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12.08.2015 | 16:30 | EU-Vertragsverletzungsverfahren 

Brief an Schäuble: Agrarstrukturpolitik funktioniert nur über den Bodenmarkt

Schwerin - Auf Initiative von Minister Dr. Till Backhaus haben die Finanz- und Landwirtschaftsminister der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt in einem Brief an Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble die strukturpolitischen Chancen bei der Privatisierung von Bundesflächen dargestellt.

Agrarstrukturpolitik
Die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt haben den Bund aufgefordert, ihnen Flächen für den Gewässerschutz und den Schutz vor Hochwasser zu übertragen. Die Finanz- und Landwirtschaftsminister der drei Länder legten ihre Forderungen auf Initiative von Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) in einem Brief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dar. "Momentan sehen wir jedoch, dass immer mehr Agrarflächen an nicht-landwirtschaftliche und überregionale Investoren verkauft wird", sagte Backhaus. Dies könne so nicht weitergehen. (c) Regierung MV
„Der Boden ist nicht vermehrbar und ein kostbares Gut. Wer ihn besitzt, muss nachhaltig für Umwelt und Gesellschaft mit ihm umgehen. Momentan sehen wir jedoch, dass immer mehr Agrarfläche an nicht-landwirtschaftliche und überregionale Investoren verkauft wird. Dies kann so nicht weitergehen, da wir diese Flächen zum Beispiel für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie oder den Hochwasserschutz, also das Gemeinwohl, benötigen. Andernfalls drohen Deutschland enorme Probleme und Lasten. Hier ist der Bund in der Pflicht. Das haben wir sechs Ministerinnen und Minister Herrn Dr. Schäuble auch so deutlich gemacht“, so Dr. Backhaus.

So werden Bundesflächen für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sowie für den Hochwasserschutz benötigt. Die WRRL, ein Regelwerk, das Deutschland unterzeichnet hat, sieht vor, dass der Zustand der Gewässer stetig verbessert werden muss. Schon wenn ein Bewertungskriterium negativ ausfällt, wird die Vorgabe der WRRL nicht erfüllt.

„Derzeit droht der Bundesrepublik ein EU-Vertragsverletzungsverfahren mit möglichen Sanktionen in mehrstelliger Millionenhöhe, wenn der Zustand der Gewässer nicht deutlich verbessert wird. Die Übernahme der Bundesflächen und die damit erfolgende Hoheit über die Bewirtschaftung könnte ein wichtiges Teilstück zur Umsetzung der WRRL sein. Bisher will der Bund diese Flächen aber nur zu einem viel zu hohen Preis veräußern. Wir müssen hier gesamtgesellschaftlich denken und handeln und hier muss der Bund endlich seiner Pflicht nachkommen. Die Umsetzung der WRRL gehört zweifelsfrei wie die Umsetzung des Nationalen Hochwasserschutzprogramms zu den am Gemeinwohl orientierten Aufgaben. Dies haben wir dem Bundesminister deutlich gemacht und ihn aufgefordert, seine Position bei der Preisgestaltung nochmal zu überdenken“, hob Dr. Backhaus hervor.

Auch für den Landwirtschaftsbereich sind die Bodenflächen von entscheidender Bedeutung. Nach dem Abschluss des berechtigten Flächenerwerbs durch wirtschaftende Landwirte besitzt der Bund und damit die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) noch ca. 60.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche in MV. Die Praxis der BVVG, die Grundstücke zum Höchstpreis auszuschreiben, hat allerdings, begleitet durch die Flucht klassischer Kapitalanleger in den Boden infolge der Finanzkrise, die Bodenpreise zwischenzeitlich extrem in die Höhe getrieben.

So sind die Bodenwerte um das 4-fache auf rund 20.000 Euro je Hektar gestiegen. „Gerade die Landwirte, die für Wertschöpfung und Beschäftigung im ländlichen Raum stehen, die also in der Vergangenheit zuerst in die Veredlung und Arbeitsplätze statt in Bodenkäufe investiert haben, konnten dem massiven Preisanstieg nicht mehr folgen. Die Bodenpreise können seither nicht mehr aus der landwirtschaftlichen Produktion erwirtschaftet werden. Daher habe ich zuletzt bei den Koalitionsverhandlungen im Bund erreicht, dass die Privatisierungsgrundsätze des Bundes überdacht werden müssen. Wir haben nun erste Erfolge nach jahrelangen Verhandlungen zu verzeichnen“, erklärte der Minister.

So hat sich der Bund bewegen lassen, die Privatisierungsgrundsätze beim Flächenverkauf zu ändern. So wird der Privatisierungszeitraum statt bis 2025 nun bis 2030 ausgedehnt, damit der Zeitdruck für den Verkauf reduziert wird. Außerdem wird die maximale Losgröße der nicht einen Direkterwerb unterliegenden Flächen von 25 ha auf 15 ha reduziert, dies mindert die Attraktivität für Großinvestoren. Auch wurde erreicht, einen Anteil von 30 % dieser Flächen beschränkt für arbeitskraftintensive Landwirtschaftsbetriebe auszuschreiben.

Die BVVG ist bereits vom Bundesfinanzministerium angewiesen, diese anzuwenden. „Außerdem konnten wir die Seen und Gewässer vom Bund übernehmen, um einen freien Zugang an unsere Seen zu sichern. Dies, wie auch die Übertragung von Bundesflächen in das Nationale Naturerbe, waren ein wichtiger Teilerfolg und hat gezeigt, dass der Bund sich auch bewegen kann“, sagte der Minister.

Insgesamt wurden zwischen 2011 und 2014 144 Seen (ab 0,5 ha) bzw. Gewässerflächen mit einer Gesamtfläche von 1.724 ha sowie angrenzende Flächen (Grünland-, Acker u.a. Flächen) im Umfang von 284 ha vom Bund für rund 2,7 Mio. Euro erworben. (Pd)
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