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12.05.2012 | 21:04 | Wildtierhaltung 

Tierschützer sorgen sich um Exotenhaltung

Nürnberg - Statt Hunde und Katzen halten sich die Deutschen immer häufiger Geckos, Chamäleons und Leguane als Haustiere.

Exot
(c) proplanta
Schließlich muss man mit Reptilien nicht Gassi gehen, sie brauchen keine Streicheleinheiten, fressen wenig Futter, benötigen kaum Platz und lösen keine Allergien aus.

Dennoch sind Tierschützer alles andere als glücklich über den Trend, der sich auch auf der am Donnerstag beginnenden, weltweit größten Heimtiermesse Interzoo in Nürnberg widerspiegeln wird. «Was uns Sorge bereitet, ist der Handel mit Wildtieren, vor allem mit Wildfängen», sagt Sandra Altherr von der Organisation Pro Wildlife. Während die einen Nachzuchten wilder Tiere sind, werden die anderen direkt in der Natur eingesammelt.

Rund 22 Millionen Heimtiere leben nach Angaben des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) in hiesigen Haushalten, die unzähligen Fische und Reptilien nicht mitgezählt. Dabei sind Terrarien zunehmend beliebt.

Zwar liegen keine exakten Daten vor, doch schätzte der ZZF ihre Zahl vor einem Jahr auf rund 400.000. Branchenkennern zufolge dürften es deutlich mehr sein.

«Reptilien sind leider der Shootingstar», bestätigt Altherr. Dabei sei problematisch, dass die Tiere aufgrund ihrer Herkunft aus anderen Klima-, Temperatur- und Feuchtigkeitszonen durchaus nicht so einfach zu halten seien wie oftmals propagiert.

Zudem werde noch immer ein erheblicher Anteil der Tiere direkt der Natur entnommen. Dies gelte nicht nur für Reptilien, sondern für viele ungeschützte und oft preiswerte Arten - mit teils gravierenden Folgen für deren Bestand.

Auch wenn unzählige Arten völlig legal gehandelt werden - die hohen Verkaufszahlen nicht heimischer Spezies sind Tierschützern ein Dorn im Auge.

«Es gibt immer wieder Studien, wonach nur ein Bruchteil der importieren Tiere das erste Jahr überlebt», berichtet Altherr. So stürben 90 Prozent der Königspythons und gut die Hälfte aller Reptilien innerhalb weniger Monate. Daran seien nicht immer die Halter Schuld, betont die Expertin.

Viele Tiere verendeten mit zeitlicher Verzögerung nach dem stressigen Transport - und würden umgehend durch einen Neukauf ersetzt.

Doch nicht nur das einzelne Tier müsse leiden, teils sei gleich eine ganze Art betroffen, schildert die Biologin. Schließlich würden immer noch viele Tiere aus der Natur gefangen statt nachgezüchtet.

Folge einer massiven Entnahme könne sein, dass die lokalen Bestände oder gar die Art selbst kollabiere. «Das kann Auswirkungen auf ein ganzes Ökosystem haben.»

Entsprechend deutlich positioniert sich auch der Deutsche Tierschutzbund. «Tiere wildlebender Arten gehören in ihren natürlichen Lebensraum und nicht in ein Wohnzimmer.

Exotische Vögel oder Reptilien zum Beispiel können im Privathaushalt nicht tiergerecht gehalten werden. Das gilt auch für deren Nachzuchten», heißt es in einer Stellungnahme des Vereins. Er hält ein Verbot der Privathaltung bei vielen exotische Arten für geboten, um die aus seiner Sicht skrupellose Plünderung der Natur zu begrenzen.

Der Tierschutzbund verweist auch darauf, dass viele Halter mit der Pflege ihrer Tiere überfordert sind - wenn etwa eine Wasserschildkröte von der Größe eines Fünfmarkstücks auf die eines Suppentellers anwächst oder ein Grüner Leguan am Ende zwei Meter groß und aggressiv wird. Auch das hohe Alter, das manche Tiere erreichen, sei vielen beim Kauf nicht bewusst.

Die Folge: Die Tiere würden viel zu beengt gehalten oder gar in der Natur ausgesetzt - wo sie entweder zugrunde gehen oder zur Konkurrenz für einheimische Arten werden.

Jörg Turk, stellvertretender Geschäftsführer des Interzoo-Veranstalters ZZF, sieht das Ganze weniger problematisch.

Käufer würden schließlich gut beraten, zudem würden bestimmte, sehr anspruchsvolle Arten wie Krokodile oder Warane gar nicht erst verkauft.

Naturentnahmen seien zwar kritisch zu sehen, kämen aber nicht so oft vor wie von den Tierschutzverbänden behauptet. So werde das Gros der Reptilien inzwischen nachgezüchtet, das gleiche gelte für gut 95 Prozent der Zierfische. Belastbare Daten gibt es keine.

«Durch Lebendentnahmen ist noch nicht einmal eine Tierart bedroht gewesen», betont Turk. Höchstens sei das Absammeln der Tiere der letzte Todesstoß gewesen, wenn eine Art ohnehin durch Lebensraumveränderungen wie Rodungen gefährdet gewesen sei. In einem solchen Fall ist eine Entnahme nicht zu rechtfertigen, wie Turk sagt.

Einen starken Rückgang der Wildfänge sieht auch der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde, Andreas Ment. Er weist auf die positiven Auswirkungen von Importen für die jeweilige Lokalbevölkerung hin, räumt aber auch ein, dass es manchmal «nicht so gut läuft wie es sollte».

Unkontrollierte Massenentnahmen und hohe Todesraten während des Transports lehne sein Verband ab. Haltungsfehler könnten durch eine verpflichtende Sachkundeprüfung vermieden werden.
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