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09.02.2015 | 09:00 | Genussmittel 

Nikotin: Schädlingskiller und umstrittenes Genussmittel

Karlsruhe/Hohenheim - Bei der Diskussion um das Zigarettenrauchen und der modernen Alternative der E-Zigarette wird auch immer vom Nikotin gesprochen. Ein profundes Wissen um dieses „berühmt-berüchtigte Genussmittel“ ist in der Bevölkerung aber nicht sehr verbreitet.

Tabakpflanze
Etwa 400-mal zieht ein durchschnittlicher Raucher am Tag an einer Zigarette. Mehr als 4.800 Substanzen inhaliert er dabei, von denen laut Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung 250 giftig und 90 krebserregend sind. (c) proplanta
Nikotin ist ein biologischer Schädlingskiller. Es wird in der Tabakpflanze zu diesem Zweck gebildet. Frisst ein Schädling an der Pflanze, so entsteht vermehrt diese Substanz und die Raupe lässt von ihr ab. Ganz anders der Mensch. Nach einer Eingewöhnungsphase findet der „Homo sapiens“ (der moderner Mensch) an diesem Gift oft schnell Gefallen.

Die Tabakpflanze, ursprünglich auf dem amerikanischen Kontinent beheimatet, kam im 16. Jahrhundert nach Frankreich und wurde nach dem Diplomaten Jean Nicotin benannt, der sich eine Heilwirkung dieses Gewächses erhoffte. Aber es kam anders; zuerst schnupfte man den Tabak oder kaute ihn, geraucht wurde er als Zigarre, die aus Tabakblättern gedreht wurden. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden maschinell hergestellte Zigaretten auch größeren Bevölkerungsschichten zugänglich.

Bei  Inhalation des Rauches gibt es bereits nach knapp zehn Sekundenden den“ Nikotinkick“ im Gehirn. Es kommt durch das Nikotin zur Ausschüttung von Botenstoffen, wie Dopamin und andere, die das Wohl- oder Glücksgefühl vermittelt. Auch Stoffe, die für den Informationsaustausch im Gehirn zuständig sind, werden aktiviert. Dies kann auch eine Leistungssteigerung bewirken.

Je öfter Nikotin ins Gehirn kommt, desto mehr nimmt die Glückshormonmenge ab. Da aber das Belohnungsprinzip gilt, wird die Nikotinmenge z.B. durch mehr Zigaretten, tiefere Inhalationen und häufigere Züge gesteigert, was bereits, nach WHO-Kriterien einem Punkt der Sucht entspricht: Tendenz zur Dosissteigerung. Außerdem liegt ein unbezwingbares Verlangen zur Einnahme oder Beschaffung des Mittels vor. Ferner kommt es zu einer psychischen und meist auch physischen Abhängigkeit von der Wirkung der Droge.

Ein großer Unterschied zu anderen Drogen weist die Nikotinabhängigkeit aber auf. Sie führt zu keiner passageren oder bleibenden Bewusstseinsveränderung, wie bei Alkohol, Heroin und anderen Suchtmitteln. Nachdem letzteres fehlt, wäre eine Nikotinsucht eigentlich nicht so schlimm, wenn das Nikotin nicht auch noch andere, unangenehme Eigenschaften hätte. So können z.B. bereits im Körper vorhandene Krebszellen zur Vermehrung angeregt werden und wie jüngste Untersuchungen annehmen lassen, sogar Krebs auslösen. Es ist also keine ungefährliche Sucht.

Natürlich gibt es auch Menschen, die die Suchkriterien nicht erfüllen. Dazu zählen z.B. die Gelegenheitsraucher, die zum Glimmstängel greifen, wenn sie ihn angeboten bekommen und reine Genussraucher, die hin und wieder z.B. in Gesellschaft paffen und nicht inhalieren. Auch Menschen, die nur eine Zigarette zur Verdauung brauchen (Nikotin fördert die Darmtätigkeit) gehören zu dieser Gruppe. Mancher Raucher vertreibt auch das Hungergefühl mit einer Zigarette (durch Nikotin wird der Appetit vermindert und der Ruhenergieverbrauch erhöht) und er kann dadurch leichter sein Körpergewicht kontrollieren.

Im Gegensatz zur Alkohol- oder Drogensucht ist in Deutschland die Nikotinsucht nicht als Krankheit anerkannt. Anders in der Schweiz, wo jüngst das Bundesgericht in bestimmten Fällen die Nikotinsucht als Krankheit bestätigt hat und damit die Krankenkassen in die Leistungspflicht kommen.

Aber es gibt auch Positives über das Nikotin zu berichten. Würzburger Wissenschaftler arbeiten seit 2006 daran, aus den Inhaltsstoffen der Tabakpflanzen einen Impfstoff  gegen Borreliose zu gewinnen, was ein großer Fortschritt in der Vorbeugung dieser immer häufiger werdenden, heimtückischen Krankheit wäre. Interessant ist noch zu wissen, dass Nikotin in großen Mengen toxisch ist. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum ist der Stoff Nikotin sogar giftiger als Arsen oder Zyankali. 50 mg Gramm davon sind für den Menschen eine tödliche Dosis. Das entspräche einer gleichzeitigen Nikotinaufnahme von rund 500  inhalativ konsumierten oder 4-5 verschluckten Zigaretten (bei Kindern kann bereits eine einzige zum Tode führen).

Fazit: Zahlreiche Prozesse im Körper werden durch Nikotin in Gang gebracht. Die Nikotinwirkung im Gehirn kann eine Abhängigkeit bewirken, sodass eine Sucht entsteht, wobei die psychische und physische Abhängigkeit den Ausstieg oft schwer machen bzw. zu gehäuften Rückfällen führt. (Hr)


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Facharzt für Allgemeinmedizin-Sportmedizin,
Dr. med. H. Rüdinger
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