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03.04.2020 | 11:15 | 2. Statusbericht 

Update: Agrarmärkte durch Corona-Krise unter Druck

Berlin - Die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Verbraucher auf eine funktionierende Logistik angewiesen sind. Die steht aber gehörig unter Stress.

Agrarmärkte - 2. Statusbericht
(c) elypse - fotolia.com
Geschlossene Restaurants einerseits, eine starke Nachfrage im Einzelhandel andererseits haben die Warenströme plötzlich und tiefgreifend verändert.
Der Warenverkehr an den Grenzen im europäischen Binnenmarkt war gestört, läuft aber wieder. Die Frage der grenzüberschreitenden Verfügbarkeit von Arbeitskräften wird drängender – in der Landwirtschaft, in der Ernährungswirtschaft und in der Logistik. Nachfolgend ein aktueller Bericht der DBV-Marktexperten mit Informationen der Agenturen AMI, MEG Eier und Geflügel sowie ZMB über wichtige Agrarmärkte in dieser Woche.

Milch

  • Die Inlandsnachfrage ist weiter stark vom Coronavirus-Geschehen beeinflusst. Im LEH sind vor allem lagerfähige Produkte (H-Milch, Sahne, Butter, Schnittkäse, usw.) stark gefragt. Gleichzeitig gibt drastische Nachfragerückgänge aus dem Hotel- und Gaststättenbereich. Die Molkereien stehen vor vielen logistischen Herausforderungen, z.B. vermehrte Klein-Verpackungen. Je nach Produktportfolio sowie bisherigem Absatzkanal sind die Molkereien unterschiedlich stark von den aktuellen Einschränkungen betroffen.
  • Im EU-Binnenmarkt kam es an den Grenzen vorübergehend zu längeren Staus und Wartezeiten, was sich jedoch in den vergangenen Tagen entspannt hat. Zum Teil fehlen LKW-Fahrer aus Osteuropa.
  • Bei Butter und Käse wird der Nachfragerückgang durch Großabnehmer durch die stark gestiegene Nachfrage im Lebensmittelhandel zum Teil mehr als kompensiert. Die Preisverhandlungen zwischen Molkereien und Lebensmittelhändlern für Käse und Butter mit Gültigkeit ab dem 1. April 2020 konnten dementsprechend mit einem Plus abgeschlossen werden.
  • Anders ist die Lage bei Milchpulver: China ist wichtigster Importeur von Molke-, Mager- und Vollmilchpulver. Es bestehen weiter Unsicherheiten, wie schnell China seine Wirtschaft und die Häfen wieder ins Laufen bringt. Ein längerer Ausfall wäre sehr belastend für den Milchmarkt. Inzwischen stehen wieder mehr Leercontainer in den europäischen Häfen zur Verfügung, allerdings sind die Kosten für Container und Frachten deutlich gestiegen. Auch die Magermilchpulver-Kurse an der EEX weisen eine fallende Tendenz auf und liegen für die kommenden Monate deutlich unter 2.000,- EUR/Tonne.
  • Die Milcherzeugerpreise liegen derzeit bei ca. 33 Ct/kg, was dem langjährigen Mittelwert entspricht. Die in Deutschland erzeugte Milchmenge liegt höher als im Vorjahr. Während sich vor zwei Monaten die Marktakteure an der EEX auf einen Börsenmilchwert für die Monate April-Dezember 2020 in Höhe von durchschnittlich 37,1 Ct/kg gesetzt haben, liegt dieser Wert heute bei 26,1.

