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08.10.2013 | 18:36 | Zulassung von Gentechnik-Pflanzen 

Europäischer Gerichtshof gibt Gentechnik-Konzern Recht

Aachen - Die EU-Kommission ist verpflichtet, Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen zur Entscheidung zu bringen.

Zulassung von Gentechnik-Pflanzen
(c) proplanta
Das hat der Europäische Gerichtshof Ende September entschieden. Er gab damit einer Klage von Pioneer Hi-Bred International gegen die EU-Kommission recht. Im konkreten Fall ging es um die Zulassung für den Anbau von gv-Mais 1507, die das Unternehmen bereits 2001 beantragt hatte und die von der EU-Kommission jahrelang verschleppt worden war. Das Urteil könnte neue Bewegung in die seit längerem festgefahrene Gentechnik-Politik der EU bringen.

Mit Ausnahme der Stärkekartoffel Amflora - inzwischen längst vom Markt genommen - sind in der EU seit Jahren keine gentechnisch veränderten Pflanzen für den Anbau zugelassen worden. Internationale Agro-Unternehmen wie Monsanto, Bayer, BASF oder Syngenta haben Europa als Markt für gv-Saatgut weitgehend abgeschrieben. Im Sommer zog Monsanto mehrere Anträge für Anbauzulassungen zurück.

Dennoch liegen bei der EU-Kommission derzeit sechs solcher Anträge (siehe Kasten), die grundsätzlich entscheidungsreif sind. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die Sicherheitsbewertung für die jeweiligen gv-Pflanzen unter Berücksichtigung ihres Verwendungszwecks abgeschlossen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt bestehen bei keiner dieser Pflanzen besondere Sicherheitsbedenken.

Nach den in der EU geltenden Rechtsvorschriften muss die Kommission nach Abschluss der Sicherheitsbewertung das Entscheidungsverfahren einleiten und den Mitgliedsstaaten einen entsprechenden Vorschlag vorlegen. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, ist die Kommission verpflichtet, eine Zulassung - auch unter bestimmten Auflagen - zu empfehlen.

Nicht die ESFA oder die Kommission entscheiden über eine Zulassung, sondern die Mitgliedsstaaten. Doch diese  blockieren sich gegenseitig. In keinem einzigen Zulassungsverfahren fand sich bisher die erforderliche qualifizierte Mehrheit, weder für noch gegen eine Zulassung. Nach den EU-Verträgen muss nun die Kommission die Rechtsvorschriften vollziehen - im Falle von gv-Pflanzen bedeutet das, diese zuzulassen, wenn ihre Sicherheit von den zuständigen wissenschaftlichen Gremien festgestellt worden ist.

Damit fällt der Kommission eine undankbare Rolle zu. Sie ist es, die aus Sicht der Öffentlichkeit die wenig geschätzten gv-Pflanzen durchsetzt - scheinbar gegen den mehrheitlichen politischen Willen der Mitgliedsstaaten.

Nicht zuletzt wegen des negativen Meinungsklimas hat die Kommission vor allem bei Anbauzulassungen immer wieder versucht, die Entscheidungen zu verzögern. So liegen die sechs Verfahren für Anbauzulassungen zum Teil seit längerem auf Eis, obwohl die formalen Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllt sind. Doch nun hat der EuGH in seinem aktuellen Urteil die stillschweigende Praxis, die fälligen Entscheidungen durch Nichtstun auf die lange Bank zu schieben, für rechtswidrig erklärt.

Bereits 2001 hatte Pioneer Hi-Bred, eine Tochter des US-amerikanischen Dupont-Konzerns, den Zulassungsantrag für seinen herbizid- und insektenresistenten gv-Mais 1507 eingereicht. Nach der ersten Sicherheitsbewertung hatte die Kommission die EFSA wiederholt aufgefordert, weitere Aspekte - etwa mögliche Auswirkungen auf Schmetterlinge - zu überprüfen.

Da sich aber weiterhin keine Hinweis auf besondere Risiken ergaben, mussten Anfang 2009 doch die Mitgliedsstaaten abstimmen - wie üblich ohne klares Ergebnis. Doch statt nun die Zulassung einzuleiten, blieb die Kommission untätig. Dagegen klagte Pioneer Hi-Bred vor dem EuGH und bekam nun recht. Die Kommission, so das Urteil, ist ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen.

Es ist nicht das erst Mal, dass Gerichte gegen politische motivierte Restriktionen im Bereich der Grünen Gentechnik entscheiden. Im Sommer hob das oberste französische Verwaltungsgericht - schon zum zweiten Mal - das von der Regierung in Paris verhängte Anbauverbot für MON810 als  "nicht ausreichend begründet" auf.

Erst vor kurzem erklärte die EFSA zu den von Italien und Luxemburg ausgesprochenen nationalen Verboten für MON810-Mais, es gebe keine wissenschaftlich fundierten Hinweise auf Sicherheitslücken, die eine solche Maßnahme rechtfertigen könnten. Ähnliche Verbote, die mehrere Länder als "Sofortmaßnahme" (Safeguard Clause) gegen akute Gefahren verhängten, dürften spätestens dann vor den Gerichten keinen Bestand mehr haben, wenn das Verfahren für die Neuzulassung von MON810 abgeschlossen würde. Doch auch das halten Kommission und Mitgliedsstaaten in der Schwebe.

Die politischen Winkelzüge wie auch die juristischen Auseinandersetzungen sind Ausdruck eines bisher unlösbaren Problems: In den meisten EU-Staaten gibt es keine politische Unterstützung für Zulassungen von gv-Pflanzen und wenig Akzeptanz in der Bevölkerung. Jedoch hat sich die EU vor zehn Jahren mit großen Mehrheiten im Ministerrat und im EU-Parlament Gesetze gegeben, die eine Nutzung von gv-Pflanzen unter bestimmten Auflagen grundsätzlich erlauben.

Das aktuelle EuGH-Urteil verpflichtet die EU-Politik, sich an diese Gesetze zu halten - oder aber sie zu ändern. Bisher allerdings sind solche Versuche immer gescheitert. Es gab weder eine Mehrheit für Pläne, wieder die einzelnen Mitgliedsstaaten über den Anbau von gv-Pflanzen entscheiden zu lassen, noch für das Vorhaben, bei der Zulassung auch soziale, ökonomische oder ethische Kriterien zu berücksichtigen.

Doch ob das EuGH-Urteil dazu zwingt, die anstehenden Anbauzulassungen tatsächlich bald zur Entscheidung zu bringen, scheint fraglich. Im Frühjahr wird das EU-Parlament neu gewählt - und erstmals auch der künftige Präsident der EU-Kommission. Danach werden die Karten wohl neu gemischt. (TransGen)
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