Bei der Energiewende muss nach Auffassung der deutschen Chemiebranche radikal umgesteuert werden. Die energieintensiven Industrien könnten weitere Kostensteigerungen nicht verkraften, warnt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) und schlägt ein neues Konzept vor, das vor allem auf die Nutzung heimischen Schiefergases setzt.
Dessen massenhafte Förderung durch das umstrittene «Fracking»-Verfahren hat die Energiepreise in den USA in den vergangenen Jahren fallen lassen.
Nach einer vom VCI in Auftrag gegebenen Studie des Beratungsunternehmens IHS könnte Deutschland Mitte der 2030er Jahre kostengünstig mehr als ein Drittel seines derzeitigen Gasbedarfs aus eigener Förderung decken. Das entspräche dem gegenwärtigen Import aus Norwegen.
Das zusätzliche Gas solle in Kraftwerken verfeuert werden, die an die Stelle der bisherigen Kohle-Meiler treten könnten, so dass die CO2-Emissionen insgesamt deutlich reduziert würden. Die Förderkosten würden wesentlich von den geologischen Umständen bestimmt und lägen daher voraussichtlich nicht höher als in den USA.
Die Berater erwarten deutlich positive wirtschaftliche Auswirkungen einer konsequenten Nutzung des heimischen Schiefergases, das in größeren Mengen unter anderem in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und im Rheingraben lagert. Schon im Jahr 2030 könne das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,3 Prozent über dem Wert liegen, der unter Beibehaltung der jetzigen Politik erreicht würde.
Der von der
EU-Kommission angestrebte Wegfall der Umlage-Befreiungen für energieintensive Unternehmen hätte laut der Studie hingegen verheerende Folgen: Mit um 60 Prozent gestiegenen Energiepreisen müsste sich Deutschland für 2030 auf ein um 5 Prozent rückläufiges BIP und um 290 Milliarden Euro verringerte Exporte einstellen. Der Untersuchung zufolge gibt es in diesem Fall auch deutlich niedrigere Pro-Kopf-Einkommen und über eine Million weniger Jobs.
Einstweilen beurteilt die drittgrößte Industriebranche des Landes ihre Situation aber noch positiv, wie VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann erklärte. Nach der am Dienstagabend vorgestellten Konjunktur-Prognose des Verbands soll die Produktion um 2,0 Prozent wachsen und zu einem erneuten Umsatzrekord von geschätzten 191,5 Milliarden Euro führen. Das vergangene Jahr hat die Branche vor allem dank der gestiegenen Inlandsnachfrage mit einem um 1,0 Prozent gestiegenen Umsatz von 188,7 Milliarden Euro abgeschlossen. (dpa)