Schwein / Rind / Schaf
  • Bei Schlachtschweinen hat sich die erste Verunsicherung über die Absatzmöglichkeiten gelöst. Das zunächst relativ umfangreiche Schlachtschweine-Angebot hat sich verringert, so dass ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Angebot der Schweinehalter und Nachfrage seitens der Schlachtereien besteht. Die VEZG Preisempfehlung vom 1.4.2020 liegt wie in der Vorwoche bei 1,89 EUR/kg Schlachtgewicht.
  • Gegenüber den vorangegangenen zwei Wochen hat sich die Nachfrage im LEH beruhigt. Die Konsumenten scheinen sich eingedeckt zu haben. In den kommenden Tagen und Wochen wird mit einer Belebung der Grillfleischnachfrage gerechnet.
  • Allmählich nehmen die Lieferungen von gefrorenem Schweinefleisch nach China wieder zu. Es wird auf hohem Niveau geschlachtet, auch um die Gefrierbestände wieder zu füllen.
  • Der Schlachtrindermarkt hat sich stabilisiert, ist aber weiterhin von Unsicherheit geprägt. Aufgrund der Corona-Krise ist die zum Osterfest übliche Marktbelebung, verbunden mit Preisaufschlägen, ausgeblieben. Gerade Rindfleisch ist im Außer-Haus-Verzehr beliebt und leidet unter den Schließungen der Gastronomie und vieler Kantinen. Insofern sollten die Importe von Rindfleisch zurückgefahren und zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft regional erzeugtes Rindfleisch verwendet werden.
  • Nach dem Preiseinbruch in den Vorwochen haben sich die Preise für 'Schlachtkühe immerhin gefangen, für Jungbullen konnten sogar etwas höhere Preise erzielt werden. Die Mäster blicken dennoch mit Sorge in die Zukunft, zumal das Angebot an schlachtreifen Tieren zuletzt etwas zugenommen hat, so dass der Handel in den kommenden Wochen und Monaten schwierig bleiben dürfte.
  • Lammfleisch: Die Beschränkungen der Coronavirus-Pandemie haben aktuell die nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen EU-Ländern zu einem Nachfragerückgang geführt. Zuvor waren die Lammfleischpreise bis Anfang März angestiegen auf bis zu 6 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Doch innerhalb einer Woche ist der Preis um über 30 Cent pro Kilogramm Schlachtgewicht gesunken.
  • Der Außer-Hausverzehr von Lammfleisch findet aufgrund der bekannten Einschränkungen nicht mehr statt. Auch der Verkauf im LEH geht eher zurück. Verunsicherung besteht auch bei den Direktvermarktern, wo der Absatz von Lammfleisch deutlich zurückhaltender als in den Vorjahren ist.
  • Weiter sorgt in der Schlacht- und Verarbeitungsindustrie die Frage der Verfügbarkeit von Arbeitskräften aus anderen EU-Mitgliedstaaten aufgrund von Reisebeschränkungen für erhebliche Verunsicherung.
Eier und Geflügel
  • Verbraucher haben sich im LEH auch mit Eiern bevorratet. Dagegen ging der Absatz von Eiern im Außer-Haus-Verbrauch stark zurück. Im Monatsverlauf kam es insbesondere bei deutscher KAT-Ware mit weiteren Spezifizierungen (z.B. VLOG-Zertifizierung, unkupierte Schnäbel) zur Verknappung. Abgesehen von der Menge des Angebots führte die aktuelle Situation auch zu Herausforderungen bei Logistik und Verpackungen.
  • Am Geflügelmarkt berichten Marktteilnehmer von deutlich steigenden Preisen für Importware, was die Situation für Inlandsware verbessert. Die hiesige Produktion von Hähnchenfleisch wurde flott vom Markt aufgenommen. Die Großhandelspreise tendierten für lose gehandelte Ware fester. Mit dem Nachfrageboom im Lebensmitteleinzelhandel endete die in den vorherigen Monaten zu verzeichnende Schwächeneigung der Preise für Putenbrust. Die beschränkte Einreise von Arbeitskräften betrachtet auch die Geflügelbranche mit Sorge. Es bleibt abzuwarten, ob alle Lieferketten und Produktionsabläufe aufrechterhalten werden können.

