Ein Jahr nach dem ersten Corona-Fall in MV - Hoffen auf Lockerungen
Seit einem Jahr wütet das Coronavirus auch in Mecklenburg-Vorpommern. Ein schleppender Impfstart und ansteckendere Virusvarianten dämpfen die Hoffnung auf ein Pandemie-Ende. Und wann endet der Lockdown?
Vor nunmehr einem Jahr wurden auch in Mecklenburg-Vorpommern die ersten Corona-Infektionen registriert. Bei einem Ehepaar aus der Region Greifswald, das von einem Kongress in Baden-Württemberg in seine Heimat zurückkam, wurde Anfang März das Virus festgestellt.
Rückkehrer aus Wintersportgebieten in den Alpen brachten den heimtückischen Krankheitserreger ebenfalls mit, der sich alsbald auch im Nordosten rasch ausbreitete. Kurz darauf folgte der erste Lockdown mit gravierenden Folgen für Teile der Wirtschaft, des öffentlichen Lebens, für Kinderbetreuung und Schulunterricht.
Die Hoffnungen auf ein rasches Ende der Pandemie erfüllten sich trotz der spürbaren Entspannung über den Sommer nicht. Im Spätherbst nahmen die Infektionszahlen sprunghaft zu. Bei knapp 25.000 Menschen im Land wurde bislang eine Corona-Ansteckung nachgewiesen, bei vielen blieb sie wohl unentdeckt. Gut 740 Menschen starben im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung, zwei Drittel davon Hochbetagte.
«Der
Gesundheitsschutz hat Vorrang», lautete das Mantra der Landesregierung, mit dem Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) Kontaktbeschränkungen und Zwangsschließungen stets rechtfertigten.
Erneut verharrt nun das Land - wie große Teile Europas - im Lockdown. Die seit November andauernden Einschränkungen im Alltag hinterlassen Spuren. Monatelange Zwangsschließungen bringen Händler und Gastronomen trotz versprochener Staatshilfen an den Rand des Ruins.
Sie fordern ein Ende des Stillstands und machten das erst am Wochenende wieder mit Protestaktionen wie in Rostock oder auf Usedom deutlich. «Wir sind noch nicht über den Berg», warnt Schwesig indes und verweist auf die Gefahren durch neue Virusvarianten und die zuletzt wieder gestiegene Zahl von Neuinfektionen.
Doch spürt auch die Schweriner Regierungschefin den zunehmenden Druck der Wirtschaft und der Bevölkerung, die gleichermaßen nach Lockerungen lechzen. Und so erneuerte sie vor dem Bund-Länder-Gipfel am Mittwoch ihre Forderung nach einem bundesweiten Ausstiegsszenario aus dem Corona-Lockdown mit regionalen Spielräumen für Öffnungen. «Wir müssen den Menschen sagen, in welchen Schritten wir vorangehen wollen», sagt Schwesig.
Der noch weitgehend ohne zeitliche Abfolgen verfasste Stufenplan des Landes jedenfalls stellt die Unternehmer noch nicht zufrieden, wie die Regionalverbände der Wirtschaft die Regierungschefin in einem Brief wissen ließen. Dass diese damit auch ihre Kritik am Unternehmendachverband deutlich machten, der den Stufenplan jüngst mit abgesegnet hatte, zeigt, wie viel Druck auf dem Kessel ist.
Während sie die darbende Tourismusbranche noch vertröstet, macht Schwesig zumindest dem seit Monaten geschlossenen Einzelhandel Hoffnung auf schrittweise Öffnung der Geschäfte. So könne Einkaufen per Terminvergabe ermöglicht werden. «Das würde insbesondere ganz kleinen Geschäften helfen», sagt Schwesig. Sie verweist damit auf ein Modell, das beispielsweise Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen lieber heute als morgen in seiner Stadt erproben möchte, in der Branche selbst aber umstritten ist.
Dass Mecklenburg-Vorpommern, im Frühjahr und Sommer noch mit dem bundesweit geringsten Infektionsgeschehen, überhaupt so stark von der zweiten Welle erfasst wurde, hängt nach Einschätzung der Opposition auch mit dem Agieren der SPD/CDU-Regierung zusammen.
«Im Glücksgefühl der niedrigen Inzidenzen hat sich die Landesregierung im Glanz des vermeintlichen Musterschülers gesonnt. Dabei wurde der Sommer komplett verschlafen», konstatiert die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Simone Oldenburg. Weder seien die Schulen ausreichend auf die Öffnung nach den Ferien vorbereitet worden, noch habe es wirksame Schutzkonzepte für Senioren- und Pflegeheime gegeben.
AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer wirft der Koalition gar «kopfloses Handeln» vor und verweist dabei auch auf Schutzverordnungen, die - wie das Besuchsverbot der Küstenregionen zu Ostern 2020 - gerichtlich gekippt wurden. Für ihre wiederholten Forderungen nach sofortigen und weitreichenden Lockerungen der Corona-Schutzvorschriften findet die AfD in der Bevölkerung bundesweiten Umfragen zufolge aber keine mehrheitliche Unterstützung.
Auch die außerparlamentarische Opposition spart nicht mit Kritik. «Die «Pause» im letzten Sommer hätte genutzt werden müssen, um konkrete tragfähige Konzepte unter anderem für den Schulbetrieb, den Einzelhandel und den Tourismus zu erarbeiten», sagt Harald Terpe von den Grünen. Zudem sei der Landtag erst spät in die Krisenbewältigung einbezogen worden, moniert er.
FDP-Landeschef René Domke vermisst nach eigenen Worten «jede langfristige Planung und Transparenz» im Krisenmanagement. «Vor allem hätten viele Maßnahmen besser erklärt werden müssen. Als Erklärung reichte zumeist das Spiel mit der Angst der Bürgerinnen und Bürger», beklagt Domke, nach dessen Ansicht bei konsequenter Umsetzung der Hygieneregeln Geschäfte und Restaurants hätten geöffnet bleiben können.
Zustimmung erhält Schwesig für ihren Kurs erwartungsgemäß von den Koalitionsfraktionen
SPD und CDU. Vor den Entscheidungen habe es breite gesellschaftliche Diskussionen gegeben. «So wurden jeweils Beratungen mit medizinischen Fachleuten, auf dem MV-Gipfel und im Landtag geführt», sagte SPD-Fraktionschef Thomas Krüger und wies damit den Vorwurf mangelnder Transparenz zurück. Doch räumte er ein, dass das Impftempo mangels Impfstoff zu gering sei.
Die Kritik Schwesigs am Bund wegen des schleppenden Impfstarts hatte für Verstimmung in der Schweriner Koalition gesorgt. Der Fraktionschef und Generalsekretär der
CDU, Wolfgang Waldmüller, bezeichnete die Kritik als «Wahlkampfmanöver. Lieferschwierigkeiten für Corona-Impfstoffe hätten ihren Grund in Produktionsengpässen der Hersteller und nicht in zu geringen Bestellmengen.
«Alles andere fällt in die Kategorie «Manus Märchenstunde»», hatte Waldmüller erklärt. Doch machte er zugleich deutlich, dass aus seiner Sicht die Krisenbewältigung im Nordosten gut läuft. «Ich gehe davon aus, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am 3. März einen Fahrplan für spürbare Lockerungsschritte besprechen werden. Die Menschen und die Wirtschaft erwarten zurecht eine nachvollziehbare Perspektive», betonte der Unionspolitiker.