„Im Kern geht es um die Verabredung von Preisaufschlägen, die über die Lieferkette bis zum Milchregal durchgereicht werden. Gemeinwohlziele wie
Nachhaltigkeit sind rechtlich anerkannt.
Aber das wirtschaftliche Interesse an einem höheren Einkommensniveau kann für sich genommen keine Freistellung solch einer Vereinbarung rechtfertigen“, erklärte der Kartellamtspräsident. Er stellte klar, dass Nachhaltigkeitsaspekte bei dem Finanzierungsmodell keine Rolle spielten.
Gleichwohl habe der Agrardialog jederzeit die Möglichkeit, dem Bundeskartellamt ein Nachhaltigkeitskonzept vorzulegen, das nicht auf eine
Preisabsprache zu Lasten der Verbraucher zurückgreife. Mundt unterstrich, dass das Bundeskartellamt grundsätzlich landwirtschaftliche Erzeuger ermuntere und unterstütze, die mit Kooperationen ihre Position stärken wollten oder Nachhaltigkeitsziele verfolgten.
Das deutsche und das europäische
Kartellrecht stünden dem „nur in den seltensten Fällen“ entgegen. Schon jetzt gebe es weitreichende Ausnahmeregelungen gerade im Agrarbereich. „Erzeuger können ihre Angebote bündeln, gemeinsam verhandeln und ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale werfen. Wenn hingegen Preisbestandteile abgesprochen werden, sind die Grenzen des Kartellrechts klar überschritten“, erklärte Mundt.
Erhöhung des Milchpreises angestrebtDas Modell des Agrardialogs sieht laut dem Bundeskartellamt eine nachträgliche Preisstabilisierung des vertraglichen „Milchgelds“ für die landwirtschaftlichen Erzeuger vor. Dafür sollten die durchschnittlichen Kosten der Rohmilcherzeugung branchenweit ermittelt werden und den Ausgangspunkt für einheitliche Aufschläge auf den Milch-Grundpreis bilden.
Als bindender Bestandteil in den Verträgen zwischen Erzeugern,
Molkereien und
Lebensmitteleinzelhandel würden die Aufschläge laufend angepasst. Von den Modellteilnehmern sei vorgebracht worden, dass damit ein branchenweiter Beitrag zur Finanzierung der Transformation der heimischen Landwirtschaft erbracht werden könne. Konkrete Produktionskriterien für die
Rohmilch mit Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte habe das Konzept aber nicht enthalten.
Nach Auffassung des Bundeskartellamtes wäre das Modell aufgrund der angestrebten branchenweiten Geltung des Projekts und seiner Teilnehmer auf eine flächendeckende Erhöhung der Milchpreise hinausgelaufen. Damit würden zukünftig die Verbraucher, die Milch und Milchprodukte im Lebensmitteleinzelhandel nachfragten, günstige Ausweichmöglichkeiten einbüßen.
Beratung möglichDas Bundeskartellamt wies außerdem darauf hin, dass Kooperationen zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern und neuerdings auch entlang der
Wertschöpfungskette vielfach durch gesetzliche Ausnahmen privilegiert seien. Es sei hierbei unterstützend tätig und berate zur kartellrechtskonformen Ausgestaltung von Vereinbarungen.
Zugleich erinnerte die Bundesbehörde daran, dass sich im
Agrarbereich seit dem 7. Dezember 2021 auf europäischer Ebene der Rechtsrahmen für die kartellrechtliche Beurteilung von Initiativen zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards mit dem Inkrafttreten von Artikel 210a der
Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche
Erzeugnisse verändert habe.
Demnach seien unter bestimmten Voraussetzungen Kartellrechtsausnahmen für Nachhaltigkeitsinitiativen möglich. Nicht von der neuen Ausnahme umfasst seien Preisabsprachen, die nicht darauf abzielten, einen höheren Nachhaltigkeitsstandard anzuwenden, als er durch europäisches oder nationales Recht vorgeschrieben sei.