Der Staat sei „ein Treiber auf dem Bodenmarkt“, sagte die Wissenschaftlerin beim Fachgespräch des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) vergangene Woche in Berlin. Sie verwies auf eine Reihe steuer- und umweltrechtlicher sowie agrarpolitischer Regelungen, die tendenziell preissteigernd wirkten.
Zurückhaltend äußerte sich Nieberg zu Forderungen nach stärkerer Regulierung des Bodenmarktes. So ist nach ihrer Einschätzung noch nicht abschließend geklärt, wie die verschiedenen außerlandwirtschaftlichen Akteure mit ihren jeweiligen Geschäftsmodellen und Aktivitäten auf dem Bodenmarkt zu bewerten sind. Verstärkte Anstrengungen zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme mahnte der Vorstandsvorsitzende des BLG, Volker Bruns, an. Auch er sieht insbesondere den Staat in der Pflicht. Gerade bei öffentlichen Bundes- und Landesverkehrswegeträgern gebe es große Vorbehalte gegen die Umsetzung von innovativen Kompensationsmaßnahmen, kritisierte Bruns. Seiner Auffassung nach wären entsprechende Leitlinien, mindestens jedoch eine freiwillige Selbstverpflichtung der öffentlichen Maßnahmenträger, angebracht. Gleiches gelte bei Maßnahmen der Energiewende im Rahmen des Ausbaus der Stromtrassen.
Viehdichte Regionen betroffenNieberg zählt die Möglichkeit zur steuerfreien Reinvestition von Veräußerungsgewinnen bei Bodenverkäufen nach § 6b Einkommenssteuergesetz ebenso zu den Gründen für steigende Bodenpreise wie die Vorschriften zur Gewerblichkeit in der Veredlungsproduktion und die günstige Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens im Rahmen der Erbschaftssteuer, das Investoren anziehe. Erhebliche Auswirkungen schreibt die Institutsleiterin umweltrechtlichen Anforderungen und insbesondere der
Düngeverordnung zu. Höchstmengen bei der
Ausbringung von organischen Düngern, der Wegfall der Derogation sowie die Einbeziehung von Gärresten in die Nährstoffobergrenzen leisteten vor allem in viehdichten Regionen einen spürbaren Beitrag zur Preisentwicklung auf den Kauf- und Pachtmärkten. Dies gelte auch für die Förderung der Biogaserzeugung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (
EEG) und der damit einhergehenden stärkeren
Flächenkonkurrenz um Rohstoffe.
Überwälzung der DirektzahlungenSchließlich verwies Nieberg auf den Einfluss der Gemeinsamen
Agrarpolitik (GAP). Sie geht davon aus, dass im Durchschnitt 50 % bis 60 % der Direktzahlungen mittel- und langfristig auf die
Pachtpreise überwälzt werden. Diese Überwälzung nehme dabei mit steigender Kenntnis der Verpächter über die Zahlungen im Zeitablauf zu.
Die stellvertretende Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats für Agrar- und Ernährungspolitik räumte ein, dass auch
Agrarumweltmaßnahmen preissteigernd wirkten, verwies aber auf Gestaltungsmöglichkeiten zur Reduzierung dieser Effekte. Skeptisch äußerte sich Nieberg gegenüber einer stärkeren Konditionalisierung der Direktzahlungen, wie sie im Zusammenhangmit der Umsetzung der Brüsseler Vorschläge für die
Gemeinsame Agrarpolitik (
GAP) nach 2020 diskutiert wird. So werde die Festlegung eines hohen Mindestanteils nichtproduktiver Flächen weiteren Druck auf den Bodenmarkt ausüben. Vor diesem Hintergrund sei es besser, einen „attraktiven Mix“ an Maßnahmen in den sogenannten „Eco-schemes“ anzubieten und in der Maßnahmengestaltung die regionalen Opportunitätskosten zu berücksichtigen.
Handlungsdruck erhöhtBruns geht davon aus, dass der Druck auf die Flächen in den kommenden Jahren anhalten wird und dies Auswirkungen auf die Agrarstrukturentwicklung haben dürfte. Die Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans 2030 spiele dabei ebenso eine Rolle wie die von der Bundesregierung angestrebte Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, die trotz vielfältiger Ansätze für ein flächensparendes Vorgehen realistischerweise nicht ohne eine zusätzliche Flächeninanspruchnahme auskommen werde. Auch Maßnahmen für den Küsten- und
Hochwasserschutz infolge des Klimawandels, zum Trinkwasserschutz oder auch zur Umsetzung der Europäischen
Wasserrahmenrichtlinie bedürften zusätzlicher Flächen.
Mit der von der Regierungskoalition angestrebten Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf 30 ha am Tag bis zum Jahr 2030 sei die politische Marke gesetzt, betonte der Vorstandsvorsitzende. Angesichts eines Wertes von derzeit 65 ha werde der Handlungsbedarf deutlich. Bruns: „Vielleicht wäre es im einen oder anderen Fall schon hilfreich, wenn bestehende Regelungen konsequent angewendet würden.“
Kompetenz der LandgesellschaftenBLG-Vorstandsmitglied Dr. Alexander Schmidtke stellte die Kompetenz der Landgesellschaften für ein Flächenmanagement unter Berücksichtigung der
Agrarstruktur heraus. Als Richtschnur für die Minimierung von Flächeninanspruchnahmen nannte der Geschäftsführer eine Kaskade von Vermeidung, Verminderung undAusgleich. Insbesondere gehe es darum, Flächen mit hoher Bonität zu schonen. Schmidtke sprach sich ebenso wie Bruns für ein intelligentes Management von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unter Einbindung der Landwirtschaft aus.
Die positive Wirkung von Agrarstrukturgutachten zur Sicherung der Ansprüche der Landwirtschaft im Umfeld dynamisch wachsender Verdichtungsregionen erläuterte Steffen Moninger von der BBV LandSiedlung. Solche Gutachten könnten einen wichtigen Beitrag leisten, die Belange der Landwirtschaft zunächst zu ermitteln sowie zu formulieren und sie im nächsten Schritt in den Stadtentwicklungsprozess einfließen zu lassen.
Bayern will Flächenverbrauch halbierenDie bayerische Staatsregierung setzt nach den Worten von Abteilungsleiter Konrad Schmid aus dem Münchener Agrarressort unter anderem auf eine Belebung von Ortskernen, die Wiedernutzung leerstehender Gebäude sowie kooperative Ansätze zum Gewässer- und Bodenschutz. Zudem diene eine konsequente Anwendung der Landeskompensationsverordnung dem Ziel, den zunehmenden Flächenverbrauch einzuschränken.
Als Schwerpunkte nannte der Ministerialbeamte die Entsiegelung, die durch eine neu eingeführte „Entsiegelungsprämie“ zusätzlich Gewicht bekomme, ferner die extensive Bewirtschaftung von
Ausgleichsflächen anstelle einer Herausnahme aus der Produktion, die Anwendung produktionsintegrierter Maßnahmen in Verbindung mit dem Schutz hochwertiger Ackerflächen sowie die Aufwertung bestehender Schutzgebiete. Schmidt verwies auf das Vorhaben der neuen bayerischen Regierungskoalition, eine Richtgröße für den Flächenverbrauch von 5 ha am Tag gesetzlich zu verankern. Das entspricht nahezu einer Halbierung des derzeitigen Wertes.