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11.06.2017 | 12:42 | Feinstaubproblematik 

Stickstoffemissionen: Hauptverursacher und gesundheitliche Folgen

Bonn - Die Landwirtschaft hat einen Anteil von 63 % an den Gesamtemissionen von reaktivem Stickstoff.

Stickstoffemissionen - Feinstaub
(c) proplanta
Etwa die Hälfte der Fläche Deutschlands (47 %) wird landwirtschaftlich genutzt. In der Landwirtschaft nimmt Stickstoff, in Form von Ammonium und Nitrat eine wichtige Funktion als essentieller Pflanzennährstoff ein. Dabei ist nicht die Verwendung von Stickstoff in Form von mineralischen Düngemitteln und organischen Düngemittel (zum Beispiel Wirtschaftsdünger) an sich problematisch, sondern der übermäßige Eintrag von Stickstoff, der den Bedarf der Pflanzen übersteigt.

Die Hauptaustragspfade von reaktiven Stickstoffverbindungen sind Ammoniak- und Lachgasemissionen in die Atmosphäre sowie Nitrateinträge in Grund- und Oberflächengewässer. Daneben wird ein Teil des reaktiven Stickstoffs zu reaktionsträgem Luftstickstoff umgewandelt. Bei einer nicht bedarfsgerechten Düngung beziehungsweise einer Düngung, die nicht nach guter fachlicher Praxis erfolgt, kann Stickstoff, der nicht von den Pflanzen aufgenommen oder in den Böden gespeichert wird, zu umweltbelastenden Stickstoffüberschüssen führen. Vor allem in Regionen mit intensiver Tierhaltung fällt oft mehr Wirtschaftsdünger an, als auf der Fläche effizient genutzt werden kann.

Werden in Biogasanlagen zusätzlich zu Wirtschaftsdüngern nachwachsende Rohstoffe eingesetzt, kann dies zu einer Erhöhung des regionalen Nährstoffdrucks führen. Unter diesem Aspekt ist die Ausweitung der Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe (Energie- und Industriepflanzen), die zwischen 1999 und 2013 von 0,7 auf 2,4 Mio. ha auf das 3,5-fache gestiegen ist, kritisch zu sehen (SRU, 2015).

In Tierhaltungsregionen könnte je nach Anlagenart eine Aufbereitung der Gärreste deren Transportwürdigkeit erhöhen und damit zu einer regionalen Minderung des Nährstoffdrucks beitragen. Ammoniak wird zu ca. 95 % durch Düngung und aus der Tierhaltung in die Außenluft freigesetzt (Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL, 2016)

Die Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft sind seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland zurückgegangen und liegen noch unterhalb des Wertes von 1990, steigen jedoch seit 2005 wieder an; 2015 wurde die einzuhaltende, nationale Emissionshöchstmenge von 550 kt/a um 27 % überschritten. Durch die Überarbeitung der Düngeverordnung, die im Jahr 2017 abgeschlossen werden soll, kann mittelfristig eine Reduzierung der landwirtschaftlich verursachten Emissionen erreicht werden.

Der weitere Handlungsbedarf findet seinen Ausdruck in der Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (Bundesregierung, 2017) und den darin enthaltenen stickstoffbezogenen Zielen, in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, im Klimaschutzplan 2050 sowie in der EU-Richtlinie über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe vom 14. Dezember 2016, nach der Deutschland seine Ammoniakemissionen bis 2030 um 29 % gegenüber dem Jahr 2005 vermindern muss.

Der Verkehr

Der Verkehr hat einen Anteil von 13 % an den Gesamtemissionen von reaktivem Stickstoff. Es werden fast ausschließlich Stickstoffoxide emittiert. Verursacht durch die Emissionen aus dem Straßenverkehr, insbesondere von Dieselfahrzeugen, sind die Belastungen durch Stickstoffoxide in urbanen und verkehrsreichen Gebieten am höchsten. Derzeit wird an 58 % der verkehrsnahen Luftmessstationen der Stickstoffdioxid-Jahresmittelgrenzwert der EU-Luftqualitätsrichtlinie (40 Mikrogramm Stickstoffdioxid/m 3 im Jahresmittel) überschritten.

Gemäß der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) liegen die zulässigen Stickstoffdioxidimmissionsgrenzwerte bei 40 Mikrogramm/m3 über das Kalenderjahr gemittelt, beziehungsweise bei 200 Mikrogramm/ m3, wenn der Wert über eine volle Stunde gemittelt wird (bei 18 zugelassenen Überschreitungen pro Kalenderjahr). Die Alarmschwelle liegt bei 400 Mikrogramm/m3 (ebenfalls über eine volle Stunde gemittelt) (BMJV, Bundesrechtsverordnung, 39. BImSchV, 2010).

