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23.09.2013 | 17:30 | Bundestagswahlen 2013 

Was die Regierungsbildung so kompliziert macht

Berlin - SPD und Grüne wollten den Politikwechsel. Doch stattdessen stehen sie nun vor der Frage, ob sie mit der erstarkten Union von Kanzlerin Angela Merkel die Möglichkeiten einer Regierungskoalition ausloten wollen. Die Begeisterung darüber ist auf keiner Seite groß.

Regierungsbildung
(c) Pressefoto

Welche Koalition gilt als die wahrscheinlichste?


Eine Analyse der Wahlprogramme zeigt: Am ehesten wäre eine neuerliche Koalition von Union und SPD denkbar. In der Arbeitsmarkt-, Sozial-, Renten- und Finanzmarktpolitik scheinen Kompromisse relativ schnell möglich. Mit den Grünen ist es dagegen schon schwieriger.

Auch wenn die Zeit der ganz tiefen Gräben vorbei ist, seitdem Merkel den Atomausstieg durchgesetzt hat - in den Wahlaussagen von Union und Grünen finden sich nur wenig echte Schnittmengen. Umwelt-, Steuer-, Sozial- und Familienpolitik, das Betreuungsgeld und die Rüstungsexporte könnten zu großen Stolpersteine werden.

Warum ist die SPD so zurückhaltend?


Zum einen hat sie in der großen Koalition mit Merkel (2005 bis 2009) schlechte Erfahrungen gemacht. Die SPD hatte damals wichtige Schlüsselressorts wie Arbeit und Soziales, Außen und Finanzen besetzt. Die unangenehmen Projekte, wie die Einführung der Rente mit 67 und die Umsetzung der Hartz-IV-Gesetze, wurden später vom Wähler der SPD angelastet. Regierungserfolge dagegen - wie die Überwindung der schweren Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 - wurden Merkels Konto zugerechnet, obwohl SPD-Finanzminister Peer Steinbrück wesentlich daran beteiligt war. Zum anderen fürchtet die SPD-Basis, dass bei einer großen Koalition zu viele Kompromisse nötig werden und damit Profilverlust droht.

Was könnte Merkel der SPD anbieten?


Es müsste schon die Realisierung von zwei, drei großen SPD-Reformvorhaben sein - etwa die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns oder der Abbau von prekärer Beschäftigung. Oder eine zusätzliche Steuer für mehr Bildungsinvestitionen und Infrastruktur, die Abschaffung des Kooperationsverbotes in der Bildung, mehr Bundesgeld für Hochschulen und Ganztagsschulen. Zu letzterem hat sich Merkel bereits im Wahlkampf bekannt, die Finanzierung aber völlig offen gelassen. Im übrigen sieht sich die Kanzlerin bei den Koalitionsverhandlungen natürlich auch den Forderungen einer erstarkten CSU ausgesetzt.

Könnte die Union notfalls auch allein regieren?


Merkel hat bekundet, sie sterbe «stabile Verhältnisse» an - auch angesichts einer noch nicht ausgestandenen Euro-Krise. Zudem braucht sie für ihre erneute Wahl zur Bundeskanzlerin mindestens vier Stimmen aus den anderen Fraktionen. Haushaltstechnisch wäre eine Alleinregierung dann zwar dann eine Zeit lang möglich. Größere Reformen ließen sich aber so kaum auf den Weg bringen. Kritisch wäre dies auch im Fall neuer internationaler Krisen.

Welche Rolle spielt der Bundesrat?


Unabhängig von der künftigen Regierungsbildung in Hessen scheint die rot-rot-grüne Mehrheit in der Landeskammer bis ins Jahr 2016 hinein als relativ gesichert. Viele größere Reformvorhaben, etwa bei der Steuer, der Mütterrente und der Energiewende, bedürfen der Zustimmung der Länderkammer. Das gilt erst recht für die Abschaffung des Kooperationsverbotes. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

Erleichtert eine große Koalition die Abstimmung mit dem Bundesrat?


Grundsätzlich ja. Die Ministerpräsidenten der Länder sind bei der Kompromisssuche zu wichtigen Projekte in ihren Parteivorständen politisch eingebunden. Gleichwohl handelt es sich bei den Landesregierungen mit Ausnahme von Bayern und Hamburg auch um Koalitionsregierungen. Spötter sagen: Bei einer großen Koalition von Union und SPD im Bund säßen zugleich auch die Grünen über den Bundesrat quasi mit am Katzentisch des Bundeskabinetts.

Gibt es Bedenken in der Union gegen Schwarz-Rot?



Ja, erhebliche. Konservative CDU-Politiker fürchten eine weitere «Sozialdemokratisierung» ihrer Partei. Zudem halten sich in der Union auch die Befürchtungen, die SPD könnte Mitte der Wahlperiode den Koalitionsbruch wagen und es doch noch mit Rot-Rot-Grün im Bund versuchen. In der CSU wiederum fürchtet man um Einfluss. Denn bei Koalitionsgesprächen bringen die CDU mit ihren 255 Mandaten und die SPD mit ihren 192 natürlich ganz andere Gewichte auf die Waagschale als die CSU mit ihren 56 Abgeordneten. Im Konfliktfall wäre dann eine CSU-Drohung mit Aufkündigung der Koalition nur bedingt wirkungsvoll.
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