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02.10.2021 | 01:02 | Unsichtbare Gefahr 

Museum widmet sich Seuchen von Pest bis Corona

Hildesheim - Dass ein Virus die Menschen weltweit bedrohen und Millionen Menschenleben fordern könnte, hatten vor der Corona-Pandemie die wenigsten auf dem Zettel.

Krankheitserreger
Als die medizinischen Ursachen noch unbekannt waren, wurden Krankheiten häufig als Strafe Gottes verstanden. Eine Ausstellung in Hildesheim gibt Einblick in die Geschichte des Kampfes gegen tödliche Erreger. Sind weitere Pandemien zu befürchten? (c) Cynthia Goldsmith CDC
«Seuchen haben mehr Menschenleben gefordert als alle Kriege und Naturkatastrophen der Geschichte zusammen», sagt Oliver Gauert, Kurator einer Ausstellung über Pest, Cholera & Co., die vom 2. Oktober an im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum (RPM) zu sehen ist. Laut Gauert gerieten Seuchen in der westlichen Welt zunehmend aus dem Fokus, obwohl das Sterben in Entwicklungsländern weiterging - sei es an Malaria, Aids oder Ebola.

Schon seit 2018 arbeitet der Historiker an dem Mammut-Projekt, das mit Ausbruch der Pandemie ungeahnte Aktualität gewonnen hat. Unter coronabedingt erschwerten Bedingungen gelang es ihm, zahlreiche Unterstützer für die Schau mit dem Titel «Seuchen. Fluch der Vergangenheit - Bedrohung der Zukunft» zu gewinnen. 85 Leihgeber steuerten insgesamt 850 Exponate bei, darunter hochkarätige Gemälde. Die Ausstellung läuft bis zum 1. Mai 2022.

Die Besucherinnen und Besucher können eine Zeitreise vom Alten Ägypten bis in die Gegenwart unternehmen. 30 Stationen sind auf mehr als 1.800 Quadratmeter Ausstellungsfläche aufgebaut. Schon im Jahr 1500 vor Christus behandelten die Ägypter die Augenkrankheit Trachom mit antibakteriell wirkender Schminke. Sachmet in Löwengestalt war die Göttin der Krankheiten und der Heilung.

«Infektionskrankheiten wurden lange als Strafe Gottes oder als Schicksal verstanden», erläutert der Kurator. Als die Pest im 14. Jahrhundert heftig in Europa wütete und auch Priester und Mönche dahinraffte, wollte sich die Kirche nicht mehr damit abfinden. Papst Clemens VI. beauftragte die Universität Paris mit einem Gutachten, um die Ursache der verheerenden Krankheit herauszufinden, die ein Drittel der Bevölkerung auslöschte und ganze Landstriche verödete.

Der frühe Versuch, einer Infektionskrankheit wissenschaftlich auf die Spur zu kommen, lief allerdings ins Leere. Gauert: «Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Ursache üble Ausdünstungen aus dem Boden sind, die durch eine ungünstige Konstellation der Planeten ausgelöst werden, und dass man durch häufige Gebete dem Ganzen entgehen könne.»

Das Kapitel zur Pest erleben die Besucher in einem Museumstrakt, der früher zu einer mittelalterlichen Kirche gehörte. Überhaupt legen die Macher der Seuchen-Schau viel Wert auf Inszenierung. So kann man im nachgebauten ersten Anatomischen Theater von Padua virtuell eine Leiche sezieren. Zu sehen sind auch sogenannte Wachsmoulagen, die krankhaft veränderte Gesichter mit Pusteln oder Pocken darstellen.

Sie waren lange wichtige Lehrobjekte in der Medizin. Auch Querschnitte menschlicher Körper werden gezeigt. Ein nachgebautes Lepra-Krankenhaus ist nichts für schwache Nerven.

Parallelen zur Gegenwart lassen sich immer wieder herstellen: So gab es in den USA schon bei der Spanischen Grippe ein Superspreading-Event in einer Stadt, während mit strengen Hygienevorkehrungen in einer anderen Stadt Ausbrüche verhindert werden konnten.

Nachvollziehen lässt sich der medizinische Fortschritt von der Entwicklung des ersten Impfstoffes gegen Pocken über den Kampf gegen Diphtherie bis zur Entdeckung des menschlichen Immunsystems und Entwicklung von Antibiotika. Auch die Unterschiede zwischen Bakterien, Viren und Prionen werden erläutert.

Zum Abschluss der Schau begegnen einem unter anderem zwei große Insekten-Modelle. «Die Asiatische Tigermücke, die Sie dort sehen, ist schon in Europa heimisch. Sie überträgt das Dengue-Fieber», sagt Gauert. Es sei zu befürchten, dass sich aufgrund des Klimawandels und des globalen Verkehrs noch mehr Infektionskrankheiten aus den Tropen in den gemäßigten Zonen verbreiten.

Die Ausstellungsmacher wollen trotzdem Hoffnung machen, dass Pandemien in Zukunft zu meistern sind - mit Kreativität und Forschergeist. Tobias Welte, Leiter der Lungenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), sagt: «Der wissenschaftliche Fortschritt hat uns ermöglicht, den Schrecken solcher Pandemien zu verkleinern, auch wenn wir diese Ereignisse wohl noch lange nicht werden verhindern können.»
dpa
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