Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
26.01.2007 | 18:27 | Flächenkonkurrenz 

Bioenergie: Versorgungsalternative oder Lebensmittel-Preistreiber?

Berlin - Beim Thema Bioenergie scheiden sich die Geister. Bio-Kraftstoffe oder Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen seien eine Alternative für mehr Unabhängigkeit bei der Energieversorgung, argumentieren die Befürworter.

Zapfsäule
(c) proplanta
Der erhöhte Bedarf für nachwachsende Rohstoffen verteure Nahrungsmittel und auch Viehfutter, geben Kritiker zu bedenken. Zu den Mahnern gehört der Bundesverband der Verbraucherzentralen vzbv), aber auch Politiker weisen auf künftige Probleme hin.

Dagegen steht die EU-Kommission klar hinter der Bioenergie. Nach  orstellung Brüsseler soll sie künftig einen gewichtigen Stellenwert haben. Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel bekräftigte auf der Grünen Woche in Berlin das Ziel, bis 2020 in der Gemeinschaft eine zehnprozentige Beimischung von Biokraftstoffen zu erreichen.

Durch die Zielsetzung wittert das an Erdöl und Gas reiche Russland ein weiteres Geschäft. Da die EU den Bedarf dafür zum Beispiel mit Rapsöl nicht allein decken kann, könnte sein Land jährlich rund fünf Millionen Tonnen liefern, kündigte Agrarminister Alexej Gordejew an.

Die Verbraucherzentrale warnte vor einer falschen Weichenstellungen im Agrarbereich. «Eine Turbolandwirtschaft, um den viel zu hohen Treibstoffbedarf im Verkehr zu stillen, ist eine Sackgasse», sagte vzbv-Chefin Edda Müller. Die Beimischungspflicht für Biodiesel wird von Müller scharf kritisiert.

Die Entwicklung der Landwirtschaft werde dadurch in die Hand von Mineralölkonzernen gelegt. Die Unternehmen gehen Müller zufolge weltweit auf Einkaufstour für Bioenergie, dies habe mit negative Auswirkungen in Entwicklungsländern. Die Nutzung von Biomasse aus Holzresten und Agrarabfällen sei dagegen ein richtiger Weg, sagte Müller.

Durch die hohe Nachfrage für nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung könnten laut vzbv auch die Preise für Lebensmittel anziehen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie BVE) warnt vor einer Preisspirale. Bioenergie dürfe nicht zu Lasten der Lebensmittelproduktion gehen, fordert BVE-Chef Jürgen Abraham. Rohstoffe müssten bezahlbar bleiben. «Was an der Tankstelle gespart wird, muss dann im Supermarkt mehr bezahlt werden», sagte Abraham.

Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) meint, dass der Boom der Bioenergie auch Schattenseiten hat. «Heute zeigen sich langsam Probleme, an die man früher nicht gedacht hat oder die man sich nicht vorstellen konnte.» Wenn eine Biogasanlage Konkurrent der Milchviehhaltung wird, habe dies Folgen für den Arbeitsmarkt.

Der Mais werde für die lukrative Energiegewinnung genutzt und die Milchkühe abgeschafft. Unter dem Strich haben dann deutlich weniger Menschen Beschäftigung. Bei einer starken Ausdehnung zum Beispiel von Maisflächen für den Energiebereich drohe eine artenmäßige Verarmung und die Entstehung von Monokulturen.

Nach Angaben von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner werden mit erneuerbarer Energie fast sieben Prozent des Strom-, Wärme- und Kraftstoffverbrauchs gedeckt - bei der Stromversorgung allein bereits zu über zehn Prozent. «Das Ziel, 12,5 Prozent des Stromverbrauchs bis 2010 aus erneuerbaren Energien zu decken, ist heute schon fast erreicht.» Die Bauern seien auch Energiewirte.

«Kornkraft statt Kernkraft ist Programm», sagte Sonnleitner. Die Landwirte bleiben nach seiner Meinung aber zuerst Nahrungsmittelproduzenten. 13 Prozent der Ackerfläche (1,6 Millionen Hektar) werden für nachwachsende Rohstoffe genutzt. Prognosen gehen von bald drei Millionen Hektar aus.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sieht angesichts des großen Interesses an Bioenergie eine zunehmende Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln. «Die Landwirte werden sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass sie zukünftig bis zu 50 Prozent ihrer Erträge nicht mehr mit Lebensmitteln, sondern mit Energie erzielen werden», sagte Koch auf der Grünen Woche.

Bioenergie bietet nach Ansicht von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) Chancen für die Landwirtschaft. «Bei der Produktion von Bioenergie, in welcher Form auch immer, sollten klare Regeln entwickelt werden», forderte er, um Fehlentwicklungen und Schädigungen der Natur zu vermieden.

Quelle: dpa 26.01.2007
© dpa

Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Agri-Photovoltaik: Weniger Pflanzenschutzmittel nötig

 Wirtschaftliche Lage bayerischer Biogasbetreiber verschlechtert

 Rückbau von Biogasanlagen verhindern

 Dringend neue Perspektive für Biogasanlagen notwendig

 Agri-PV erstmals im Landesentwicklungsplan von Rheinland-Pfalz berücksichtigt

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken