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23.02.2015 | 10:00 | Hypericum perforatum 

Johanniskraut-Präparate nicht immer harmlos

Karlsruhe/Hohenheim - Noch vor 15 Jahren galt das Johanniskraut als die am besten untersuchte Arzneipflanze.

Johanniskraut - Hypericum perforatum
Johanniskraut (c) photocrew - fotolia.com
Bis heute konnte dennoch seine Wirkungsmechanismen nicht vollständig geklärt werden“, sagt Dr. Johannes Mayer, Medizinhistoriker und Mitglied im Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde.

Vor über 2.000 Jahren nutzten bereits die Römer und Griechen die Pflanze, die etwa 50 cm hoch wird und am Wegesrand, auf Lichtungen sowie im Wald gedeiht und leuchtend gelbe Blüten hat, als Heilmittel. Die Wirkung auf die Psyche (siehe auch Proplanta "Johanniskraut - Modemittel vom Wegesrand und umstrittener Stimmungsaufheller" wurde erst im Mittelalter festgestellt. Mit dem Aufkommen der chemischen Pharmazie Ende des 19. Jahrhunderts geriet das Johanniskraut allerdings fast wieder in Vergessenheit.

Inzwischen hat die Arzneipflanze erneut einen richtigen Boom erfahren, da pflanzliche Mittel heutzutage äußert beliebt sind. Allgemein gelten Heilpflanzen als sanfte Medizin und ohne Nebenwirkungen. Dem ist aber beileibe nicht immer so, wie Prof. Roots vom Institut für Klinische Pharmakologie der Charite in Berlin aufzeigt. Es kann nämlich Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln (siehe auch Proplanta "Grapefruitverzehr: Wenn zwei sich nicht vertragen") geben. So ist z.B. die Abschwächung einer Herzmittelwirkung (Digitalis) durch Johanniskraut-Präparate möglich.

Auch die Wirkung von Gerinnungshemmern (z.B. Marcumar) kann beeinträchtigt werden, was von großer Relevanz ist, wenn Patienten solche Medikamente vorübergehend oder dauerhaft zur Vermeidung von Thrombosen einnehmen. Wird Johanniskraut zusätzlich konsumiert, kann die Abschwächung der Wirkung schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Ähnliches ist bei einer Aidstherapie möglich. Auch der Wirkstoff von Ciclosporin, der nach Transplantationen Abstoßungsreaktionen verhindern soll, kann abgeschwächt werden und damit das Transplantationsergebnis gefährden.

Aber jetzt zu den positiven Seiten der Arzneipflanze. In aktuellen Studien wurde inzwischen nachgewiesen, dass bestimmte Johanniskraut-Präparate ebenso wirksam sind wie chemische Mittel gegen Depressionen (schwere Depressionen ausgenommen). Man hat ein gut verträgliches Arzneimittel – lediglich die Lichtempfindlichkeit ist erhöht, mit der Konsequenz, intensive Sonnenbestrahlung unter Therapie zu meiden.

Konzentration und Reaktionsvermögen werden – im Gegensatz zu chemischen Psychopharmaka – nicht beeinträchtigt. Ein wichtiger Hinweis ist die Tatsache, dass Johanniskraut nicht gleich Johanniskraut ist. Die Arzneipflanze kann je nach Standort und Witterung (wie Weintrauben) qualitativ anders beschaffen sein. Auch der Herstellungsprozess spielt eine wichtige Rolle – ob z.B. die Extrakte aus der Pflanze mit Alkohol oder mit Wasser herausgelöst werden.

Was bei pflanzlichen Extrakten immer noch ein Problem darstellt, sind die vielen Inhaltsstoffe, von denen man oft nicht weiß, welcher Stoff eigentlich für die Hauptwirkung verantwortlich ist. Bei Johanniskraut handelt es sich z.B. um Hperforin, Procyanidine, Hypericin und Flavinoide.

Bis dato gibt es leider zu wenig ausreichend geprüfte Pflanzenheilmittel, von denen sich fast fünfzig aus Johanniskraut auf dem Markt befinden. Lediglich drei der Johanniskraut-Präparate sind bisher nach wissenschaftlichen Kriterien geprüft und besitzen auch eine günstige Wirkung. Das wird sich in Zukunft erfreulicherweise ändern, da eine EU-Verordnung verlangt, auch bei pflanzlichen Arzneistoffen Wirkungen und Nebenwirkungen für die Zulassung eines Präparates nachzuweisen.

Fazit: Der Glaube pflanzliche Arzneien seien grundsätzlich besser als chemisch hergestellte, ist nicht uneingeschränkt gültig. Am Beispiel des Johanniskrautes wird deutlich, welche Interaktionen mit anderen Medikamenten möglich sind. Grundsätzlich sollte man im Falle einer medikamentösen Therapie und der Verwendung von rezeptfrei erhältlichen pflanzlichen Arzneimitteln immer den Arzt oder Apotheker fragen, worauf auch die Werbung hinweist, in Kenntnis dieser Besonderheit. (Hr)


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Facharzt für Allgemeinmedizin-Sportmedizin,
Dr. med. H. Rüdinger
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Kommentare 
Karmann schrieb am 16.08.2015 13:39 Uhrzustimmen(130) widersprechen(65)
Die Pharma-Industrie hat gesprochen - Amen! ;)
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