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17.05.2020 | 14:16 | Corona-Krise 

Sachsens Energieminister sieht Blick für Probleme der Energiewende geschärft

Dresden - Die Corona-Krise hat nach Ansicht von Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) Probleme der Energiewende und Chancen gleichermaßen deutlich gemacht.

Energiemarkt
«Wir sitzen gerade in einer Art Zeitmaschine und können in die Zukunft der Energiewende schauen», sagt Sachsens Energieminister Wolfram Günther. Tatsächlich spielen sich in der Branche Entwicklungen ab, die schon heute Antworten auf die Probleme von morgen verlangen. (c) proplanta
«Wir müssen uns schneller auf die mit dem Kohleausstieg verbundenen Fragen konzentrieren als ursprünglich gedacht. Durch die Krise öffnet sich ein Fenster und wir können sehen, welche Versorgungs- und Entsorgungsprobleme zu lösen sind», sagte Günther der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. Durch die Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate finde der bis 2030 geplante Kohleausstieg in Teilen praktisch schon jetzt statt.

«In diesem Jahr gab es bisher witterungsbedingt eine hohe Einspeisung erneuerbarer Energien in das Netz. Und es kam zu einer völlig neue Situation bei den fossilen Kraftwerken», erklärte der Minister.

Wegen der sehr niedrigen Gaspreise hätten Gaskraftwerke Strom zum Teil billiger herstellen können als Kohlekraftwerke: «Das führte dazu, dass die sächsischen Kohlekraftwerke in den ersten vier Monaten dieses Jahren gut ein Drittel weniger Strom produzierten als sonst. Das ist eine Konstellation, die wir eigentlich erst im fortgeschrittenen Stadium des Kohleausstieges erwartet hatten.»

Laut Günther haben die mit der Krise einhergehende sinkende Nachfrage und der Preisverfall am Strommarkt dazu geführt, dass vor allem kostengünstiger Strom aus erneuerbaren Energien gefragt war: «Der in Ostdeutschland produzierte Strom stammte in den ersten vier Monaten des Jahres zu 65 Prozent aus regenerativen Energien, im Februar waren es sogar 85 Prozent. Wir hatten solche Werte im Zuge der Energiewende erst für 2030 angenommen.»

Für die Netzbetreiber sei das unproblematisch gewesen, das Netz stabil geblieben: «Das ist eine gute Nachricht. Der Stresstest wurde bestanden», sagte der Minister.

Zugleich sieht Günther aber ein dringend zu lösendes Problem. Denn deutlich sinkende Börsenstrompreise in Kombination mit der Einspeisevergütung für Erneuerbare Energien (EEG) sorgen dafür, dass die Diskrepanz zwischen dem Marktpreis und den garantierten Vergütungen für die Einspeisung «sauberer» Energien nun deutlich steigt. Das führt am Ende zu einer Erhöhung der Umlage und damit auch der Preise für die Verbraucher. Denn getragen wird die EEG-Umlage von privaten und gewerblichen Stromkunden, mit Ausnahme energieintensiver Betriebe.

Prognosen gehen davon aus, dass die EEG-Umlage von derzeit knapp 6,8 Cent pro Kilowattstunden 2021 auf acht bis zehn Cent steigen könnte. Für einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 3.000 Kilowattstunden wären das mindestens 50 Euro mehr im Jahr.

«Das hatte keiner auf dem Radar, auch die Forschungsinstitute und die Bundesregierung nicht. Man nahm an, die EEG-Umlage würde sinken, wenn die ersten alten Anlagen nach 20 Jahren aus der Vergütung gehen», sagte Günther.

Der zentrale Punkt, um einen fairen Preis zu bekommen, sei eine Reform der EEG-Umlage: «Wir wollen auf keinen Fall, dass der Strompreis für private Verbraucher sowie kleine und mittelständische Betriebe steigt.» Das wäre schon mit Blick auf die notwendige Stabilisierung nach der Corona-Krise mehr als kontraproduktiv. Eine Lösung könne darin bestehen, den CO2-Zertifikatehandel auszuweiten oder die EEG-Umlage aus anderen Töpfen mitzufinanzieren.

«Wir müssen eine Menge Probleme, die wir erst im Zuge des Kohleausstiegs lösen wollten, schon jetzt anpacken», sagte Günther. Als Beispiel nannte er auch die Entsorgung von Klärschlamm und Müll, die als Ersatzbrennstoffe in den Kraftwerken der Kohle beigemengt werden. Im Kraftwerk Lippendorf würden pro Jahr so 300.000 Tonnen Klärschlamm verbrannt.

«Wenn ein Kraftwerksblock tage- oder wochenlang wegen Unrentabilität ausfällt, haben wir ein Entsorgungsproblem. Auch das ist eines der Ausstiegsprobleme, die wir erst in den 2030er Jahren erwartet hatten. Sie stehen aber jetzt schon an. Die Braunkohle ist kein sicherer Kandidat mehr.»
dpa/sn
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