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06.01.2011 | 16:02 | Dioxin-Skandal 

Kuhbauer muss seine Milch wegschütten

Rahden - Der Edelstahltank im kleinen, verkachelten Raum neben dem Kuhstall quillt bald über. Bis zum Rand ist er mit Milch gefüllt, und Landwirt Jürgen Spreen-Ledebur weiß nicht, wohin damit.

Kuhmilch
Seit Jahrzehnten beliefert seine Familie eine große Molkerei mit Milch, Tag für Tag. Bis vorgestern. Seitdem steht alles still. Der Hof im nördlichsten Zipfel Ostwestfalens wurde gesperrt, bis klar ist, ob in dem Kraftfutter, das die Landwirte ihren Milchkühen geben, dioxinverseuchtes Fett enthalten ist.

Jürgen Spreen-Ledebur kann nichts dafür, dass sein Futter möglicherweise mit Dioxin belastet ist. Trotzdem muss der 58-Jährige die Konsequenzen tragen. Das regt den sonst so freundlichen und optimistischen Mann auf. Seinem Ärger hat der Landwirt auch im Fernsehen Luft gemacht. Am Donnerstagnachmittag stellte er sich inmitten seiner 150 Kühe für die Reporter von RTL vor die Kamera. «Ich bin wütend, weil die Landwirtschaft wieder unverschuldet in negative Schlagzeilen gerät» erzählt er den Reportern. «Unser Image leidet.»

Im Rampenlicht steht der Landwirt sonst nicht. Der Hof in dem 2.000-Seelen-Dorf Preußisch Ströhen, auf dem er mit seiner Frau Sigrid und seinen 19 und 20 Jahre alten Söhnen wohnt, ist seit Jahrhunderten in Familienbesitz. Eine schmale Straße führt von der Landstraße an abgemähten Feldern vorbei zu dem Anwesen, zu dem Scheunen, Stallungen und das große, verwinkelte Wohnhaus der Familie gehören. Spreen-Ledebur hat Hof und Land von seinen Eltern geerbt und wird all das eines Tages an seinen jüngsten Sohn Stefan weitergeben. Bisher lief das Geschäft immer.

Deshalb kam der Anruf des Veterinäramtes am Dienstagabend auch völlig überraschend. Am Morgen hatte Sigrid Spreen-Ledebur noch in der Zeitung von dem Dioxin-Skandal gelesen. «Ich hab noch gedacht: die armen Milchbauern!», sagt sie. «Und jetzt hat es tatsächlich auch uns erwischt.» Am Morgen danach standen auch schon Vertreter des Veterinäramtes und der Molkerei in der Hofeinfahrt, nahmen Milch- und Futterproben. Obwohl noch nichts nachgewiesen ist, dürfen die Spreen- Ledeburs ihre Milch seitdem nicht mehr ausliefern. Denn der Futterlieferant aus dem Nachbarort bezieht seine Rohstoffe von dem Hersteller Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein. Deshalb steht auch die Milch der Spreen-Ledeburs unter Pansch-Verdacht.

Eine Woche kann es dauern, bis das Ergebnis der Milchprobe da ist. Nur wenn das Ergebnis der Futterprobe, das früher kommen soll, harmlos ist, können die Landwirte in Preußisch Ströhen auch schon früher wieder verkaufen. Um möglichst viel Milch speichern zu können, hat Jürgen Spreen-Ledebur extra noch einen Ersatzbehälter besorgt. Der steht jetzt auf dem Hof. «Aber ab morgen müssen wir das, was wir da drin haben, in die Gülle kippen», sagt er. 1.600 bis 1.700 Liter sind das am Tag, 500 bis 600 Euro weniger verdienen die Landwirte dadurch täglich an ihrer Milch. «Und die Kühe müssen wir ja trotzdem weiter melken», erklärt Sigrid Spreen-Ledebur.

Zweimal am Tag trotten die Kühe aus ihren Boxen in die Melkanlage, immer zwölf auf einmal. «Wenn wir die Tiere nicht melken, schmerzen ihre Euter», sagt Sigrid Spreen-Ledebur. Verschwendung sei das. Und für die Landwirte ein geschäftlicher Verlust, für den zunächst niemand aufkommen werde: «Wenn wir die Milch wegschütten, bezahlt uns das doch erstmal keiner.»

Sorgen um ihre Existenz machen sich die Ostwestfalen deshalb aber noch lange nicht. Nur für die Landwirtschaft wünschen sie sich endlich mal wieder gute Schlagzeilen. Für die Zeit nach dem Dioxin-Skandal hat Jürgen Spreen-Ledebur auch schon eine parat: «Alles läuft normal und der Verbraucher hat wieder Vertrauen in die Landwirtschaft.» (dpa)
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