Die Betreiber der Stadtwerke drohten wegen der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke, Investitionen in Öko-Energien zurückzustellen. Nach mehreren Bundesländern kündigte am Mittwoch auch die SPD-Bundestagsfraktion eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die im Schnitt zwölf Jahre längeren Atomlaufzeiten an.
Die Organisation LobbyControl forderte eine Offenlegung des geheimen Vertrags zwischen Regierung und Atomindustrie. Der Verbandspräsident der kommunalen Unternehmen, Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD), sagte der Nachrichtenagentur dpa: «Wir wissen, dass die Stadtwerke Investitionen in Höhe von mehr als zwölf Milliarden Euro planen oder im Genehmigungsverfahren haben. Und viele dieser vielen hundert einzelnen Projekte werden jetzt sicherlich erneut infrage gestellt werden oder auf den Prüfstand kommen.»
Weils Verband vertritt rund 800 Stadtwerke. Sie haben besonders in Ökoenergien investiert und fürchten durch die Laufzeitverlängerung Milliardenverluste. Die Windkraftbranche sieht angesichts längerer Atomlaufzeiten ihre Wachstumsziele massiv gefährdet. Die Regierung setze vor allem auf eine Förderung der Windkraft auf See, sagte der Präsident des Bundesverbandes
Windenergie, Hermann Albers. Damit gebe sie einen Teil ihrer Atom-Einnahmen an die großen Konzerne zurück, die viele Offshore-Projekte auf See planten. Diese sollen über einen Ökoenergie-Fonds in den nächsten Jahren stark gefördert werden.
Windkraftanlagen an Land werden vor allem von mittelständischen Unternehmen betrieben. Umweltminister Norbert Röttgen (
CDU) verteidigte sich gegen die Kritik. «Es hat noch nie einen Umweltminister gegeben, der Vergleichbares in einer Regierung durchgesetzt hat», sagte er dem Deutschlandfunk.
Unionsfraktionschef Volker Kauder versuchte Sorgen der Kommunen zu zerstreuen, durch die Atombeschlüsse könnten ihnen bei der Gewerbesteuer bis zu 300 Millionen Euro entgehen. «Es wird nicht zu einem Sonderopfer der Kommunen kommen», sagte Kauder in Berlin Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit den kommunalen Versorgern sprechen. Sie bemängeln, dass die kleineren und mittleren Versorger nicht in die Gespräche mit der Regierung eingebunden worden seien. Bleibt es bei dem von Rot-Grün vereinbarten, bislang geltenden Zeitplan für den Atomausstieg, gehen Forscher von einem Rückgang des Marktanteils der Energiekonzerne
RWE, Eon,
EnBW und
Vattenfall von derzeit 80 auf rund 50 Prozent aus.
Bundesumweltminister Röttgen wies die Stadtwerke-Kritik zurück. Die Regierung unterstütze die Ökoenergie-Branche und die Stadtwerke sehr, sagte Röttgen. «Sie werden auch weiter ihren zunehmenden Platz auch in der Energiebranche in Deutschland haben.» Eine Sprecherin Röttgens erklärte, der Atomkompromiss solle mit zwei Novellen des Atomgesetzes umgesetzt werden, die nicht der Zustimmung der Länderkammer bedürften. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte den «Stuttgarter Nachrichten», sie mache sich keine Sorgen. «Der Kompromiss wird vor den Verfassungsrichtern Bestand haben.»
Nachdem RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz gesagt hatte, dass die Konzerne wenige Stunden nach der Einigung im Kanzleramt eine Vereinbarung mit der Regierung unterschrieben hätten, forderte LobbyControl Aufklärung. «Die Bundesregierung muss erklären, welchen direkten Zugang die Energiekonzerne zu den Verhandlungen hatten», sagte Geschäftsführer Ulrich Müller. Die Organisation «ausgestrahlt» berichtete von großem Interesse für die Anti-Atom-Demonstration am 18. September in Berlin. «Wenn Angela Merkel nicht aufpasst, wird es eine Revolution ganz anderer Art geben: Wer AKW-Laufzeiten verlängert, verkürzt seine Regierungszeit», sagte Sprecher Jochen Stay in Bezug auf Merkels Bemerkung, das Energiekonzept sei eine Revolution. (dpa)