Getreide und Ölsaaten
  • Die Terminmarktnotierungen für Weizen sind in den zurückliegenden Tagen weiter gestiegen und erreichten für Mai 2020 zwischenzeitlich 198 Euro/t. Ursächlich hierfür ist die lebhafte Rohstoffnachfrage der Verarbeitungsindustrie, welche sich aus der weiterhin hohen Verbrauchernachfrage nach Getreideprodukten wie Mehl, Brot und Nudeln ergibt. Die höheren Terminmarktnotierungen beflügeln auch die Erzeugerpreise für Brotweizen der Ernte 2019, für den im Bundesdurchschnitt wieder knapp 170 Euro/t erlöst werden können – eine Steigerung von rund 10 Euro/t innerhalb von einer Woche. Mit Blick auf die Vermarktung der Ernte 2020 finden Verkäufer und Käufer angesichts der gestiegenen Preise derzeit nicht zusammen.
  • Etwas Verunsicherung in die Märkte bringt die von Russland erwogene Exportbegrenzung auf 7 Mio. Tonnen Getreide im Zeitraum April bis Juni, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu sichern und die Inlandspreise zu stabilisieren. Diese Exportquote entspräche aber nur den ohnehin zu erwartenden Exportmengen Russlands.
Obst und Gemüse
  • Äpfel räumen weiter zügig, jetzt aber wieder auf normalem Niveau bei leicht anziehenden Preisen. Die Marktversorgung reicht voraussichtlich bis zur Ernte ab August/September.  
  • Lagergemüse (u.a. Kohl, Porree, Möhren, Zwiebel) räumt stabil, die Marktversorgung reicht bis voraussichtlich Mai. Die Preise sind insgesamt stabil. Allerdings gibt es auch hier starke Schwankungen. Nach einer hektischen Woche 12 war es in der Kalenderwoche 13 bei allen Lagergemüsearten sehr ruhig. Die Nachfrage nach z.B. Salatgurken und Rhabarber war letzte Woche unzureichend, jetzt wieder normalisiert.  
  • Insgesamt bleibt die deutliche Verlagerung der Versorgung stärker über den Lebensmitteleinzelhandel, weg von Restaurants, Großkantinen usw.  
  • Die Importe von Gemüse laufen, derzeit im Wesentlichen aus Italien und Spanien und jetzt zunehmend auch aus den Niederlanden und Belgien, dabei haben sich die Preise nach der Überhitzung am letzten Wochenende wieder normalisiert.  
  • Die Order des Lebensmittelhandels und die Nachfrage verlaufen derzeit in „Wellen“.  
  • Es gibt weiter große Unsicherheit bei den heimischen Betrieben aufgrund fehlender Saisonkräfte bei derzeit laufenden Pflanzarbeiten u.a. bei Salaten, Kohl und vielen anderen Gemüsearten sowie bei der beginnenden Ernte beim Frühgemüse und -obst wie Spargel, Rhabarber, Salaten und Erdbeeren und Salatgurken bleibt bestehen. Derzeit ungewiss, wie die Arbeiten erledigt werden können und in welchem Umfang. Eine schnelle Öffnung der Einreise von Saisonarbeitskräften aus z.B. Polen und Rumänien dringend, um negative Auswirkungen auf die heimische Versorgung im weiteren Saisonverlauf abzuwenden.
Kartoffeln
  • Der faktische Wegfall des Außerhaus-Verzehrs bringt den Absatz von Pommes Frites in ganz Europa praktisch zum Erliegen. Einige Verarbeiter haben die Produktion bereits stillgelegt bzw. planen dies. Marktexperten schätzen für Nordwest-Europa einen Überhang an Fritten-Kartoffeln von rund 2 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Die gesamte Kartoffelernte Deutschlands beträgt etwa 10 Millionen Tonnen. 
  • Demgegenüber läuft der Absatz von abgepackten Speisekartoffeln über den LEH weiter zügig.