Durch bereits beschlossene beziehungsweise vorgesehene Maßnahmen im Verkehrsbereich (Abgasstufen Euro 6 /VI, Fortschreibung Grenzwerte mobile Maschinen) können sich die Stickstoffoxid-Emissionen aus dem Verkehr weiter verringern. Die Regelungen zur Begrenzung der Stickstoffdioxid-Emissionen von Pkw im Realbetrieb werden erst in den kommenden Jahren schrittweise zur Minderung der Werte an den verkehrsnahen Emissions-Messungs-Stationen beitragen. Die Geschwindigkeit der Minderung hängt zudem auch von der Erneuerung der Dieselflotte, vom Ersatz dieselbetriebener Fahrzeuge durch benzin-, elektro- und erdgasgetriebene Fahrzeuge sowie von der Verlagerung eines Teils des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ab.

Szenarien des Umweltbundesamts zeigen, dass an hochbelasteten Standorten erst nach 2025 mit einer Einhaltung des o.g. Stickstoffdioxid-Jahresgrenzwertes zu rechnen ist (Umweltbundesamt, 2017). Der Schienenverkehr stößt pro Personenkilometer im Vergleich zum Pkw-Verkehr weniger als die Hälfte der Stickoxide aus.

Industrie und Energiewirtschaft

Wenngleich in den vergangenen zwei Dekaden deutliche Minderungen - insbesondere in der emissionsrelevanten Industrie - erzielt wurden, werden noch etwa 40 % der Stickstoffoxid-Emissionen und damit etwa 15 % der Gesamtemissionen von reaktivem Stickstoff in Deutschland durch Industrie- und Energiewirtschaft verursacht (Umweltbundesamt, 2015 a), 85 % der Stickstoffoxid-Emissionen von der Energiewirtschaft und 15 % von der Industrie. Zur Energiewirtschaft zählen Kraftwerke, das verarbeitende Gewerbe und Feuerungsanlagen in Haushalten und Gewerbe.

Die Stickstoff-Emissionen aus den emissionsrelevanten Industriebranchen, namentlich der Chemie-, Stahl-, Zement-, Glas- und Kalkindustrie, sind im Zeitraum von 1995 bis 2012 in allen genannten Branchen deutlich zurückgegangen. So ist seit 1990 eine Minderung von 15 % zu verzeichnen, bezogen auf das Jahr 1995 von 8 %. Erreicht wurde dies unter anderem durch eine verbesserte Rauchgasreinigung (Umweltbundesamt, 2015a).

Die Emissionen aus der Energiewirtschaft zeigten zwischen 1990 und 2000 zunächst eine deutliche Abnahme, danach aber einen schwankenden Trend mit leichten Zu- und Abnahmen (Umweltbundesamt, 2016b). Durch den Umbau des deutschen Kraftwerksparks, den verstärkten Ausbau der Erneuerbaren Energien (insbesondere Wind und Photovoltaik) und Maßnahmen zur Reduzierung der Stromnachfrage können die Emissionen reduziert werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Verbrennung von Biomasse als regenerativem Energieträger gegenüber der Kohleverbrennung zu höheren spezifischen Stickstoffoxid-Emissionen führt.

Gesundheitliche Folgen

Die Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit richtet sich nach der Art der betrachteten Stickstoffverbindung und dem jeweiligen Eintragspfad, über den diese Verbindung aufgenommen wird. Im Außenbereich trägt Ammoniak zur Bildung sekundärer Feinstäube bei. Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern (PM 2,5) können nach dem Einatmen tief in die Lunge gelangen und dort zu Entzündungen des Atemtrakts führen; zugleich kann es zu einer Verstärkung von allergischen Atemwegserkrankungen kommen.

Feinstäube stehen auch in Zusammenhang mit der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs (Royal College of Physicians, 2016). Da kein Konzentrationsschwellenwert angegeben werden kann, unterhalb dessen gesundheitsschädliche Wirkungen unwahrscheinlich sind, sollte die Feinstaubbelastung so niedrig wie möglich gehalten werden (Umweltbundesamt, 2009a).

Aktuelle Ergebnisse der „Global Burden of Disease Studie“ (GBD, 2016) zeigen auf, dass 2015 ca. 4,2 Millionen vorzeitige Todesfälle und ca. 103 Millionen verlorene gesunde Lebensjahre auf die Belastung der Weltbevölkerung mit Feinstaub (PM 2,5) zurückzuführen sind (IHME, 2016). Das Umweltbundesamt schätzt für Deutschland im Jahr 2014 ca. 41.000 vorzeitige Sterbefälle und ca. 308.000 verlorene gesunde Lebensjahre als Folge der Belastung mit Feinstaub (Umweltbundesamt, 2016a).

