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11.07.2009 | 09:57 | Atomenergie  

AKW Krümmel - «Nach Unfall fängt es an zu stören»

Geesthacht - Die Rentner Günter Schneider und Reinhold Behrmann gucken über die Elbe auf den großen grauen Klotz am gegenüberliegenden Geesthachter Ufer.

Atomkraftwerk
(c) proplanta
Das Atomkraftwerk Krümmel fügt sich so gar nicht in die liebliche Flusslandschaft östlich von Hamburg. «Bis jetzt habe ich nie Bedenken gehabt», sagt Schneider, der öfter mal mit seinem Klapprad auf dem Deich des Örtchens Tespe am südlichen Ufer entlangradelt. «Aber jetzt wundert man sich doch.» Den spektakulären Brand eines Transformators in dem 1984 in Betrieb genommenen Kraftwerk vor fast genau zwei Jahren hatten viele Anwohner noch hingenommen. Doch mit der neuerlichen Panne - wieder eine Reaktorschnellabschaltung nach einem Kurzschluss im Transformator - scheint sich die Stimmung zu ändern. «Wenn es häufige Störungen gibt, dann sollte es geschlossen werden», findet Behrmann.

Reinhard Braatz wohnt seit 16 Jahren hinter dem Deich in Tespe am niedersächsischen Elbufer. «Das Ding hat uns nicht weiter gestört», sagt er über den großen Siedewasserreaktor. «Nach dem Unfall vor zwei Jahren fängt es aber an zu stören.» Wegziehen komme dennoch nicht infrage, beteuert der gelassen wirkende Mann und deutet auf sein schmuckes Einfamilienhaus. «Es ist doch schön hier, hinter dem Haus habe ich Fuchs, Hase, Igel und vor dem Haus die Elbe.»

Ständige Angst vor einem noch schlimmeren Unfall gebe es nicht, aber zunehmend Grübeleien. «Die Gleichgültigkeit haben wir nicht mehr», sagt Braatz. Ob er aktiv werden wolle? «Ich stelle mich nicht mit einem Fähnchen auf den Deich und fordere, das Ding abzuschalten.» Schließlich seien sie damals trotz des schon laufenden Reaktors und wegen der schönen Lage nach Tespe gekommen.

Am anderen Ufer, nur einen Steinwurf vom Kraftwerkszaun entfernt, betreibt Annette Fritsch mit ihrem Mann ein Hotel und Restaurant. Von Angst oder Zorn findet sich auch hier keine Spur, Fritsch geht gelassen mit dem Nachbarn um, dessen Mitarbeiter manchmal bei ihr einkehren. «Die Sicherheitssysteme funktionieren», sagt sie. Das sei bei den jüngsten Störungen ja klar geworden. «Gefährdet fühlen wir uns nicht.»

Bei ihr und ihrer Mitarbeiterin Sandra Wulf rücken jetzt aber die Alternativen stärker ins Bewusstsein. «Die Forschungsgelder sollten richtig eingesetzt werden», fordert Wulf und meint damit Sonne, Wind und andere erneuerbare Energien. Vertreter von Greenpeace, die sich ans Tor des Kraftwerks gekettet haben und Transparente mit der Aufschrift «Geschlossen wegen Unzuverlässigkeit» zeigen, bekommen mehr als heimliche Unterstützung der Gastwirte. «Ich finde es gut, dass es Menschen gibt, die sich einsetzen und aufmerksam machen», sagt Wulf.

Nicht alle Anlieger lebten immer so gelassen mit dem Kernkraftwerk. Krümmel war bereits lange vor dem Trafobrand 2007 in der Kritik. Einige Ärzte, Wissenschaftler und eine Bürgerinitiative machten den Reaktor für eine ungeklärte Häufung von Leukämieerkrankungen bei Kindern in der niedersächsischen Elbmarsch verantwortlich. Ein Zusammenhang, der jedoch von zahlreichen Kommissionen und auch durch eine Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters nicht belegt werden konnte. Aber auch wegen der Pannen und dem Umgang des Betreibers Vattenfall mit den Vorfällen fordern Greenpeace und Robin Wood, dem Konzern die Betriebserlaubnis zu entziehen und Krümmel endgültig stillzulegen. Es dürfe nicht erst ein unkontrollierbarer Störfall passieren. (dpa)
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