Lebensmittel aus ökologischem Landbau
  • Der mit Abstand wichtigste Öko-Absatzweg ist der LEH und dort wird seit Ende Februar deutlich mehr verkauft. Der Naturkostfachhandel berichtet von 30 bis 60 Prozent mehr Umsatz, besonders bei Getreideprodukten, Kartoffeln und Molkereiprodukten. Einige Konsumenten sind offenbar bereit, als Ausgleich für wegfallende Restaurantbesuche mehr für höherwertige Lebensmittel auszugeben. Mit Problemen müssen Direktvermarkter rechnen, da z.T. Wochenmärkte gesperrt werden. 
  • Es zeichnen sich dabei Engpässe in der Distribution, durch einen Mangel an Saison-Arbeitskräften und durch eine langsamere Grenzabfertigung ab. Außerdem wird ab Sommer wird ein Mangel an Öko-Sojabohnen aufgrund von Exportsperren der Hauptlieferländer China und Indien befürchtet, was wiederum den Anbau heimischer Eiweißpflanzen interessanter macht.
Futtermittel
  • Die EU-Kommission hat mit den „Green Lanes“ zur Aufrechterhaltung der Futtermittelversorgung beigetragen. In der Binnenschifffahrt läuft alles wieder reibungslos. Wie sich die neuen Quarantäne-Maßnahmen Ungarns auf die Verfügbarkeit von Schiffsbesatzungen auf der Donau auswirken, bleibt abzuwarten. 
  • Nachdem mit dem ersten Ausbruch von Corona in China die Versorgung mit Vitaminpräparaten ins Stocken geriet und die Preise hierfür in die Höhe schossen, ist die Versorgungslage heute wieder sichergestellt.  
  • Der Internationale Getreiderat (IGC) schätzt die weltweite Sojaernte auf 366 Millionen Tonnen gegenüber 341 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr.
  • Plötzlicher Nachfrageschub: Mit Blick auf die überraschend angeordneten Grenzschließungen und Diskussionen um die Verfügbarkeit von Transportkapazitäten orderten deutsche Viehhalter Mitte März große Mengen an Mischfutter. Die massiven Käufe befeuerten die Mischfutterherstellung und ließen die Nachfrage nach Proteinkomponenten deutlich ansteigen. Beim Sojaschrot kamen weitere preistreibende Einflüsse vom Weltmarkt dazu. Infolge der rasant gestiegenen Nachfrage sind die Preise für Sojaschrot seit Mitte März um durchschnittlich 19 Prozent gestiegen. Rapsschrot legte im gleichen Zeitraum um 16 Prozent zu. 
  • Die Situation zeigt einmal mehr, dass die weltweite Logistikkette in Krisensituationen an ihre Grenzen gerät und dass die heimische Produktion von Eiweißkomponenten – etwa als Nebenprodukt der Biokraftstoffverarbeitung – einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der Ernährungs- und Versorgungssicherheit in Deutschland leistet.
Verbraucherpreise
  • Bei Nahrungsmitteln insgesamt (ohne Getränke) liegt die Teuerungsrate im März bei 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bei frischen Lebensmitteln liegt die Teuerungsrate seit einigen Monaten darüber. Dem AMI-Frischeindex zufolge zahlen die Verbraucher in Deutschland dafür rund 5,9 Prozent mehr als vor einem Jahr. 
  • Maßgeblicher Treiber dieser Entwicklung sind wie bereits in den vergangenen Monaten die Preise für Schweinefleisch und Fleischwaren. Seit Juni 2019 kostet Schweinefleisch auf Verbraucherebene mehr als im entsprechenden Vorjahresmonat.  
  • Bei länger haltbaren Produkten schließt der LEH in der Regel länger laufende Verträge mit der Ernährungswirtschaft, so dass kaum unmittelbare Preiseffekte auftreten.  
  • Der Gastronomie und der übrige Außerhaus-Absatz sind zum Erliegen gekommen. Das trifft typische Gastronomie-Artikel wie Fleisch-Edelteile, Großgebinde Pommes, Fresh Cut Salate. Hier sind unter Umständen rückläufige Preise zu erwarten.
Stand: 02.04.2020
dbv
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