Das Stickstoffoxid Lachgas, das 265-mal so klimawirksam ist wie Kohlendioxid (IPCC, 2013, Umweltbundesamt, 2015b), zerstört Ozon in den hohen Luftschichten der Stratosphäre und mindert damit den Schutz vor ultravioletter Strahlung durch die Ozonschicht. Infolge dessen steigt das Hautkrebsrisiko beim Menschen. Lachgas hat im Übrigen einen Anteil von 6 % an den weltweiten klimarelevanten Emissionen. Stickstoffdioxid reizt in hohen Konzentrationen die Schleimhäute des gesamten Atemtraktes sowie der Augen. Atemnot, Husten, Bronchitis, Lungenödeme und Lungenentzündungen können die Folge sein.

Bei einer chronischen Exposition schädigt Stickstoffdioxid die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System langfristig (EEA, 2013). Untersuchungen belegen einen Zusammenhang zwischen hohen Stickstoffdioxidkonzentrationen und der Zunahme von Krankenhauseinweisungen wegen atemwegsbedingter Erkrankungen (Kraft et al. 2005).

Stickstoffoxide sind zudem wichtige Vorläufer für bodennahes Ozon. Ozon verursacht unter anderem in erheblichem Umfang Atemwegs- und Gewebeschädigungen beim Menschen. Der „Global Burden of Disease Studie“ zufolge ist die Ozonbelastung der Weltbevölkerung für ca. 254.000 vorzeitige Todesfälle und 4,1 Millionen verlorene gesunde Lebensjahre verantwortlich (IHME, 2016).

Deutschland gewinnt zwei Drittel seines Trinkwassers aus Grundwasser. Wenn Grundwasser über den der Vorsorge dienenden Grenzwert von 50 mg pro Liter mit Nitrat belastet ist, kann es ohne vorherige Aufbereitung nicht direkt als Trinkwasser genutzt werden. Die Aufbereitung ist notwendig, da eine vermehrte Aufnahme von Nitrat über das Trinkwasser die menschliche Gesundheit beeinträchtigen kann: Nitrat kann im Verdauungstrakt zur Bildung von kanzerogenen Verbindungen („Nitrosamine“) und der dadurch bedingten Entstehung von Tumoren führen und bei Säuglingen zur akuten Säuglingsblausucht (Methämoglobinämie) (SRU, 2015). In Deutschland ist vorgeschrieben, dass im Trinkwasser der Nitrat-Grenzwert eingehalten werden muss (BMG, UBA, 2014).

Folgen hoher Stickstoffemissionen für die Umwelt

Durch diverse politische Maßnahmen wurden die Emissionen reaktiven Stickstoffs in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren deutlich gemindert. Die jährlichen Gesamtemissionen sanken allein im Zeitraum von 1995 bis 2010 um etwa 40 % von 2,75 auf 1,57 Mio. t reaktiven Stickstoff. Dies ist ein deutlicher Erfolg, vor allem im Hinblick auf die Bereiche Luftreinhaltung, Natur-, Gewässer-, Boden- und Immissionsschutz.

Gleichwohl sind die Einträge reaktiver Stickstoffverbindungen in die Umwelt in manchen Regionen noch zu hoch, so dass Grenzwerte und Umweltqualitätsnormen für Gewässer, Luft und Boden in diesen Regionen nicht sicher eingehalten werden. Diese Einträge haben gravierende Auswirkungen auf ökologische Systeme:

• Belastung der Luftqualität durch Stickstoffoxide, Ammoniak und Bildung sekundären Feinstaubs,

• Belastung des Grundwassers mit Nitrat,

• Eutrophierung von Binnengewässern und Meeren,

• Eutrophierung und Versauerung von Böden und Landökosystemen (wie unter anderem Wälder),

• Verlust an Biodiversität infolge von Eutrophierung und Versauerung,

• Belastungen durch Lachgas und damit Beitrag zum Klimawandel.

Die Eutrophierung und Versauerung von Ökosystemen haben vielfältige nationale und grenzüberschreitende Konsequenzen. Diese sind zum Beispiel die Verunreinigung von Trinkwasserbrunnen mit Nitrat, Schäden für die Forstwirtschaft durch eine geminderte Widerstandskraft der Bäume und zusätzliche Aufwendungen im Gesundheitsbereich durch stickstoffbedingte Erkrankungen der Atemwege und des Kreislaufsystems .
Hauptverursacher StickstoffemissionenBild vergrößern
Absolute und prozentuale Entwicklung von Gesamtstickstoffemissionen der vier Hauptverursacherbereiche.
Nitratbelastung Grundwasser ÜberschreitungenBild vergrößern
Grundwasserkörper, die aufgrund der Nitratbelastung über dem Grenzwert von 50 mg/l den guten Zustand nach Wasserrahmenrichtlinie verfehlen. (Quelle: WasserBLIcK/BfG & Zuständige Behörden der Länder, 16.01.2017)
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