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29.08.2016 | 19:16 | Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft 
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Freihandelsabkommen TTIP vor dem Aus?

Frankfurt / Berlin - Mehr Wachstum, mehr Wohlstand, mehr Jobs: Das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA sollte zum Wirtschaftsmotor werden. Doch die Verhandlungen stocken.

Freihandelsabkommen
Der Gegenwind aus Deutschland für das Freihandelsabkommen TTIP wird stärker: Vizekanzler Sigmar Gabriel hat die Verhandlungen um den umstrittenen Vertrag zwischen der EU und den USA für praktisch gescheitert erklärt. Doch das ist längst nicht ausgemacht. (c) proplanta
Nun hat sie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Interview mit dem ZDF für «de facto gescheitert» erklärt. Er wirbt lediglich für das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada. Während Umweltschützer und Gewerkschaften den SPD-Chef unterstützen, übt die deutsche Wirtschaft heftige Kritik. Wie geht es nun weiter?

Was ist TTIP?

Über die «Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft» (TTIP) sollen Zölle und als Handelsbarrieren wahrgenommene Normen in weltweit einmaligem Ausmaß abgebaut werden. EU und USA wollen sich etwa auf gemeinsame Standards für Produkte sowie auf Verfahren zur Beilegung von Streitfällen zwischen Unternehmen und Staaten einigen. Das soll die Wirtschaft ankurbeln.

Was soll das Abkommen konkret bringen?

Eine Untersuchung der EU-Kommission ergab, dass TTIP in der EU binnen zehn Jahren zu einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent führen würde und jede vierköpfige Familie pro Jahr 445 Euro mehr zur Verfügung hätte. Das Ifo Institut rechnet ferner mit 110.000 neuen Jobs allein in Deutschland.

Gabriels Abgesang auf das Abkommen schreckt daher die Wirtschaft auf: Der Maschinenbauerverband VDMA sieht Gabriel als Wirtschaftsminister «in der Pflicht, sich ohne Wenn und Aber für den Freihandel einzusetzen». TTIP-Kritiker bezweifeln indes große Wachstumseffekte.

Ist TTIP tatsächlich am Ende?

Auch wenn die Verhandlungen schwierig sind, ist das längst nicht ausgemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht laut Regierungssprecher Steffen Seibert weiter Chancen auf einen Erfolg. Damit stellt sie sich gegen Gabriel und den Koalitionspartner SPD.

Auch die EU-Kommission glaubt an TTIP. «Wenn die Bedingungen stimmen, ist die Kommission bereit, dieses Abkommen bis Ende des Jahres unter Dach und Fach zu bringen», sagte Sprecher Margaritis Schinas am Montag in Brüssel. Und auch US-Chefunterhändler Daniel Mullaney sagte Mitte Juli nach den letzten Gesprächen, mit politischem Willen könne eine Einigung bis Ende 2016 gelingen.

Wie groß ist der politische Wille eigentlich in den USA?

Das kommt in hohem Maße auf den Zeitplan an. US-Präsident Barack Obama will TTIP realsieren, fast noch wichtiger ist ihm aber das Transpazifische Abkommen TPP, das ebenfalls noch nicht in trockenen Tüchern ist. Für den künftigen Chef im Weißen Haus wird es noch schwieriger. Donald Trump hat sich im Wahlkampf wiederholt kritisch gegen internationale Handelsabkommen ausgesprochen, sie gar als «Desaster» bezeichnet.

Hillary Clinton musste dem parteiinternen Druck von links nachgeben und hat sich ebenfalls zumindest gegen TPP gestellt. Was diese Aussagen nach dem Wahltag am 8. November wert sind, muss sich erst noch zeigen.

Wie ist der Widerstand Frankreichs zu bewerten?

Außenhandels-Staatssekretär Matthias Fekl sagte am Dienstag dem Radiosender RMC, sein Land stehe politisch nicht mehr hinter dem Abkommen und wolle die Verhandlungen stoppen. Es stehen komplizierte Gespräche in Brüssel bevor, denn die Kommission will weiterverhandeln und verweist auf das einstimmige Mandat, das sie von den EU-Staaten erhielt. Bei Gipfeln gab es bisher auch immer Konsens, TTIP nicht fallenzulassen.

Wie ist der Stand der Gespräche?

Am 15. Juli endete die 14. Verhandlungsrunde in Brüssel. Laut EU-Kommission liegen für fast alle 27 TTIP-Kapitel Textvorschläge vor. Umfassende Dokumente halten den Stand der einzelnen Punkte fest - notfalls per Auflistung gegensätzlicher Positionen. Laut Gabriel haben EU und USA bisher «nicht einen einzigen gemeinsamen Text» erreicht. «Da bewegt sich nix.» Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) entgegnet, es sei normal, dass in komplexen Verhandlungen wichtige Punkte erst am Ende auf den Tisch kämen.

Wo liegen die Knackpunkte?

Heikel sind Schiedsgerichte für Streitfälle zwischen Unternehmen und Investoren. Theoretisch könnten sie Firmen Schadenersatz zusprechen, wenn sich zeigt, dass sie ungerechtfertigt unter politischen Entscheidungen leiden. TTIP-Kritiker fürchten, dass Konzerne Staaten vor Schiedsgerichten verklagen könnten.

Die EU hat eine Reform des Systems vorgeschlagen - was die USA ablehnen. Unklar ist auch, wie das Vorsorgeprinzip in der EU in TTIP verankert werden soll. Demnach können Produkte bei möglichen Gesundheitsgefahren auch ohne wissenschaftliche Beweise vorsichtshalber vom Markt genommen. In den USA hingegen ist dafür hingegen ein Nachweis nötig.

Sinken europäische Verbraucher- und Umweltstandards?

Für Greenpeace ist klar: «Die Verhandlungen kommen nicht voran, weil die Positionen der USA und der EU unvereinbar sind», erklärte die Umweltorganisation am Montag. «Ein erzwungener Kompromiss» würde in Europa und den USA «zu niedrigen Standards beim Schutz von Umwelt und Verbrauchern führen». Auch Gewerkschaften fürchten Einschnitte.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat indes betont, dass keine Normen ausgehöhlt werden. Auch hat die EU etwa ausgeschlossen, das bestehende Verbot von Hormon- und Chlorhühnerfleisch aufzuheben. Sie waren zum Symbol der TTIP-Kritik geworden.

Wie geht es mit TTIP weiter?

Nach der politischen Sommerpause gehen die Gespräche nun in die heiße Phase. «Ziel muss es sein, die Verhandlungen bis zum Herbst so weit voranzutreiben, dass die politisch Verantwortlichen auf US- und europäischer Seite die schwierigsten Fragen lösen können», fordert etwa Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Doch gerade in den USA drängt die Zeit.

Die Amtszeit von US-Präsident Barack Obama endet im November, und im Wahlkampf hat das Thema Freihandel einen schweren Stand. Rückenwind für TTIP ist zumindest aus den Vereinigten Staaten nicht zu erwarten.
dpa
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cource schrieb am 30.08.2016 07:10 Uhrzustimmen(94) widersprechen(62)
die eu wird letztendlich gezwungen sein einzulenken, denn hier geht es nicht nur um ein paar handelsbeziehungen, hier geht es um das gegenwärtige wirtschaftssystem und seinem wachstumszwang, ohne wachstum--egal wodurch--- bricht das system zusammen
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