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03.07.2022 | 14:13 | Klimagerechte Waldbewirtschaftung 

Kritik an der Verpflichtung zur Stilllegung von Waldflächen

Berlin - Das vom Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium vorgelegte Konzept für die „Honorierung der Ökosystemleistung des Waldes und von klimaangepasstem Waldmanagement“ stößt sowohl in der FDP als auch bei Forstverbänden auf Kritik.

Waldflächen
Forstverbände fordern Nachbesserungen am Konzept für klimagerechte Waldbewirtschaftung. (c) proplanta
Die Liberalen zeigen sich bislang nicht bereit, der für eine Umsetzung notwendigen Aufhebung des Sperrvermerks für die in diesem Jahr benötigten Mittel im Umfang von 200 Mio. Euro im Haushaltsausschuss zuzustimmen. „Stilllegungen von Waldflächen sind klimaschädlich und führen langfristig zu Abhängigkeiten beim Holzimport“, warnte der forstpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Karlheinz Busen.

Die Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes dürfe daher nicht von Waldstilllegungen abhängig gemacht werden. Auch der Präsident der „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) - Die Waldeigentümer“, Prof. Andreas Bitter, sieht Stilllegungen kritisch. Sie werde allenfalls einen begrenzten Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Mit dem Verzicht auf die Bindung von CO2 in Holzprodukten und die Substitution klimaschädlicher Rohstoffe und Energieträger durch den Rohstoff Holz bleibe ein großer Teil der Klimaschutzleistung des Waldes außen vor. Für den Vorsitzenden der Familienbetriebe Land und Forst, Max von Elverfeldt, bedeutet das Konzept der Ressorts sogar einen „Etikettenschwindel statt Klimaschutz“. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) forderte Nachschärfungen der Umweltschutzvorgaben für die Waldbesitzer.

Zwölf Kriterien

Das vorgelegte Konzept für das neue Förderinstrument „Honorierung der Ökosystemleistung des Waldes und von klimaangepasstem Waldmanagement“ setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen. Bereits in diesem Jahr soll Modul 1 „Klimaangepasstes Waldmanagement“ starten. Als Voraussetzung für die Förderung ist eine zehnjährige Verpflichtung zur Einhaltung von insgesamt zwölf Kriterien geplant, die über die Anforderungen der Zertifizierungssysteme PEFC und FSC hinausgehen.

Zu den Kriterien zählen ein Vorrang für die natürliche Verjüngung, der Erhalt und die Erweiterung einer standortheimischen Baumartendiversität, ein Verzicht auf Kahlschläge sowie auf Düngung und Pflanzenschutzmittel oder auch die Anreicherung von Totholz. Hinzukommt eine 20-jährige Verpflichtung für Forstbetriebe mit mehr als 100 ha, auf 5 % der Fläche eine natürliche Waldentwicklung zuzulassen.

Mit 870 Mio. Euro entfällt der Löwenanteil der insgesamt eingeplanten Mittel aus dem Energie- und Klimafonds auf dieses Modul 1. Die verbleibenden 30 Mio Euro sind ab 2023 für das Modul 2 „Extensivierung Laubholz“ eingestellt. Damit soll ein Anreiz gegeben werden, bestimmte Laubholzbestandstypen für mindestens 20 Jahre aus der Nutzung zu nehmen.

Modalitäten unklar

Der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrats, (DFWR), Georg Schirmbeck, monierte, dass die Modalitäten für die Auszahlung der Mittel in dem Konzept noch nicht hinreichend konkretisiert würden. „Wir gehen jetzt in die zweite Jahreshälfte und unsere Forstleute sind immer noch im Unklaren, nach welchen Kriterien sie Hilfen beantragen können“, so Schirmbeck.

Er kritisierte erneut die vorgesehene zeitliche Begrenzung der Zahlungen auf vier Jahre und bezeichnete die Fördersumme von jährlich 200 Mio. Euro als unzureichend. Notwendig seien eine langfristige Perspektive sowie eine deutliche Erhöhung: „Auf lange Sicht reden wir über 50 Mrd. Euro, die für den Waldumbau benötigt werden.“

Besondere Obacht mahnt der DFWR im Umgang mit Nutzungseinschränkungen von Waldflächen an. „Holz ist ein klimafreundlicher und CO2-absorbierender Rohstoff und die Ernte und Verwendung ein wichtiger Faktor in der Energie- und Klimakrise“, betonte Schirmbeck. Positiv wertet er die Möglichkeit, nahezu 50 % nichtheimische Baumarten anzupflanzen.

Erster wichtiger Schritt der Politik

Neben der Forderung nach Nachbesserung signalisierte AGDW-Präsident Bitter grundsätzliche Zustimmung zu dem Konzept. Er sprach von einem wichtigen ersten Schritt der Politik, der jedoch in einzelnen Punkten hinterfragt werden müsse. „Die Stilllegung mindert die Rohholzversorgung und gefährdet langfristig die Rohstoffsicherheit“, warnte Bitter.

