Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
26.03.2022 | 11:30 | Explodierende Preise 

Inflationsangst wächst: Ukraine-Krise trifft deutsche Wirtschaft

Nürnberg - Volkswirte führender deutscher Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen sehen wegen der Ukraine-Krise eine erhöhte Gefahr dauerhafter Inflation.

Inflationsangst wächst
Benzinpreise von weit über zwei Euro pro Liter und teure Lebensmittel - die Angst vor einer dauerhaften Inflation wird größer. Ökonomen schauen inzwischen genauer auf die Lohnabschlüsse der Tarifpartner. (c) proplanta
«Das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale ist deutlich höher geworden», sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm in einer dpa-Umfrage. «Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass wir mittelfristig eine Lohn-Preis-Spirale sehen werden», sagte auch Marc Schattenberg von Deutsche Bank Research.

Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen KfW-Gruppe, sagte: «Die Inflation kann weiter steigen und sich wenigstens vorübergehend verfestigen». In jedem Fall seien die wirtschaftlichen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine gravierend für Deutschland.

Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe sieht das ähnlich: «Der deutschen Wirtschaft stehen schwere Zeiten bevor. Die abstürzenden Frühindikatoren belegen, dass der Einmarsch Russlands in der Ukraine auch eine konjunkturelle Zäsur eingeläutet hat.»

Sie geht von einem Wachstum von nur noch 1,8 Prozent in diesem Jahr in Deutschland aus - dafür von einer Inflation von sechs Prozent im Jahresdurchschnitt. Das Ziel der EZB liegt bei etwa zwei Prozent.

Dafür, dass es zu unmäßigen Lohnabschlüssen kommt, gebe es aber derzeit keine schlüssigen Anzeichen, betonte Utermöhl. «Angesichts der stark erhöhten konjunkturellen Unsicherheit gehe ich auch davon aus, dass die Gewerkschaften ihre Lohnforderungen teilweise etwas zurückschrauben werden», sagte die Allianz-Volkswirtin. Dies sei auch deshalb möglich, weil der Staat bei privaten Haushalten entlastet.

Schattenberg befürchtet auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. «Es könnte sein, dass die Erholung auf dem Arbeitsmarkt kurzfristig gebremst wird oder sogar zum Erliegen kommt», sagte er. Im März sei aber noch einmal ein Rückgang der Arbeitslosigkeit zu erwarten.

Die Bundesagentur für Arbeit legt ihre März-Statistik am kommenden Donnerstag (31.3.) vor. Für das Wirtschaftswachstum ist Schattenberg noch vergleichsweise optimistisch. «Wir haben unsere Wachstumsprognose deutlich nach unten korrigiert», sagte er zwar. Er erwartet aber immer noch ein Wachstum um 2,7 Prozent, sollte es nicht zu einem Gaslieferstopp aus Russland kommen.

Nach Einschätzung von Veronika Grimm müssen sich die Deutschen aber dauerhaft auf höhere Preise einstellen. «Auch wenn es nicht zu einem Lieferstopp kommt: Das Gas anderer Lieferanten wird teurer sein», sagte Grimm. Es gelte nun, Erneuerbare Energien rasch auszubauen. «Da muss man tun, was geht.» Jedoch sei eine Kompensierung vor Ablauf von drei bis fünf Jahren auf diesem Weg nicht realistisch.

Verschärft werde die Problematik durch höhere Preise für Dünger und Lebensmittel. «Das wird zu einer Hungerkrise führen, die vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer trifft», sagte Grimm. Russland und die Ukraine hätten einen Anteil von 14 Prozent an der globalen Weizenproduktion und generell einen großen Anteil an globalen Agrarexporten.

«Das wird die dritte große Krise des Jahrzehnts.» Industrieländer seien dagegen in der Lage, höhere Preise zu zahlen. Herausfordernd werde es für die Europäische Zentralbank, das erwartbar geringe Wachstum mit den dauerhaft hohen Preisen geldpolitisch in Einklang zu bringen.

Köhler-Geib sieht im Falle eines Lieferstopps die Gefahr einer Rezession, zumindest in der Industrie. «Ohne staatliche Abstützung durch Kurzarbeit wäre dann mit einem erheblichen Beschäftigungsrückgang in energieintensiven Branchen zu rechnen», betonte sie. Für die Gesamtwirtschaft könnte der Beschäftigungsanstieg dadurch vorübergehend zum Erliegen kommen.

«Bleibt der Lieferstopp aus, ist eine gedämpfte konjunkturelle Erholung ab dem Frühjahr wahrscheinlich.» Zu alldem kämen die Gefahren der Corona-Pandemie. Ein erneutes Hochschnellen der Infektionen, der Hospitalisierungen und der Todesopfer durch Omikron oder neue Virusmutanten sei möglich. Köhler-Geib mahnte deshalb zur Vorsicht bei weiteren Lockerungen beim Infektionsschutz.
dpa
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Ukraine: Agrarminister reicht nach Korruptionsvorwurf Rücktritt ein

 Trendwende in Sicht? Bundesregierung hebt Konjunkturprognose leicht

 Union für EU-Importverbot für Agrarprodukte aus Russland

 Kleinere Getreideernte in Russland erwartet

 Deutsche sitzen auf Geldbergen - üppiger Geldregen für Aktionäre

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken