Denn wenn der Welthandel dramatisch schrumpft, dann wächst der Hang zum Protektionismus. Doch auf der dreitägigen WTO-Ministerkonferenz in dieser Woche in Genf herrschte weitgehend Einigkeit, dass die Abschottung der Märkte dank
WTO weitaus weniger stark betrieben worden sei als befürchtet. Und noch eine Totgesagte lebt weiter: Die sogenannte Doha-Verhandlungsrunde sei belebt worden und könne vielleicht sogar im nächsten Jahr abgeschlossen werden, hieß es. WTO-Generaldirektor Pascal Lamy frohlockte jedenfalls, dass er für Anfang 2010 bereits einen übervollen Terminkalender für Gespräche und Verhandlungen hat.
Im Vorfeld der 7. Ministerkonferenz - die letzte offizielle Tagung des höchsten Entscheidungsorgans der Weltorganisation war vor vier Jahren in Hongkong - waren die Erwartungen für die seit 2001 kaum von der Stelle gekommene Doha-Entwicklungsrunde besonders niedrig gehängt worden. Im Sommer 2008 waren Verhandlungen in Genf nach zehn Tagen ergebnislos verlaufen, weil sich vor allem die USA sowie Indien und China nicht hatten einigen können. Umso deutlicher klangen jetzt die Bekenntnisse zu dieser Verhandlungsrunde, die den Entwicklungsländern die Märkte der reichen Staaten für ihre Produkte - und umgekehrt - öffnen sollen. Denn seit 2008 ist natürlich viel geschehen. Die
Wirtschaftskrise rufe geradezu nach offenen Märkten, wird Lamy nicht müde zu behaupten. Und in den Chor stimmten auch fast alle «Global Player», wie die USA, Japan oder die EU-Staaten mit ein.
Doch zunächst einmal gab es Lob für die 1995 gegründete WTO, die eigentlich im Reformstau steckt. So merkte der deutsche Vertreter bei der Ministertagung, der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Bernd Pfaffenbach, ausdrücklich an, dass die WTO ihre Wächterrolle in der Krise gegen den Protektionismus gut wahrgenommen habe. «Der Generaldirektor hat die Initiative ergriffen, die Transparenz der Handelsmaßnahmen, die die Länder während der Krise ergriffen haben, zu verbessern», wurde Lamy von ihm öffentlich gelobt.
Deutschland ermutige die WTO, auf diesem Weg fortzufahren. In EU- Kreisen hieß es weiter, dass es durchaus auch Kritik an dem eigenmächtigen Vorgehen Lamys für dieses Monitoring - also das Offenlegen von Abschottungsmaßnahmen - gegeben habe. Erinnert wird etwa an die «Buy-American»-Kampagne in den USA. Dieses Monitoring könne nun Teil einer Reform der WTO - dem Hauptthema der Ministertagung - werden, um sie noch effizienter zu machen.
Ein weiterer wichtiger Bereich und Beweis für die sich wandelnde Handelswelt war in Genf der Zusammenhang zwischen Handel und Klimawandel. Pfaffenbach verwies darauf, dass auch hier die WTO als Weltorganisation ihren Beitrag zu leisten habe. Und wieder lautete das Credo Handelsfreiheit, was etwa der Position der meisten WTO- Kritiker, wie etwa Nicht-Regierungs- und Entwicklungsorganisationen, völlig zuwider läuft. «Handelspolitik kann am besten die Umwelt schützen und den
Klimawandel bekämpfen, wenn sie Maßnahmen aufnimmt, um Handelsbarrieren abzubauen statt etwa Zölle anzupassen», sagte Pfaffenbach. Ähnlich äußerten sich auch die USA, deren Handelsbeauftragter Ron Kirk in Genf dafür eintrat, den Handel mit Gütern, Technologie und Dienstleistungen für die Umwelt von Zollschranken völlig zu befreien.
Unklar blieb, ob es nun wirklich über eine Wiederbelebung hinaus zu einem Abschluss der Doha-Runde im kommenden Jahr und dann wirklich zu dem erwarteten fantastischen Schub für die Weltwirtschaft kommen kann. In Genf wurden Zahlen in der Größenordnung von 160 Milliarden Euro jährlich beim Abbau der Zollschranken genannt. Auffällig war die Ungeduld, mit der vor allem die USA größere Zugeständnisse der nun wirtschaftlich erstarkten
Schwellenländer China, Indien und Brasilien einforderten. Diese ihrerseits verlangten von der Regierung Barack Obamas mehr Entgegenkommen beim Abbau von Zöllen und Subventionen, und hier besonders in der US- Landwirtschaft.
Begraben jedenfalls wollte man bei der Ministertagung die nach der Hauptstadt des Scheichtums Katar benannte Handelsrunde nun nicht mehr. Vor genau zehn Jahre war in Seattle eine WTO- Sitzung unter dem Druck von 40.000 Demonstranten völlig geplatzt. Diesmal gab es in Genf nur etwa 3.000 Demonstranten und einige Scharmützel sowie Demonstrationen von wenigen Kleinbauern. (dpa)