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01.01.2022 | 13:38 | Stabile Währung 

Vertrauen in den Euro durch Inflationssprung nicht gestört

Frankfurt / Main - Der zuletzt sprunghafte Anstieg der Inflation wird nach Einschätzung von Volkswirten das Vertrauen in die Stabilität des Euro nicht erschüttern.

Euro
Die Verbraucherpreise in Deutschland und im Euroraum sind in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen. Ist der Euro, mit dem wir seit 20 Jahren bezahlen, etwa doch ein «Teuro»? Fachleute haben andere Erklärungen, sehen aber dennoch eine Tendenz zu höherer Inflation. (c) proplanta
Ein Großteil des Preissprungs ist nach ihrer Einschätzung vorübergehend und wird sich 2022 allmählich wieder abschwächen. Dennoch sollten sich Verbraucher auf tendenziell höhere Inflationsraten einstellen, meinen die Experten in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur - und mahnen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes, um die Teuerung nicht noch anzuheizen.

«Der Euro hat sich über 23 Jahre als starke und stabile Währung erwiesen, eine temporäre Erhöhung der Inflation wird dieses Vertrauen nicht zerstören», ist der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, überzeugt. «Aber die Politik muss den Euro achten und sollte nicht versuchen, den Euro und Europa zum Sündenbock für eigene nationale Fehler zu machen.»

Für 11 der damals 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurde der Euro am 1. Januar 1999 gesetzliches Zahlungsmittel - zunächst nur elektronisch, vom 1. Januar 2002 an dann auch in Form von Schein und Münze. Heute ist der Euro für gut 340 Millionen Menschen in 19 EU-Staaten offizielles Zahlungsmittel.

Nach der Einführung des Euro-Bargeldes zum Jahreswechsel 2001/2002 erlebten viele Verbraucher die Gemeinschaftswährung als «Teuro», weil Preise für häufig genutzte Güter und Dienstleistungen stiegen.

«Anders als nach der Einführung des Euro-Bargelds sollte der aktuelle Anstieg der Inflation nicht das Vertrauen in die Stabilität des Euro gefährden», meint ING-Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. «Denn der Anstieg der Inflation kommt ja vor allem aus externen Faktoren wie Lieferengpässen, Post-Lockdown und Energiepreisen.»

Die höheren Inflationsraten der vergangenen Monate sollten «nicht dem Euro angelastet werden», rät auch die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Gertrud Traud. Vielmehr handele es sich um ein weltweites Phänomen beziehungsweise die Folge politischer Entscheidungen. «So wird sich unter anderem mehr Klimaschutz auch in steigenden Verbraucherpreisen zeigen. Nicht nur steigende CO2-Steuern, sondern auch neue Verfahren dürften zumindest temporär Konsumgüter verteuern.»

Zusätzlich seien die preisdämpfenden Effekte der Globalisierung in den vergangenen Jahren kleiner geworden, führt Traud aus. Denn viele Staaten schotten die heimische Volkswirtschaft zunehmend gegen ausländische Konkurrenz ab, zum Beispiel durch Zölle.

Der ehemalige Chefvolkswirt von Bundesbank und EZB, Otmar Issing, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ich gehe davon aus, dass wir in eine neue Phase eintreten, in der nicht zuletzt vom internationalen Umfeld eher Preissteigerungstendenzen ausgehen als dämpfende Wirkungen.»

Die Globalisierung werde ihr Tempo verlangsamen. «In dieser neuen Situation ist zu erwarten, dass wir eher wieder mit höheren Inflationsraten rechnen müssen. Entscheidend kommt es auf die Notenbanken an, dass diese rechtzeitig einen Preisanstieg bekämpfen und nicht aus den Ufern geraten lassen», betonte Issing.

Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater hält die Inflationsentwicklung der vergangenen Monate für «zu kurzlebig, um einen Vertrauensverlust in den Euro auszulösen». Doch auch Kater gibt zu bedenken: «Wenn sich die Inflation in den kommenden beiden Jahren als hartnäckiger erweisen würde als gegenwärtig allgemein erwartet und wenn die EZB in einem solchen Fall nichts dagegen unternehmen würde, dann nähme das Vertrauen in den Euro empfindlich Schaden.»

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist ebenfalls überzeugt: «Ob der aktuelle Anstieg der Inflation die Stabilität der Währungsunion gefährdet, hängt entscheidend von der EZB ab. Sie sollte den Kauf von Staatsanleihen endlich beenden, damit nicht weiter zu viel Geld in Umlauf kommt.»

Seit Jahren erwirbt die EZB in großem Stil Staatsanleihen und hält die Zinsen auf Rekordtief. Mittelfristig strebt die EZB für den Euroraum eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an - also mit ausreichend Abstand zur Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen aufschieben - in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird.

Für den Umgang mit vergleichsweise hohen Inflationsraten haben sich Europas Währungshüter mehr Flexibilität verschafft: Die EZB ist zumindest zeitweise bereit zu akzeptieren, dass die Zwei-Prozent-Marke moderat über- oder unterschritten wird.

Helaba-Ökonomin Traud formuliert an die Adresse der Notenbank: «Da die Inflationsrisiken zuletzt (...) deutlich größer geworden sind, sollte die EZB diese Gefahren in ihre Überlegungen aufnehmen und den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik reduzieren. Nur so trägt sie dazu bei, dass das Vertrauen in den Euro gewahrt bleibt.»
dpa
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