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03.12.2010 | 18:40 | Neobionten 

Biologe: Auster verändert Küste schon jetzt stark

List/Bonn - Stefan Nehring beschäftigt sich seit Jahren mit der Verbreitung der Pazifischen Auster an der Nordseeküste.

Auster
Der promovierte Biologe arbeitet als Experte für gebietsfremde Arten im Bonner Bundesamt für Naturschutz. Schon heute habe die einst fremde Pazifische Auster das Wattenmeer vielerorts grundlegend verändert, sagte Nehring in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.


Wird die Pazifische Auster die heimische Miesmuschel ganz verdrängen?

Nehring: «Das lässt sich noch nicht absehen. Zumindest wandert sie massiv in Miesmuschelbänke ein und wuchert dort oft alles zu, da sie auf Miesmuschelbänken guten Halt findet. Aber das ist ein ständiger Kampf: Die Bedingungen können für die Miesmuschel in manchen Jahren besser sein als für die Auster. Dann gewinnt sie wieder die Oberhand und setzt sich auf die Austernschicht. Dennoch ist eines klar: Das frühere Ökosystem der reinen Miesmuschelbank gibt es nicht mehr. Und das hat schon jetzt weitreichende Folgen: Miesmuscheln formen lockere Gebilde, in ihren Bänken ist also viel Platz für andere Organismen.

Bei der Pazifischen Auster aber ist das eine kompakte Masse, wie ein riesiger Kalkbrocken. Dort finden viele unserer heimischen Arten nicht mehr den gewohnten Platz. Andere fremde Arten im Schlepptau der Auster aber sehr wohl: zum Beispiel aus Asien eingeschleppte Algen oder Krebse.»


Welchen Anteil an dieser Entwicklung trägt die Austernzucht vor Sylt?

Nehring: «Einen erheblichen Anteil, aber nicht den alleinigen. Die erste freilebende Auster wurde schon 1984 im Watt vor Niedersachsen gefunden, also zwei Jahre vor dem Start der Sylter Zucht. Sie kam aus Holland, denn dort wurden schon vorher Pazifische Austern gemästet.

Anfangs hatte es geheißen, die Wassertemperatur sei für eine Vermehrung viel zu niedrig. Dabei hatte es auch in Deutschland vor dem Start der Zucht auf Sylt Versuche gegeben, die belegten, dass sich die Auster problemlos fortpflanzen kann. Inzwischen ist die Vermehrung so rasant fortgeschritten, dass die Austern alle infrage kommenden Böden im Watt besiedeln.»


Aber sind Arten nicht schon immer gewandert und haben heimische Arten abgelöst - ist dieser Wandel also nicht etwas ganz Natürliches?

Nehring: «Wenn sich ein wichtiges biologisches Glied in einem Lebensraum binnen weniger Jahrzehnte grundlegend ändert, scheint die Entwicklung nicht mehr natürlich. Die Pazifische Auster kam ja nicht von selber hierher. Schon heute machen die Pazifischen Austern im gesamten Wattenmeer 200.000 Tonnen aus. Das ist mehr Gewicht als die einst heimische Europäische Auster jemals erreicht hat. Und die Verbreitung hat ja erst begonnen. Die Sichtweise "früher hatten wir ja auch mal Austern und das ist jetzt wieder ähnlich" stimmt also nicht. Die neue Auster dominiert das System. Und dieses Rad ist nicht mehr zurückzudrehen. Das muss uns für die Zukunft warnen.» (dpa)
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