Die niederländischen Marktanalysten beziffern den voraussichtlichen globalen Bedarf für das Jahr 2030 auf insgesamt 500.000 t; das wäre fünfzig Mal so viel wie das aktuelle Marktvolumen. Die Prognose basiert auf der Annahme, dass es weder produktionstechnische noch gesetzliche Angebotsbeschränkungen gibt.
Den Amsterdamer Fachleuten zufolge ist die aktuelle Nachfrage nach Insektenprotein wegen der relativ hohen Preise insgesamt noch sehr gering. Die Ware koste zwischen 3.500 Euro/t bis 5.000 Euro/t und sei damit deutlich teurer als
Fischmehl und Sojaschrot.
Beispielsweise hätten die Fischmehlpreise in den vergangenen fünf Jahren lediglich zwischen 1.200 $/t (997 Euro) und 2.000 $/t (1.662 Euro) rangiert. Allerdings dürfte die Ausweitung der Produktionskapazitäten für Insektenprotein in den kommenden Jahren deutliche
Preissenkungen ermöglichen. In der Folge werde die Nachfrage kräftig anziehen, was auch die Verwendung in der landwirtschaftlichen
Tierproduktion betreffe.
Ernährungsphysiologische Vorteile
Im Einzelnen sieht die Bank das größte globale Marktpotential für Insektenprotein bei der Verfütterung in Aquakulturen. In diese Verwendungsrichtung dürften 2030 rund 200.000 t Insektenprotein fließen, wenn die Preise für die Ware im Zuge von Kapazitätsaufstockungen auf 1.500 Euro/t bis 2.500 Euro/t gesunken seien. Bezogen auf die gesamte jährliche Futtermenge für Aquakulturen würde das Insektenprotein allerdings kaum einen Anteil von 1 % erreichen.
Insektenprotein sei jedoch die natürliche Nahrungsgrundlage von Fischen und deshalb ernährungsphysiologisch und auch mit Blick auf die Schmackhaftigkeit ein hervorragendes Futter, das den Einsatz von Sojaschrot und Fischmehl ergänzen könne. Den betreffenden
Absatzmarkt verorten die Analysten vor allem in Nordamerika und Europa.
Haustiere fressen zunehmend Premiumfutter
Als zweitwichtigste Vermarktungsschiene für Insektenprotein in der kommenden Dekade sieht die
Rabobank den globalen Markt für Haustierfutter. Das betreffende Absatzvolumen wird auf voraussichtlich etwa 150.000 t beziffert. Heute werde in diesem Segment allerdings noch der größte Anteil des Insektenproteins verkauft.
Für das erwartete starke Wachstum spricht nach Einschätzung der Analysten unter anderem, dass der Trend zur Vermenschlichung der Haustiere und damit die Nachfrage nach Premiumfutter in den kommenden zehn Jahren wohl weiter steigen werden. Außerdem legten die Haustierbesitzer zunehmend Wert auf umweltfreundliches Futter. Zudem könnte mit der insektenbasierten
Ernährung der Tiere Allergien und Überempfindlichkeiten von Hunden und Katzen gegen bestimmte Futterinhaltsstoffe begegnet werden.
Die Zahlungsbereitschaft der Haustierbesitzer sei hoch, betonen die Analysten. Allerdings könne der Trend zur Vermenschlichung von Tieren die Nachfrage auch dämpfen, wenn nämlich die Haustierhalter selbst keine Insekten essen wollten.
Tiergerechte Fütterung als Werbeargument nutzen
Auch in der Landwirtschaft sieht die Rabobank Verwendungsmöglichkeiten für Insektenfutter. Für die Ernährung von Legehennen und
Masthähnchen dürften nach der Prognose der Experten im Jahr 2030 global etwa 70.000 t beziehungsweise 50.000 t Insektenprotein eingesetzt werden. Der
Eiermarkt werde bereits heute mit differenzierten Vermarktungskonzepten bearbeitet, zum Beispiel mit der Auslobung von Freiland- und
Biohaltung sowie mit der Anreicherung von Eiern mit Omega-3-Fettsäuren.
Der Verweis auf die Fütterung von Legehennen mit Insektenprotein ermögliche hier eine weitere Differenzierung. Außerdem könnten Eier und Geflügelfleisch mit der Auslobung einer tiergerechte Fütterung von Legehennen und Broilern mit „vollständigen“ Insekten beworben werden. Ferner sehen die niederländischen Marktanalysten ein Marktpotential von 30.000 t Insektenprotein bei der Verfütterung an Schweine.
Die Marktchancen von Insektenprotein für den direkten menschlichen Verzehr werden derweil als sehr gering eingestuft. Obwohl essbare Insekten alle Anforderungen mit Blick auf gesundheitliche Aspekte, den Nährstoffgehalt und die
Nachhaltigkeit erfüllten, fehle die Verbraucherakzeptanz in den Industrieländern. Das gelte sowohl für den Verzehr von vollständigen Tieren als auch für verarbeitete
Lebensmittel auf Insektenbasis.
Rasche Vervierfachung des Absatzes nach 2030 möglich
Wenn das für 2030 prognostizierte Marktwachstum auf insgesamt 500.000 t tatsächlich erreicht würde, hält die Rabobank eine weitere Beschleunigung der Produktionsausweitung für möglich. Dann könne sich die Erzeugung nämlich in wenigen Jahren verdoppeln bis vervierfachen.
Ausschlaggebend dafür seien Forschungs- und Entwicklungsfortschritte, das Marketing, das Interesse von Investoren an der Branche und Gesetzesänderungen. Für die Europäische Union rechnet die Rabobank mit einer weiteren Lockerung der Futtermittelvorschriften. Derzeit seien nur lebende Insektenlarven und Insektenöl in allen Verwendungsrichtungen als Futter zugelassen.
Verarbeitetes Insektenprotein dürfe hingegen nur als Haustier- und in Aquakulturfutter eingesetzt werden, aber nicht als Geflügel- und Schweinefutter. Die Regelungen in den Mitgliedstaaten seien teilweise uneinheitlich. Allerdings erwarten die Fachleute für 2022 die EU-weite Zulassung von Insektenprotein als Geflügel- und Schweinefutter.
Investoren reagieren auf EU-Zulassung
Unterdessen hat die Insektenproteinerzeugung das Interesse der Investoren geweckt. Nach Angaben der Rabobank flossen bislang insgesamt fast 1 Mrd Euro in die Branche. Davon entfielen etwa 420 Mio $ (349 Mio Euro) auf 2020 sowie jeweils rund 180 Mio Euro auf die beiden Vorjahre. Auslöser für den kräftigen Anstieg sei vor allem die EU-Zulassung von Insektenproteinfutter in Aquakulturen im Juli 2017 gewesen.
Die Investitionen in den Jahren 2015 bis 2017 hätten noch jeweils deutlich unter der Linie von 100 Mio $ (83 Mio Euro) gelegen. Die erfolgreichsten Insektenproteinproduzenten zeichneten sich unter anderem durch außergewöhnliche Geschäftsmodelle, besondere Kooperationen, eine rasche geographische Marktexpansion und eine schnelle Vergrößerung ihrer Angebotspalette aus.
Beispielsweise plane die französische Firma InnovaFeed mit dem Agrarkonzern Archer Daniels Midland (
ADM) die Errichtung einer gemeinsamen Produktionsstätte in den Vereinigten Staaten und kooperiere außerdem mit
Cargill bei der Erzeugung von Futter für Lachse und Shrimps.
Umrechnungskurs: 1 $ = 0,8309 Euro