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17.07.2023 | 15:54 | Nagetiere 

Biber, Nutria und Bisam an Fließgewässern: Lernen, miteinander zu leben

Erfurt - Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Nager entlang der Flüsse und Seen in Thüringen eine Ausnahmeerscheinung. Inzwischen haben Nutria, Biber und Bisam sich fast im gesamten Freistaat ausgebreitet - und führen zu gemischten Reaktionen.

Biber
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Als «Landschaftsarchitekten» könnten Biber einen Beitrag zum Kampf gegen die Trockenheit leisten - wegen der entstehenden Schäden fordern Jäger «biberfreie Zonen» an Fließgewässern. (c) avs_lt - fotolia.com
«Die aktive Lebensraumgestaltung durch Biber ist aus Sicht des Naturschutzes und des Wasserhaushalts einerseits gut», sagt Tom Wetzling vom Thüringer Umweltministerium. «Andererseits kann es Konflikte hervorrufen, wenn Biber in der stark von Menschen genutzten Kulturlandschaft wirken.» Während der zwischenzeitlich als ausgerottet eingestufte Biber seine angestammten Reviere langsam wieder besiedelt, gelten das ursprünglich aus Südamerika stammende Nutria und der eigentlich in Nordamerika heimische Bisam als Schädlinge. Unter bestimmten Bedingungen dürfen sei ganzjährig bejagt werden.

Nutrias haben sich dem Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz zufolge seit 1990 weit verbreitet. Seit 2010 seien die Bestände rückläufig, erklärt Sprecher Nils Fröhlich. Die Ausbreitung des Bisams - entgegen dem landläufigen Namen keine Ratte, sondern der Familie der Wühlmäuse zugehörig - begann bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute gelten beide Arten in Thüringen als etablierte, invasive Arten. Die Population des Bibers in Thüringen beträgt schätzungsweise etwa 650 Exemplare in 185 Revieren. Sie wanderten von Osten, Westen und Süden aus ein und vermehrten sich.

Alle drei Arten ernähren sich prinzipiell vegetarisch - Nutria und Bisam fressen dem NABU Thüringen zufolge aber hin und wieder auch Muscheln. Neben den Fraßschäden an der Ufervegetation, angrenzenden Feldern und an Bäumen sorgen die Grabe-Aktivitäten für die meisten Konflikte mit dem Menschen: Der Landesjagdverband verweist vor allem auf Schäden an Dämmen, Brücken und anderer Infrastruktur.

Dämme von Bibern könnten besonders bei Starkregen den Abfluss von Wasser erschweren und die Abflüsse verstopfen. Bisam-Bauten können Uferbereiche unterhöhlen. Der Landesjagdverband fordert daher die Ausweisung «biberfreier Zonen» in der Nähe bestimmter Bauwerke. Bisams würden punktuell bejagt, wo Gefahren für Dämme drohten. Allgemein lähmten die geltenden Bestimmungen zum Biberschutz die Maßnahmen zur Gewässerunterhaltung stark, sagte ein Sprecher.

Der NABU verweist hingegen auf die positiven Effekte: Durch Gräben und Dämme entstünden Anstauungen, Teiche und Feuchtgebiete. «Gerade in Zeiten starker Trockenheit bedeutet dies einen Zugewinn für das Ökosystem. Wasser verweilt länger in der Landschaft, Böden bleiben feuchter und Pflanzen werden besser mit Wasser versorgt», erklärt der Sprecher der Naturschutzorganisation, Jürgen Ehrhardt.

Der Landesjagdverband verweist darauf, dass «Generalisten» wie Bisam und Nutria in den kommenden Jahren vermutlich weitere Sprünge in den Populationen machen werden. Daher sei es wichtig, alle Arten zu beobachten. Dabei ist das Problem in Thüringen im Vergleich zu anderen Bundesländern noch harmlos: Im vergangenen Jahr wurden in Thüringen dem Deutschen Jagdverband zufolge 20 Nutrias geschossen, in Niedersachsen über 40.000. Manche davon landen übrigens auch auf dem Teller: Da das Fleisch essbar ist, vermarkten Metzgereien vereinzelt als ungewöhnlichen Leckerbissen.

Vom Land Thüringen können «Bisamjäger» mit entsprechender Erlaubnis engagiert werden. Im Bereich der Gewässerunterhaltung gebe es derzeit aber keine vom Land beauftragten Bisamjäger, so Fröhlich. Klar scheint, dass der Mensch sich mit den Nagern an den Flüssen arrangieren muss: Nach Ansicht des NABUs hat die Bejagung die Ausbreitung von Bisam und Nutria nicht verhindern können. Der Biber habe einen angestammten Platz in der heimischen Fauna. Gemeinsam mit Landnutzern und anderen Akteuren, die entlang der Flüsse wirtschaften oder Infrastruktur betrieben könnten Lösungen wie Verbissschutz oder Drainagemaßnahmen gefunden werden, die ein Zusammenleben von Mensch und Tier ermöglichten.
dpa/th
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