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31.05.2009 | 09:19 | Agrarflächen  

Neokolonialismus: Wenn Bänker zu Bauern werden

Washington/München - Banken, Investmentfonds und internationale Konzerne haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt auf Ackerland in ärmeren Ländern gestürzt.

Neokolonialismus
(c) proplanta
Dabei nutzen sie für strategische Investitionen nicht nur Finanzprodukte wie Agrarlandfonds oder Derivate um an der Wertschöpfungskette partizipieren zu können. Darüber hinaus kaufen sie sowohl ganze Ackerböden als auch Schweine- oder Geflügelfarmen auf und beteiligen sich am physischen Handel mit Agrarrohstoffen. Dieses relativ neue Mrd.-Geschäft kann für die Bevölkerung und die ansässigen Bauern vor Ort sowohl positive als auch negative Folgen haben. Kritiker wie die Welternährungsorganisation FAO warnen vor einer Verdrängung kleiner Farmer durch internationale Konzerne und sprechen von Neokolonialismus.

Die Nahrungsmittelkrise der vergangenen beiden Jahre sowie die aktuelle Wirtschaftskrise tragen dazu bei, dass das Engagement in der Agrarwirtschaft ärmerer Länder durch Finanzkonzerne und Unternehmen wie auch andere Staaten zunimmt. Vonseiten der staatlichen Käufer wird etwa versucht, die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu sichern, nachdem Ausfuhrverbote im Zuge der Nahrungsmittelkrise zu Engpässen und Teuerungen führten. Die Wirtschaftskrise sorgt zudem dafür, dass örtliche Agrarunternehmen ihre Böden verkaufen müssen und die Preise für Investoren derzeit niedrig sind. Zwar kann die Bevölkerung in den Zielmärkten von Vorteilen wie Infrastruktur- oder Arbeitsplatzaufbau profitieren. Probleme ergeben sich hingegen, wenn sie beim Entscheidungsprozess über die Landverteilung nicht einbezogen wird und Landbesitzrechte nicht respektiert werden.

Dem Institut für Ernährungspolitik Ifpri zufolge wurde durch ausländische Investoren bereits eine Summe von bis zu 30 Mrd. Dollar in den Erwerb von Ackerflächen in Schwellen- und Entwicklungsländern gepumpt. Innerhalb der vergangenen drei Jahre seien weltweit 15 bis 20 Mio. Hektar Agrarland in ärmeren Ländern verkauft worden oder Gegenstand von Verkaufsverhandlungen gewesen. Viele Staaten würden jedoch nicht über einen angemessenen Rechtsschutz zugunsten der Farmer verfügen, weshalb die Bauern häufig dem Druck der finanzstarken Investoren weichen müssen. Allerdings können sich die Mrd.-Engagements auch für die Agrarwirtschaft der investierenden Industrieländer als Nachteil erweisen. Angesichts von Billig-Importen durch die neuen Agrargiganten geraten die Bauern unter Preisdruck. "Die Konkurrenzfähigkeit der Landwirte hängt nicht unbedingt von der Größe ihrer Betriebe ab. Vielmehr sind es Rahmenbedingungen wie etwa Subventionen, die die Verhältnisse in der Landwirtschaft vorgeben", meint Manfred Schöpe, Experte für Agrarwirtschaft beim Institut für Wirtschaftsforschung ifo.

In Madagaskar hatte eine Vereinbarung über die 99 Jahre lange Verpachtung von 1,3 Mio. Hektar Ackerland, was rund der Hälfte des gesamten fruchtbaren Bodens des Landes entspricht, an ein multinationales Unternehmen aus Korea zuletzt für politische Folgen gesorgt. Einem Zenit-Bericht zufolge wurde der damalige Präsident angesichts des Unmuts der Bevölkerung zum Rücktritt gezwungen, wenngleich der Konzern die Zahlung von Mrd.-Summen und neue Arbeitsplätze ankündigte. Wie das Wirtschaftsmagazin Capital berichtet, sind internationale Finanzkonzerne wie etwa Goldman Sachs oder Morgan Stanley in der Landwirtschaft engagiert. So habe Goldman Hunderte Mio. in Geflügel- und Schweinefarmen investiert. Morgan Stanley habe 40.000 Hektar Ackerland in der Ukraine aufgekauft. Nach Meinung von Investment-Managern seien derartige Geschäfte in der Agrarwirtschaft "als strategisches Investment absolut sinnvoll". (pte)
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