Israel als Ursprungsland anzugeben, wäre irreführend, da der Staat in diesen Gebieten nur «Besatzungsmacht» sei, erklärte das oberste EU-Gericht.
Die Richter bestätigten in dem politisch brisanten Fall die seit 2015 geltende Auffassung der EU-Kommission, die auch Deutschland für verbindlich hält. Dagegen sieht Israel eine besondere Kennzeichnung von Siedlerprodukten als diskriminierend an. Kritiker beklagen, sie sei Grundlage für antisemitische Boykotte. Das israelische Außenministerium reagierte zunächst nicht auf das Urteil.
Israel reagierte mit scharfem Protest. Das Urteil ermutige radikale anti-israelische Gruppen, die zu Boykotten aufriefen und Israel das Existenzrecht absprächen, kritisierte Außenminister Israel Katz. Palästinenserführer begrüßten es jedoch sofort und verlangten, dies nun überall in der EU konsequent umzusetzen.
Hintergrund ist der ungelöste Nahost-Konflikt und der Streit um die 1967 von Israel eroberten Gebiete, darunter das Westjordanland, Ost-Jerusalem und die Golanhöhen. Die Vereinten Nationen stufen die Gebiete als besetzt ein. Die Palästinenser fordern das Westjordanland und Ost-Jerusalem als Teil eines eigenen Staates Palästina. Doch leben dort mittlerweile insgesamt mehr als 600.000 israelische Siedler.
Anlass für das EuGH-Urteil war ein Rechtsstreit in Frankreich. Eine jüdische Organisation und ein Weinbauer hatten gegen einen Erlass von 2016 geklagt, der eine Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten verlangte. Frankreich berief sich auf EU-Vorgaben zur Ursprungskennzeichnung von Lebensmitteln.
Der
EuGH bestätigte diese. Die Angabe des Herkunftsgebiets für dort produzierte
Lebensmittel sei verpflichtend. Kämen Produkte aus israelischen Siedlungen in diesen Gebieten, müsse dies zusätzlich vermerkt sein. Anderenfalls könnten Verbraucher in die Irre geführt werden, befanden die Richter.
Die 1967 besetzten Gebiete hätten einen anderen völkerrechtlichen Status als Israel. Der EuGH betonte, dass sich in der Errichtung der Siedlungen «eine Umsiedlungspolitik manifestiert, die dieser Staat außerhalb seines Hoheitsgebiets unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts umsetzt». Die Verbraucher bräuchten Informationen, um eine «fundierte Wahl» zu treffen, auch unter ethischen Erwägungen.
Dass Europäer Produkte aus den von Israel besetzten Gebieten aus politischen Gründen meiden könnten, sehen einige EU-Politiker jedoch mit Sorge. Der SPD-Europaabgeordnete Dietmar Köster warnte: «Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wenden uns strikt gegen jede Form des Antisemitismus. Eine gesonderte Kennzeichnung kann für Kampagnen instrumentalisiert werden, die das Existenzrecht Israels infrage stellen.»
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff betonte: «Die Kennzeichnung der Waren ist zwar rechtlich richtig, darf aber nicht dazu führen, dass Israel benachteiligt wird.» Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch verurteilte das EuGH-Urteil als «politische EU-Justiz, die ihren offenen Antisemitismus als Kritik an der israelischen Politik zu kaschieren versucht».
International ruft die sogenannte BDS-Bewegung dazu auf, keine israelischen Waren zu kaufen. BDS steht für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. Israel wirft der Bewegung vor, sie sei antisemitisch und gehe einseitig gegen den jüdischen Staat vor. Die EU wendet sich ausdrücklich gegen jede Art von Boykotten gegen Israel oder Produkte aus den israelischen Siedlungen, wie eine Sprecherin der
EU-Kommission am Dienstag bekräftigte. Die Kennzeichnungspflicht gilt zwar aus Sicht der Kommission schon seit Jahren, die
Überwachung liegt aber bei den EU-Staaten und wird unterschiedlich gehandhabt.
Das
Bundeslandwirtschaftsministerium bekannte sich auf Anfrage ausdrücklich zur EU-Position. Eine Studie des European Middle East Project ergab jedoch, dass nur zehn Prozent der in der EU verkauften Weine aus Siedlungen gemäß EU-Recht gekennzeichnet seien. Deutschland sei einer der Hauptabnehmer dieser Weine.