Falls Flächen periodisch aus der Nutzung genommen werden sollten, dürfe dies nicht aus den jährlich bereitgestellten 200 Mio. Euro finanziert werden. Diese Mittel seien für den produktionsintegrierten Klima- und Naturschutz einzusetzen. Für die Honorierung von Nutzungsverzicht müssten zusätzliche Mittel aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz bereitgestellt werden.

Ebenfalls nicht einverstanden ist der Waldeigentümer-Präsident mit der vorgesehenen pauschalen Vorgabe eines Rückegassenabstands von 30 m bei Neuanlagen. Dies sei hinsichtlich des Bodenschutzes von ungewisser Wirkung, der Humanisierung der Waldarbeit abträglich und mit Blick auf den Arbeitsschutz gefährlich.

Stattdessen müssten bewährte Erschließungssysteme fortgeführt werden. Auch nach Auffassung Bitters bleibt das Konzept finanziell deutlich hinter den Notwendigkeiten zurück. Er verwies auf Berechnungen des Thünen-Institut, nach denen der jährliche Finanzbedarf bis zu 1,4 Mrd. Euro betrage. Die in Aussicht gestellten 200 Mio. Euro deckten demnach noch nicht einmal 15 % des Bedarfs und seien damit nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Höhere Brandgefahr durch Totholz

„Ein wirklich zukunftsgerichteter Waldbau braucht nachhaltige Forstwirtschaft, keine Stilllegungen“, erklärte von Elverfeldt. Auf nicht-bewirtschafteten Flächen sei weder der notwendige Waldumbau noch die Produktion des nachwachsenden Rohstoffs Holz möglich. Durch die Verrottung im Wald werde hingegen CO2 freigesetzt, anstatt es in Holzprodukten zu binden und mit Holz andere, klimaschädliche Materialien zu ersetzen.

Für den Vorsitzenden ist das „alles andere als nachhaltiger Klimaschutz“. Auch mit anderen Elementen des Förderprogramms ist der Verband nicht einverstanden. So werde der Fokus auf standortheimische Baumarten den Erfordernissen auf vielen Betrieben nicht gerecht. „Gerade im Klimawandel müssen wir neue Wege gehen und die Widerstandsfähigkeit unserer Wälder erhöhen“, mahnte von Elverfeldt.

Dazu gehörten möglichst viele klimaresiliente Baumarten auf der Fläche und keine Verengung der Baumartenwahl. Nicht zielführend sei zudem die Forderung nach mehr Totholz im Wald. Gerade in trockenen Wäldern erhöhe Totholz die Brandgefahr.

Nachwachsende Rohstoffe fallen nicht vom Himmel

Ein vom Förster gepflegter Wald speichere mehr Treibhausgase als stillgelegte Wälder, stellte der FDP-Parlamentarier Busen fest. Die Grünen müssten einsehen, dass „nachwachsende Rohstoffe nicht vom Himmel fallen“, forderte der westfälische Abgeordnete. Bewirtschaftete Wälder würden für den Klimaschutz benötigt. Für Busen steht außer Frage, wenn Holz nicht aus heimischem Anbau stamme, werde es aus dem Ausland importiert - zuletzt vielfach aus Russland. Abhängigkeiten wolle man jedoch vermeiden.

„Biodiversität im Wald ist wichtig“, betonte der Liberale. Biodiversität könne aber in bewirtschafteten Wäldern integriert werden. Hingegen seien pauschale Stilllegungen für eine Stärkung der Biodiversität nicht zwingend. Kritisch sieht Busen auch den „strengen Fokus“, den das Papier der beiden Ministerien auf standortheimische Baumarten lege. Er plädiert dafür, beim Waldumbau auch klimarobuste Baumarten aus anderen Regionen zuzulassen.

Mindeststandards erhöhen

Nach Einschätzung des NABU droht mit dem aktuellen Entwurf eine halbherzige Honorierung für Privatwaldbesitzende, die ihren Wald nicht mehr für die Holzproduktion, sondern für die „intensive Bereitstellung von Ökosystemleistungen wie Klimaschutz, kühle Luft, sauberes Wasser und Erosionsschutz nutzen wollen“. Da müsse nachgeschärft werden, um teure, aber ineffiziente Förderkulissen zu vermeiden.

Gebraucht würden höhere gesetzliche Mindeststandards für eine ökologischere Waldbewirtschaftung unter besonderer Berücksichtigung des Waldumbaus und der Naturverjüngung. Auch fehle bislang eine langfristige Absicherung der Renaturierungserfolge über die vorgesehene 20-jährige vertragliche Bindungsdauer hinaus.
AgE
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