BMEL und Handel schließen Pakt zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen - Unternehmen verpflichten sich freiwillig zu konkreten Reduktionszielen - Lebensmittelspenden sollen ausgebaut werden - Thünen-Institut kontrolliert Maßnahmenerfolg jährlich - Vereinbarung gilt bis Ende 2031 - Unternehmen fordern weitere politische Unterstützung - SPD-Abgeordnete Hagl-Kehl begrüßt „ambitionierten Schritt“. (c) proplanta
Dazu hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Dienstag (27.6.) mit 14 Unternehmen des Groß- und Einzelhandels und dem Handelsverband Lebensmittel (BVLH) einen „Pakt gegen Lebensmittelverschwendung“ in Berlin unterzeichnet.
Die Unternehmen verpflichten sich damit auf messbare Reduzierungsziele. Die Lebensmittelabfälle in den teilnehmenden Unternehmen sollen demnach bis 2025 um 30 % verringert und bis 2030 halbiert werden. Insgesamt sind laut Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) mehr als 40 konkrete Maßnahmen Teil der freiwilligen, aber verbindlichen Vereinbarung.
Die Unternehmen werden demnach beispielsweise verstärkt Lebensmittel an sozialen Organisationen wie die Tafeln abgeben sowie die Kooperationen mit diesen verstärken. Auch Plattformen für Essenverteilungen sowie Mitarbeitende werden hier eine Rolle spielen können, heißt es bei der Unterzeichnung. Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern sollen beispielsweise künftig gezielt vermarktet werden können.
Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden dürfen oder können, sollen besser verwertet werden als bisher. „Wir haben gemeinsam verabredet, dass wir die Lebensmittelverschwendung im Handel entschlossen anpacken“, betonte Özdemir. Dies schone nicht nur Umwelt und Klima, sondern sei auch ein „Hebel im Kampf gegen den Hunger“ und sei außerdem ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft, die die Lebensmittel produziere, sagte der Minister.
Freiwilligkeit statt Gesetze
Das Ministerium setze hierbei bewusst nicht auf Ordnungsrecht, wie es andere Länder tun, sondern auf Freiwilligkeit, hob Özdemir hervor. Allerdings würden die Maßnahmen jährlich vom Thünen-Institut unabhängig überprüft, erläuterte der Grünen-Politiker. Dafür sei von der Ressortforschungseinrichtung kooperativ mit den Handelsunternehmen eine Messmethode für das Erfassen von Lebensmittelabfällen entwickelt worden.
Auch werden die Daten in einem Monitoringbericht zusammengefasst, der öffentlich zugänglich sein wird. Der Pakt sei zwar mit dem Handel geschlossen, aber die „zentrale Schnittstellenposition“ zwischen Lieferanten und Verbrauchern ermögliche es, die gesamte Lebensmittelversorgungskette zu adressieren, stellte Özdemir weiter fest. So werde Transparenz geschaffen und ein Stein ins Rollen gebracht, damit sich andere anschließen.
Die Vereinbarung setze ein Ziel des Koalitionsvertrages der Ampelregierung um. „Wir werden gemeinsam mit allen Beteiligten die Lebensmittelverschwendung verbindlich branchenspezifisch reduzieren, haftungsrechtliche Fragen klären und steuerrechtliche Erleichterung für Spenden ermöglichen“, heißt es darin. Dem BMEL zufolge gilt die Vereinbarung ab sofort bis zum 31. Dezember 2031. Doch mit der Besiegelung des Paktes fängt laut dem Minister die Arbeit erst richtig an.
Zwei Jahre Vorarbeit
„Der Pakt ist ein Meilenstein im Einsatz des Lebensmittelhandels für die Senkung von Lebensmittelverlusten“, betonte BVLH-Präsident Friedhelm Dornseifer. Zwei Jahre hätten Ministerium und Handel in einem konstruktiven Dialog auf dieses Ergebnis hingearbeitet. Ein Herzstück des Paktes ist aus Sicht Dornseifers der Ausbau der Zusammenarbeit mit in erster Linie sozialen Einrichtungen.
Bereits jetzt spendeten die im Bündnis engagierten Lebensmittelhandelsunternehmen jährlich schätzungsweise 74.000 t Lebensmittel, berichtete ergänzend BVLH-Politikleiter Christian Böttcher. Er forderte jedoch weitere politische Unterstützung, beispielsweise eine finanzielle Förderung sozialer Einrichtungen, die Lebensmittelspenden verteilen, sowie kennzeichnungsrechtliche Verbesserungen.
Breite Zustimmung aus der Politik
Die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion, Rita Hagl-Kehl, begrüßte die Initiative als „ambitionierten Schritt“, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Auch wenn freiwillige Vereinbarungen oft „zahnlose Tiger“ seien, geht sie von einer positiven Wirkung aus, da in diesem Fall der deutsche Lebensmitteleinzelhandel nahezu komplett an dem Vorhaben beteiligt sei.
Positiv hob die Abgeordnete hervor, dass zukünftig transparent werde, wie die Unternehmen ihren daraus resultierenden Verpflichtungen tatsächlich nachkommen. „Die jährlichen Berichte können dem Wettbewerb zwischen den Unternehmen nur beleben“, so Hagl-Kehl. Jedoch hänge der Erfolg auch vom Abstimmungsergebnis des Agrarministeriums mit den anderen Ressorts sowie den Ländern über die noch offenen haftungs- und steuerrechtlichen Fragen ab.
Auch die AfD-Bundestagsfraktion unterstützt die Initiative. „Wir erneuern deshalb unsere Forderung, Lebensmittelspenden an gemeinnützige Organisationen durch steuerliche Anreize und den Abbau von Haftungsrisiken stärker zu fördern“, sagte deren ernährungspolitischer Sprecher, Peter Felser.