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28.10.2008 | 15:50 | EU Agrarpolitik  

Keine Bewegung im Streit um Kürzung der EU-Agrar-Subventionen

Luxemburg - Im Streit um die Kürzungen der milliardenschweren Direkthilfen für Europas Bauern zeichnet sich keine Bewegung ab.

Mariann Fischer Boel
Mariann Fischer Boel (c) proplanta
EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel habe in Einzelgesprächen mit den Delegationen der 27 Mitgliedstaaten am Montagabend und Dienstagvormittag wenig Entgegenkommen signalisiert, hieß es in Luxemburg aus Diplomatenkreisen. Fischer Boel will einen Teil der Direkthilfen umschichten in einen Topf für die Entwicklung des ländlichen Raums («Modulation»). Die Bundesregierung lehne dies ab, machte der kommissarische Agrarminister Gert Lindemann klar.

Dagegen hieß es aus Kommissionskreisen, die Umverteilung sei für Brüssel «ein sehr wichtiger Punkt». «Wir haben es noch nicht ganz geschafft, aber ich denke, es herrscht eine sehr konstruktive Atmosphäre unter den Mitgliedstaaten», sagte Fischer Boel.

Betroffen von den Kürzungen wären besonders Großbauern in Ostdeutschland. Fischer Boel will die Beihilfen umso stärker streichen, je größer ein Betrieb ist («progressive Modulation»). Die Bundesregierung, aber auch eine Reihe anderer Mitgliedstaaten wie Großbritannien protestieren dagegen. «Wir möchten keine Modulation», sagte Lindemann. Wenn überhaupt, wolle Deutschland indes lieber eine generell etwas höhere Umverteilung erwägen, aber ohne die stärkere Belastung der Großbauern.

Die Umschichtung ist Teil des «Gesundheitschecks» der EU- Agrarpolitik, mit dem die Mitgliedstaaten die große Agrarreform von 2003 überprüfen und anpassen wollen. Fischer Boel will den damals eingeschlagenen Weg fortsetzen und die direkt gezahlten Beihilfen weiter verringern. Europas Steuerzahler subventionieren die Landwirtschaft allein in diesem Jahr mit rund 55 Milliarden Euro.

Die dänische Kommissarin will, dass ein größerer Anteil in die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige im ländlichen Raum fließt, in die Erhaltung von Kulturlandschaften oder in Umwelt- und Klimaschutzprojekte. «Ich denke, die Hauptidee des Gesundheitschecks besteht darin, unseren Agrarsektor nicht in der altmodischen Art und Weise zu schützen, sondern ihn zu modernisieren und wettbewerbsfähig zu machen», sagte sie. «Das ist heute aktueller denn je.»

Angesichts der Finanzkrise warnte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner vor einer Kürzung der Direkthilfen. «Wir merken schon jetzt, wie die Menschen aus Sorge weniger kaufen und extrem auf den Preis achten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die EU-Agrarpolitik sei damals «an Haupt und Gliedern reformiert» worden. «Die Bauern sind mitten im Anpassungsprozess», warnte er. «Hier darf man jetzt keinen zusätzlichen finanziellen Druck ausüben.»

Teil des Korrekturprogramms ist auch das Ende der Milchquote im Jahr 2015. Fischer Boel will die Quote bis dahin jährlich um ein Prozent anheben. Die Milchbauern befürchten, dass die Preise stark sinken, wenn die Mengenbegrenzung gestrichen wird. Auch andere Länder wie Frankreich und Österreich sorgen sich um ihren Milchsektor.

Dagegen fordern Italien, Großbritannien und die Niederlande eine stärkere Anhebung der Quote. «Wir werden versuchen, die Mitte zu finden», sagte Boel. «Es handelt sich um ein heikles politisches Thema, ich bin aber sicher, dass wir eine Lösung finden.»

Berlin will ein 300 Millionen Euro schweres jährliches Hilfsprogramm auflegen, um die Milchproduzenten auf den härteren Wettbewerb vorzubereiten. Umstritten ist die Finanzierung. Deutschland wolle für diesen «Milchfonds» insbesondere die am Ende eines Jahres nicht genutzten Mittel aus dem Topf für Direktzahlungen verwenden, sagte Lindemann. Es gehe um jährlich 300 Millionen Euro.

Fischer Boel lehnt das ab. Die Diskussion um den Milchfonds scheine «nach wie vor der schwierigste Punkt», sagte Lindemann. Der Staatssekretär leitet kommissarisch das Berliner Landwirtschaftsministerium, nachdem Bayerns neuer Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sein Amt als Agrarminister abgegeben hat.

Sonnleiter sagte, mit dem Milchfonds könnten die Milchbauern besonders in benachteiligten Gebieten wie Bergregionen entlastet und Investitionen verstärkt werden. Notwendig seien jährlich 300 bis 400 Millionen Euro. Ziel müsse es sein, die Wettbewerbsposition und die Ertragslage der gut 100.000 deutschen Milchbauern zu verbessern.

Paris hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und leitet die Verhandlungen. Der französische Landwirtschaftsminister Michel Barnier will den Umbau der Agrar-Beihilfen im November beschließen.

Der nächste offizielle Agrarministerrat am 18. und 19. November könne bei Bedarf verlängert werden um den 20., sagte Barnier. Sollte es auch dann keine Einigung geben, ist ein weiteres Treffen für den 28. angesetzt. (dpa)
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