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29.05.2023 | 13:34 | Ökosysteme 

Naturwiederherstellungsgesetz: EU-Agrarpolitiker lehnen den Kommissionsvorschlag ab

Brüssel - Die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament lehnen den Vorschlag der EU-Kommission für ein Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) mehrheitlich ab.

Naturschutz
Auch Fischereiausschuss knapp für Zurückweisung - Federführender Umweltausschuss entscheidet jetzt über Mandatsentwurf für das Plenum - Der Kommissionentwurf sieht bis 2030 bekanntlich die ökologische Aufwertung von insgesamt 10 Prozent der Agrarflächen vor - Noichl und Häusling kritisieren die Ablehnung - Bauernverbände zufrieden. (c) proplanta
Wie die Agrarpolitiker am Dienstag vergangener Woche (23.5.) mit 30 Ja- gegen 16 Nein-Stimmen in einer Stellungnahme an den federführenden Umweltausschuss beschlossen, soll die Brüsseler Behörde neue Vorschläge vorlegen. Enthaltungen gab es nicht.

Eine Sprecherin des Parlaments stellte gegenüber AGRA-EUROPE allerdings klar, dass die Stellungnahme des Landwirtschaftsausschusses im Mandatsentwurf der Umweltpolitiker nicht zwangsläufig aufgenommen werden müsse. Auch die Abgeordneten im Fischereiausschuss sind der Forderung nach einer Zurückweisung gefolgt. Allerdings fiel hier das Votum denkbar knapp aus, nämlich 15 zu 13 Stimmen. Enthaltungen gab es ebenfalls keine.

Ob der Entwurf für ein Verhandlungsmandat an das Plenum weitergeleitet wird, hängt nun an den EU-Umweltpolitikern. Final entscheidet dann das Europaparlament als Ganzes. Der von der Kommission im Juni vorigen Jahres vorgelegte NRL-Entwurf sieht bekanntlich vor, dass bis zum Jahr 2030 insgesamt 10 % der Agrarflächen in der Europäischen Union mit Landschaftselementen im Sinne des Naturschutzes aufgewertet werden. Dies bedeutet laut der Brüsseler Behörde aber nicht zwangsläufig eine Stilllegung.

Nur Richtwert



Zugleich wurde von der Kommission mehrfach betont, dass es sich hierbei zunächst um einen Richtwert handle, um die von den Mitgliedstaaten zu erbringenden Maßnahmen zu bewerten. Als gesetzliche Zielmarke verankert werden solle der Wert nicht. Insgesamt sollen nach dem Willen der EU-Behörde bis einschließlich 2030 auf mindestens 20 % der Land- und Meeresgebiete der Union Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur durchgeführt werden.

Kurz zuvor hatte der für den Green Deal federführende Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans den Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur vor dem Landwirtschaftsausschuss nochmals mit Nachdruck verteidigt.

Naturschutz bereits überregelt?



Die Berichterstatterin Anne Sander zeigte sich indes mit der Ablehnung zufrieden. Dies sei ein starkes Signal an die Kommission. Schließlich sei dieser Vorschlag im Landwirtschaftsausschuss als Provokation empfunden worden. „Wir sagen Nein zu Rückschritt und Inkonsequenz“, erklärte die französische EVP-Politikerin. Der EVP-Berichterstatter im Fischereiausschuss, Niclas Herbst, kritisierte vor allem eine zu komplizierte Herangehensweise an das Thema.

Bereits jetzt gebe es bis zu 23 Verordnungen im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Natur und mehr als 40 Texte, die Mitteilungen, Strategien und Verordnungen berücksichtigen würden. „Ein weiterer zusätzlicher Text wird keinen Mehrwert bringen“, konstatierte der CDU-Politiker.

„Eine unheilvolle Koalition“



Scharf kritisiert wurde die Ablehnung dagegen von der SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl. Sie teilt die Einschätzung von Timmermans: „Der Klimawandel, der extreme Artenverlust, der Verlust der Bodenfruchtbarkeit und der Wassermangel in Europa sind eine konkrete, große Bedrohung für uns alle und wird in Zukunft unsere Produktionsmöglichkeiten in der Landwirtschaft einschränken“, warnte Noichl.

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA beklagte, dass Konservative, Rechte und Liberale offenbar „eine unheilvolle Koalition“ von Wissenschaftsleugnern und Zukunftsverhindern eingegangen seien.

Der Versuch das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur zu Fall zu bringen sei eine „Bankrotterklärung politischer Verantwortung“. Auch Häusling führte an, dass die Ernährungssicherheit langfristig von der Wiederherstellung der Natur und der natürlichen Ökosysteme abhänge.

Stegemann warnt vor Produktionsverlagerung



Der Agrarsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, forderte dagegen Timmermans auf, sich endlich eingestehen zu müssen, dass sowohl die Vorlagen zur EU-Pflanzenschutzmittelanwendungsverordnung sowie zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur „völlig aus der Welt gefallen“ seien. Timmermans und auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir spielten bewusst die Artenkrise und den Klimawandel gegen die konventionelle Landwirtschaft aus. Stegemann warnte davor, die hochproduktive, nachhaltige und innovative EU-Landwirtschaft herunterzufahren. Damit werde nur die Produktion verlagert.

Weit weg von der Realität



Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) sprachen mit Blick auf die Ablehnung des NLR-Vorschlagers durch den Landwirtschafts- und den Fischereiausschuss von einer „mutigen und umsichtigen Entscheidung“. Aus Sicht der beiden Dachverbände ist die Kommissionsvorlage weit weg von Rationalität und den Realitäten vor Ort. Dies liege zum einen an den nur mangelhaften Vorprüfungen der Auswirkungen einer Herausnahme von Flächen aus der land- und fortwirtschaftlichen Produktion durch die Kommission.

Ein weiteres Problem bestehe darin, dass die Zuständigkeiten für dieses Dossier zwischen den Fachausschüssen des EU-Parlaments leider ungleichmäßig verteilt seien, beklagten COPA und COGECA. So habe der Landwirtschaftsausschuss nur ein eingeschränktes Mitsprachrecht über wichtige Artikel zu den Agrar- und Waldökosystemen.

„Kurzsichtig und unverantwortlich“



Der Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Stefan Köhler, stellte derweil klar, dass die Landwirte zu ihrer Verantwortung für die Natur stünden. Trotzdem lehne man die NRL ab. „Wir sollten dabei aber immer in Kooperationen arbeiteten anstatt mit Ordnungsrecht. Nur so werden wir gemeinsam Verbesserungen erreichen“, konstatierte Köhler.

Beklagt wurde die Zurückweisung des Vorschlages von World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland. Dessen Referent für Naturschutzpolitik, Tobias Arbinger, bezeichnete die Entscheidung des Landwirtschafts- und des Fischereiausschusses als „kurzsichtig und unverantwortlich“. Die Stärkung der biologischen Vielfalt durch die Natur-Wiederherstellung stelle die Landwirtschaft nicht in Frage.

Laut Arbinger ist diese vielmehr Voraussetzung, um dauerhaft Landwirtschaft betreiben zu können. Die Versorgung mit Agrarprodukten sei abhängig von Ökosystem-Dienstleistungen wie zum Beispiel gesundem Wasser, gesunden Böden und der Bestäubung von Blütenpflanzen.
AgE
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