«Ich denke, dass wir noch vor der Sommerpause solche Maßnahmen anstreben sollten», sagte Merkel am Donnerstag beim Besuch eines Milchhofes im niedersächsischen Ritterhude bei Bremen. «Das kann nicht auf die nächste Legislaturperiode verschoben werden.» Dabei gehe es um Bürgschaften und um ein Vorziehen von Direktzahlungen. Merkel sagte, sie hoffe auch, «dass wir beim Agrardiesel vielleicht noch vorankommen». Dies blockiert bisher die SPD. Mehr als 6.000 Bauern wollen am Montag in Berlin mit einer Traktoren-Sternfahrt zur Siegessäule auf ihre Lage aufmerksam machen.
Bauernpräsident Gerd
Sonnleitner begrüßte Merkels Forderung nach einer Senkung der Agrardieselsteuer und forderte «französisches Niveau». Agrardiesel ist in Deutschland mit 25,5 Cent pro Liter geringer besteuert als normaler Treibstoff - in Frankreich jedoch mit weniger als einem Cent pro Liter fast steuerfrei. Sonnleitner dringt auch auf Liquiditätshilfen. «Wir haben eine katastrophale Lage auf den Höfen», sagte er. Die deutschen Landwirte werden durch die Agrardieselsteuer laut
Bauernverband mit bis zu 950 Millionen Euro im Jahr belastet. Sonnleitner kündigte für den 29. Mai eine Demonstration im Frankfurter Bankenviertel mit hunderten Traktoren an.
Bundesagrarministerin Ilse
Aigner (CSU) will sich an diesem Montag beim Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel dafür einsetzen, dass die direkten Beihilfen für Bauern von Dezember auf Oktober vorgezogen werden. Dabei geht es nach Angaben des Bauernverbands um 2,8 Milliarden Euro. Nach Aigners Plänen soll der Bund zinslose Kredite bereitstellen, damit das Geld schon zum Juli fließen kann. Das Bundeskabinett hatte eine Entlastung bis zu 350 Euro pro Jahr beschlossen. Dies sollen die Länder regeln, die eine Finanzierung in Eigenregie ablehnen. Der Bauernpräsident macht die Politik für den Verfall der Milchpreise verantwortlich. Bei der Entscheidung für die Erhöhung der EU-weiten
Milchquote Ende 2008 hätten Bayern und die Bundesregierung zugestimmt.
Sonnleitner ist unter Druck geraten, weil die Proteste bisher vor allem vom Bund Deutscher
Milchviehhalter organisiert wurden, der Sonnleitner scharf kritisiert. «Ich habe immer im Interesse der Bauern für die Quote gekämpft», sagte der Bauernpräsident. «Man baut mich als Sündenbock auf.» Der Bauernverband befürwortet die Abschaffung der europaweiten Produktionsbeschränkung für Milch 2015.
Die Milchviehhalter befürchten, dass ein Drittel von rund 100.000 Höfen in Gefahr ist. Die Milchpreise, die die Molkereien den Bauern zahlen, waren auf teils unter 20 Cent pro Liter abgestürzt.
Die Verbraucher können nach Ansicht von Merkel auch etwas gegen die Preismisere tun. «Wir sollten alle ein Stück auch dazu beitragen, als Verbraucher den Preis der Milch wertzuschätzen», sagte sie nach dem Treffen mit Milchbauern und Vertretern der Milchwirtschaft in Ritterhude. Merkel nahm die Discounter-Ketten mit ihren Preiskämpfen bei Molkereiprodukten in Schutz. «Der Einzelhandel hat schon darüber berichtet, dass er natürlich auch einem unglaublichen Preisdruck seitens der Anbieter, zum Beispiel der Molkereien, ausgesetzt ist.»
Die Forderung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (
BDM) nach flexibler Steuerung der Milchmenge sieht Merkel ebenso skeptisch wie eine schnelle Senkung der europaweiten Milchquote. «Viele haben sich langfristig darauf eingestellt, dass sie eine bestimmte
Milchproduktion haben.» Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (
CDU) warb dafür, dass die Molkereien den Landwirten 40 Cent pro Liter erstatten und nicht etwa nur 20, sagte er. (dpa)