Wolf könnte vom Tiefland aus zum Beispiel die Mittelgebirge erobern. «Es gibt viele Regionen in Deutschland , in denen der Wolf leben kann. Aber das wird sicher nicht flächendeckend passieren», sagt Bathen. Im Berliner Grunewald sei das zum Beispiel eher unwahrscheinlich. (dpa)
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